Stau der Invesititionen
08.08.2013
Die Hochschulverträge für die kommenden vier Jahre sind unter Dach und Fach. Das Ergebnis bleibt zwiespältig. Auf der einen Seite können wir zufrieden sein, dass es zu keinen nennenswerten Einbußen kommt,weil unserMehrbedarfweitgehend finanziert wird. Das heißt: Wir müssen bei ansteigenden Tarifen und Energiekosten keine Stellen streichen. Angesichts der schwierigen Haushaltssituation des Landes lässt sich das als Erfolg bewerten, der das gewachsene Renommee der Hochschulen dokumentiert. Dass Senatorin Sandra Scheeres in den schwierigen Verhandlungen mit den übrigen Ressorts unsere Interessen gut vertreten hat, erkennen wir ausdrücklich an.
Aber es gibt auch eine andere Seite. Rund zwölf Prozent der Zuschüsse, die an die Hochschulen fließen, stammen aus dem Hochschulpakt des Bundes. Er verpflichtet die Berliner Hochschulen zu kontinuierlicher Überlast bei der Aufnahme von Studierenden. Fahren wir den Anteil der Erstsemester herunter, verlieren wir direkt Geld. Zudem weiß niemand, was geschieht, wenn der Hochschulpakt nach 2017 nicht verlängert wird. Falls das Land nicht einspringt, gehen den Hochschulen rund 150 Millionen Euro jährlich verloren. Das entspricht dem Etat sämtlicher Berliner Fachhochschulen – die Bedrohung, die sich daraus für den Fortbestand desWissenschaftsstandorts Berlin ergibt, ist mit Händen zu greifen.
Ein anderes Problem trifft die Freie Universität mit besonderer Härte. Neben den konsumtiven Zuschüssen, die für Personal und Unterhaltung der Flächen benötigt werden, steigen die Investitionsmittel lediglich von 34 auf 36 Millionen Euro jährlich. Der Aufwuchs kommt allein den Fachhochschulen zugute, die auf diese Weise kleinere Bauvorhaben umsetzen können. Insgesamt reicht die Summe aber nicht, um die drängendsten Aufgaben in diesem Bereich zu verwirklichen.
Die Sanierung des großen Chemiegebäudes in der Takustraße hat die Freie Universität seit vielen Jahren angemeldet. Sie hat dabei ganz bewusst andere Bauvorhaben zurückgestellt und zahlreiche Sanierungsprojekte aus dem eigenen Zuschuss finanziert. Ob wir die Gesamtplanung in gebotener Kontinuität der Einzelabschnitte verwirklichen können, ist derzeit fraglich. Dabei wäre Planungssicherheit wichtiger denn je. Jahr für Jahr fließen erhebliche Summen in den provisorischen Erhalt eines Gebäudes, das dringend kernsaniertwerden muss.
Mit anderen Worten: Der Investitionsstau kostet uns Geld, das wir anderswo dringend benötigen. Die Chemie ist eines der leistungsstärksten Fächer unserer Universität, erfolgreich in der Ausbildung der Studierenden, verantwortlich für mehrere Sonderforschungsbereiche und internationale Verbünde. Man würde ihre Arbeitsfähigkeit zerstören, schöbe man die anstehende Sanierung weiter hinaus.
Das Land muss sich entscheiden: Sollen prestigeträchtige, aber nicht unbedingt notwendige Großprojekte wie der Bau einer neuen Bibliothek auch in Zeiten knapper Kassen weitergeführt oder aber leistungstragende Einrichtungen dieser Stadt auskömmlich erhalten werden? Die Lösung dürfte klar sein. Wer Hochschulen auf international herausragendem Niveau will und sich an glänzenden Drittmittelbilanzen erfreut, muss auch für die Infrastruktur sorgen, die das alles ermöglicht. Andernfalls versündigt sich die Politik an der nächsten Generation, weil sie die Zukunftsaufgabe Wissenschaft nicht ernst nimmt.
Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin