Dem Burnout vorbeugen
Aktionsrat Bildung warnt vor Belastungen im Bildungswesen und fordert Aufbau von Gesundheitsmanagement
"Bildungspersonal ist besonders von Burnout betroffen", sagt Bettina Hannover. Die Psychologie-Professorin der Freien Universität Berlin mit dem Schwerpunkt Schul- und Unterrichtsforschung war gemeinsam mit Dieter Kleiber, Professor am Arbeitsbereich Public Health, federführend an einem Gutachten des Aktionsrates Bildung beteiligt. Mit dem umfangreichen Papier dokumentiert der Aktionsrat – ein Expertengremium renommierter Bildungsforscher, das von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ins Leben gerufen wurde – das Phänomen Burnout mit Blick auf die Situation Beschäftigter im Bildungsbereich. Denn die Problematik kann die Qualität des Bildungssystems maßgeblich beeinträchtigen. Burnout belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Lernenden. Das Gutachten geht den Ursachen nach sowie der Frage, welche Prävention hilfreich sein könnte.
Während aktuelle Studien einen Anteil von 4,2 Prozent der Bevölkerung feststellten, bei denen Burnout in den vergangenen zwölf Monaten von Ärzten diagnostiziert und behandelt wurde, waren es beim Bildungspersonal zwischen 9 und 30 Prozent. Besonders dramatisch sieht es an den Schulen aus, wie die Wissenschaftler ermittelten: Der hohe Anteil an überlasteten oder ausgebrannten Lehrerinnen und Lehrern ist besonders beunruhigend in Verbindung mit der Quote von Frühverrentungen, die um die Jahrtausendwende bei mehr als 60 Prozent der Lehrkräfte lag. Zwischenzeitlich ist diese gesunken und liegt nun auf dem gleichen Niveau wie in anderen Berufen: nämlich bei ungefähr 20 Prozent. Experten vermuten aber, dass die Quote nur gefallen ist aufgrund gesetzlicher Änderungen, die zu starken finanziellen Einbußen für frühpensionierte Lehrerinnen und Lehrer geführt haben.
"Wir müssen daher damit rechnen", schlussfolgert Bettina Hannover, "dass wir heute viele Lehrkräften in Schulen haben, die eigentlich ausgebrannt sind, aber im Dienst verbleiben und dort vermutlich eine in der Qualität beeinträchtigte Arbeit leisten." Das könne erhebliche Folgen für die Ausbildung der nachwachsenden Generationen haben. "Um Erschöpfungserscheinungen vorzubeugen, wäre die Einführung eines systematischen Gesundheitsmanagements an Schulen sinnvoll", sagt Dieter Kleiber. "Bildungseinrichtungen liegen, was dies anbelangt, im Vergleich zu anderen Betrieben nochweit zurück." Bei den Lehrerinnen und Lehrern sollten spezifische Kompetenzen gefördert werden, vor allem die Fähigkeit zum Klassenmanagement, also die Befähigung, eine Gruppe so zu führen, dass eine angenehme Lernatmosphäre herrscht und jeder Einzelne sich optimal entwickeln kann. Denn eine Schulklasse, die nicht gut geführt wird, stelle eine chronisch hohe Belastung für die Lehrkraft dar, sagt Hannover.
Auch gute Zusammenarbeit und soziale Unterstützung können vor dem Ausbrennen schützen, und zwar sowohl von Lehrkräften untereinander als auch zwischen Schulleitung und Lehrerkollegium. Beispielsweise könne eine Schulleitung gemeinsam mit dem Lehrerkollegium bestimmte Ziele festlegen und sich darüber verständigen, welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann, um diese Ziele zu erreichen, betont Dieter Kleiber. "Doch das ist leider nach wie vor eher die Ausnahme." Zudem sollten für Betroffene Hilfsangebote bereitstehen, etwa zum Erlernen von Stressmanagement, Entspannung oder Bewältigungsstrategien im Umgang mit beruflichen Belastungen.
Weiter halten die Wissenschaftler den Aufbau einer Datenbank für hilfreich, in der erfolgreiche gesundheitsfördernde Projekte für Bildungsinstitutionen dokumentiert und zur Nachahmung empfohlen werden. Da Schulleiterinnen und Schulleiter einen besonders starken Einfluss auf Schulklima und Wohlbefinden der Lehrkräfte hätten, indem sie Anerkennung und Wertschätzung vermittelten, komme ihnen eine besondere Rolle in der Burnout-Prävention und dem Umgang mit Betroffenen zu.
Wichtig zur Vorbeugung von Burnout seien zudem Maßnahmen, die bereits vor der Aufnahme eines Studiums ansetzten. Beratungsgespräche vor Studienbeginn sollten über die Anforderungen des Lehrerberufs aufklären und die Studieninteressierten veranlassen, diese mit ihren persönlichen Zielen, Stärken und Schwächen abzugleichen. Die Wissenschaftler empfehlen zudem, nicht erst in den Master, sondern bereits in die Anfangsphase des Studiums Praxisphasen oder Lehrassistenzen zu integrieren.