Murmeln hilft gegen das „Suppenkoma“
10.04.2014
Wie junge Wissenschaftler lernen, ihre Lehre erfolgreich und kurzweilig zu gestalten
Es ist 14.15 Uhr, die Studierenden sitzen nach ihrer Mittagspause im Seminarraum oder Hörsaal – und gähnen. Wie bekommt die Dozentin oder der Dozent nun ihre Aufmerksamkeit und schafft es, diese für 90 Minuten zu halten?
„Sein Vorlesungsprogramm ohne Interaktion mit den Studierenden einfach abzuhandeln oder den Seminarstoff nur mit denjenigen durchzugehen, die sich auch sonst immer melden, ist nicht förderlich“, da sind sich Ann Kristin Barton und Leonhard Dobusch einig.
Und das Nachmittagstief der Studierenden ist nur eine der vielen herausfordernden Situationen für Lehrende wie die Veterinärmedizinerin und den Wirtschaftswissenschaftler.
Im Fortbildungsprojekt „SUPPORT – Qualitätspakt für die Lehre“ können junge Wissenschaftler seit 2013 Methoden und Konzepte für eine vielfältige und interessante Lehre erlernen und vertiefen. Barton und Dobusch sind zusammen mit dem Chemiker Sebastian Seiffert an der Freien Universität die ersten drei Absolventen dieser Weiterbildung. Sie erhalten ihr Zertifikat während einer Veranstaltung im Mai zum Thema forschungsorientierte Lehre; an diesem Termin wird auch der Lehrpreis der Freie Universität verliehen (siehe obenstehenden Artikel).
Gefördert wird das Angebot im Rahmen des „Qualitätspakts Lehre“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Neben der Fortbildung für Lehrende umfasst SUPPORT Projekte zur besseren Orientierung für Studierende sowie ein Programm zum Ausbau der digitalen Lehre.
„Ich strebe eine Habilitation an, und den Anfang meiner akademischen Laufbahn halte ich für einen sehr guten Zeitpunkt, um mich auch im Bereich Lehre weiter zu qualifizieren“, erklärt die 34-jährige Ann Kristin Barton zu ihrer Motivation, an der Lehrqualifizierung teilzunehmen.
Dies war auch für Leonhard Dobusch, 33, ein wichtiger Grund: „Unter Forschern wird die Lehre oft als Stiefkind betrachtet“, sagt er. „Ich sehe dieses Programm als Chance, über meine eigene Lehre zu reflektieren. Bessere Lehre macht allen Beteiligten mehr Spaß.“
Beide betonen, wie fruchtbar der Austausch mit Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen gewesen sei: „Der Einblick in Probleme und Methoden, von denen ich fachbedingt noch nie gehört hatte, war dank der fachübergreifenden Fortbildung enorm“, sagt Ann Kristin Barton.
Leonhard Dobusch sieht viele Gemeinsamkeiten: „Trotz aller Unterschiede – etwa im Umgang mit Texten und in Bezug auf die Größe der Seminargruppen – sind viele Situationen vergleichbar. Die wichtigste Frage für alle Dozenten ist: Wie motiviere ich Studierende zu engagiertem Lernen?“ Einige einfache Kniffe gebe es, die sich immer gut einsetzen lassen.
„Bei uns am Fachbereich Veterinärmedizin finden meist große Lehrveranstaltungen statt, Lernmethoden wie längerfristige Gruppenarbeit sind deshalb nicht sinnvoll“, sagt die auf Innere Medizin spezialisierte Veterinärin Ann Kristin Barton. Daher baue ich sogenannte Murmelpausen in Vorlesungen ein: Die Studierenden können zwei, drei Minuten lang eine Fragestellung mit ihren Sitznachbarn besprechen.
So können sie – gerade im ,Suppenkoma‘ nach der Mittagspause – in der 90minütigen Lehrveranstaltung kurz verschnaufen.“ Diese Idee nutzt auch der 34-jährige Chemiker Sebastian Seiffert in seinen Vorlesungen – auch, wenn das mehr Zeit kostet: „Was zählt, ist doch, was bei den Studierenden hängen bleibt.“
Der Management-Experte Leonhard Dobusch bittet seine Studierenden, ihm ihre Fragen zu Seminartexten zu schicken. Am Anfang einer Veranstaltung teilt er jeweils zwei oder drei Fragen an kleine Gruppen von Studierenden aus. Etwa fünf Minuten hat jede Gruppe Zeit, um Antworten auf die Fragen zu formulieren.
„So kommt jeder zu Wort, und alle Seminarteilnehmer sind von Anfang an im Thema.“ Jenseits dieser kleinen Tricks, die jeder Lehrende ohne großen Aufwand anwenden kann, haben die Dozenten auch komplexere Lehrkonzepte kennengelernt.
„Ich setze gern interaktive Methoden ein, indem ich zum Beispiel die Studierenden bitte, alle erarbeiteten Inhalte eines Seminars in einem Wiki zu erfassen, also in einer seminarbezogenen Webseite, auf die alle zugreifen können“, sagt Dobusch.
Ein Patentrezept gebe es jedoch nicht: „Die Methode muss zum Thema, zur Gruppengröße, teilweise sogar zur Geschlechterverteilung im Seminar und zu vielen anderen Kriterien passen. Gruppenarbeit nur um der Gruppenarbeit willen und ohne sinnvollen Bezug zum Inhalt bringt nichts.“
Das sieht Ann Kristin Barton genauso. Ihr gefällt vor allem, dass SUPPORT auf die Unterstützung einer neuen, zeitgemäßen Art der Lehre abzielt: „Die Lehrsituation hat sich völlig verändert. Früher war Wissen größtenteils durch uns Lehrende zu beziehen, heute erhalten Studierende mit einem Klick unüberblickbar viele Informationen. Wir vermitteln nun, welche Quellen zuverlässig sind, welches Wissen relevant ist und wie man dieses strukturiert.“