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Brücke zwischen Berlin und Athen

12.06.2014

Die Portara von Naxos - hier als Aquarell von Thomas Hope (1769-1831) – ist ein Fragment des Apollon-Tempels auf der gleichnamigen Kykladeninsel und zugleich derenWahrzeichen.

Die Portara von Naxos - hier als Aquarell von Thomas Hope (1769-1831) – ist ein Fragment des Apollon-Tempels auf der gleichnamigen Kykladeninsel und zugleich derenWahrzeichen.
Bildquelle: Benaki Museum, Athen

Das neue Centrum Modernes Griechenland fördert den Austausch zwischen deutschen und griechischen Wissenschaftlern und Kulturschaffenden

Beim Stichwort „griechische Kultur“ fallen den meisten Deutschen vielleicht Homer, Pythagoras, die Akropolis oder die olympischen Götter ein. Mit zeitgenössischer griechischer Kunst oder Wissenschaft sind nur wenige vertraut. Das in der vergangenen Woche neu an der Freien Universität gegründete Centrum Modernes Griechenland (CeMoG) bietet nun interessierten Wissenschaftlern, Künstlern und einem breiten Publikum vielfältige Möglichkeiten, sich mit der Geschichte, dem Bildungswesen und der Kulturlandschaft des Mittelmeer-Anrainers zu beschäftigen.

Zum Angebot gehören Workshops und Vorträge, Übersetzungen griechischer Literatur ins Deutsche und eine Enzyklopädie zum deutsch-griechischen Kulturtransfer. „Wir verstehen diese Aktivitäten als Brücke im europäischen Integrationsprozess“, sagt Konstantinos Kosmas, Lehrbeauftragter am Institut für Griechische und Lateinische Philologie der Freien Universität  und Koordinator der Einrichtung.

Die Einrichtung wird vier Jahre lang von der griechischen Stavros Niarchos Foundation mit insgesamt rund 900 000 Euro gefördert, die Freie Universität übernimmt im Anschluss für weitere vier Jahre die Finanzierung. Initiator und Direktor des CeMoG ist Miltos Pechlivanos, Professor für Neogräzistik an der Freien Universität.

Die erste Veranstaltung ist für den 20. Juni geplant: In Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle diskutieren Wissenschaftler, politische Aktivisten und Journalisten im Deutschen Historischen Museum über die deutsch-griechische Zusammenarbeit beim Sturz der griechischen Militärdiktatur 1974.

Am 7. und 8. Juli organisiert das CeMoG gemeinsammit dem Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin und dem Nationalen Zentrum für Sozialforschung Athen einen Workshop und eine Podiumsdiskussion über Antisemitismus in Griechenland. Dabei geht es unter anderem um Antisemitismus in den griechischen Medien und die rechtliche Ahndung der Leugnung des Holocaust.

Die Figur des Karagiozis im Flugzeug stammt von Sotiris Spatharis, dem populärsten Spieler des volkstümlichen Schattentheaters aus Griechenland.

Die Figur des Karagiozis im Flugzeug stammt von Sotiris Spatharis, dem populärsten Spieler des volkstümlichen Schattentheaters aus Griechenland.
Bildquelle: Benaki Museum, Athen

In einer Buchreihe, der Edition Romiosini, will das CeMoG ins Deutsche übersetzte zeitgenössische griechische Literatur herausbringen. Auch Sachbücher und wissenschaftliche Werke über Griechenland gehören zum Programm. Jedes Jahr sollen sechs neue Bücher erscheinen.

Außerdem werden etwa 30 vergriffene Titel werden jährlich neu aufgelegt, die meisten davon aus dem auf griechische Literatur spezialisierten Kölner Romiosini Verlag, der sein Programm eingestellt hat. Die erste Neuübersetzung ist die Trilogie „Steuerlose Städte“ des Schriftstellers und Essayisten Stratis Tsirkas (1911–1980).

Der Roman gelte in Griechenland als moderner Klassiker, sagt Konstantinos Kosmas: „Er spielt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Jerusalem, Kairo und Alexandria. Dort treffen Opportunisten und Idealisten aufeinander, es entsteht ein Panoramader Geschichte und Kultur im Nahen Osten zu dieser Zeit.“ Zeitgleich erscheinen ein Sachbuch über die Geschichte der Griechischen Republik sowie ein Sammelband mit wissenschaftlichen Texten über die deutsche Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg.

Die Titel der Edition Romiosini werden zur Online-Lektüre angeboten und können auch als E-Book oder Book-on-Demand erworben werden.

Der deutsch-griechische Kulturtransfer ist für das CeMoG nicht nur praktisches Anliegen, sondern auch Forschungsthema: Gemeinsam mit zwei Doktoranden erstellt Kosmas eine umfangreiche Datenbank, die den Austausch vom 18. Jahrhundert bis heute belegt. Es entsteht eine digitale Enzyklopädie, in der Informationen über wichtige Akteure und Aktivitäten sowie Hinweise auf weiterführende Dokumente erfasst sind.

Wissenschaftlern, die über Aspekte des deutsch-griechischen Kulturtransfers forschen, bietet das CeMoG Stipendien an. Ihre Forschungsergebnisse werden in die Datenbank aufgenommen.

Dass das CeMoG seine Arbeit in einer schwierigen Zeit für die deutsch-griechischen Beziehungen aufnimmt, ist für Kosmas kein Grund zur Sorge – im Gegenteil: „Durch die Finanzkrise ist das Interesse an Griechenland zurzeit sehr wach. Das wollen wir als Chance nutzen, ein anderes Gesicht Griechenlands zu zeigen." Ein Gesicht, das schöner ist, als es die aktuellen Nachrichten vermitteln können.

Weitere Informationen

www.cemog.fu-berlin.de