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Fehlstart mit Folgen

Welche Auswirkungen hat der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg auf das (Un-)Gerechtigkeitsempfinden der Anwohner? Offene Diskussionsrunde mit Bürgerrechtlern und Verantwortlichen – Vorträge und FUture-Slam.

10.06.2013

„Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen!“ – So oder so ähnlich lauten die Spötteleien über den Bau des Flughafens Berlin Brandenburg International (BER oder BBI), der im September 2006 begonnen hatte und dessen Inbetriebnahme noch immer nicht absehbar ist. Die Eröffnung des Airports war eigentlich für Juni vergangenen Jahres vorgesehen gewesen, wurde jedoch mehrfach verschoben, da immer mehr Mängel in Planung und technischer Umsetzung bekannt wurden. Während die Verantwortlichen mittlerweile auf die voreilige Bekanntgabe eines Termins verzichten, steigen die Kosten für den einst mit 1,7 Milliarden Euro veranschlagten Bau des Flughafens stetig an. Derzeit liegen die Schätzungen bei knapp fünf Milliarden Euro.

Die Häme, die das Projekt national und international hervorruft, ist für die Anwohner im Süden Berlins jedoch kein Trost. Für sie sind elementare Fragen mit dem Flughafenbau verbunden: Wird es ein Nachtflugverbot geben? Wird meine Familie genug Schlaf bekommen? Müssen wir vielleicht sogar umziehen? Die Proteste in den betroffenen Berliner Bezirken und brandenburgischen Gemeinden wie Blankenfelde, Mahlow und Woltersdorf, richten sich gegen das Flughafenprojekt insgesamt und vor allem gegen den vermeintlich mangelhaften Lärmschutz und die Intention, trotz des vielstimmigen Aufschreis kein Nachtflugverbot einzurichten. Viele Anwohner haben den Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen von den Verantwortlichen stärker gewichtet werden als ihr Wunsch nach Lebensqualität.

Hinzu kommt nach Ansicht des Soziologen Götz Kaufmann das Ungerechtigkeitsempfinden vieler Anwohner: „Insbesondere in der ehemaligen DDR ist dieses Gefühl stark ausgeprägt“, sagt der Wissenschaftler der Freien Universität. „Mit dem Flughafenbau im Süden von Berlin keimt der Gedanke erneut auf, dass wieder die gleichen Menschen benachteiligt würden wie vor 30 Jahren.“ Besonderes Gewicht erhalte dieses Empfinden durch die Tatsache, dass der Flughafen Tegel mit der Eröffnung des BBI geschlossen werden soll – laut Kaufmann eine Erleichterung für die Anwohner im Westen Berlins. „Daraus ergibt sich ein Ungleichgewicht, das aus soziologischer Sicht sehr interessant ist“, sagt er.

Götz Kaufmann forscht zum Thema „Umweltgerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung“, wobei „Umwelt“ als gesellschaftliches Phänomen verstanden wird. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität leitet der Soziologe eine Diskussionsrunde zu der Frage „Der BBI Flughafenbau – ein Umwelt(un)gerechtigkeitsproblem?“. Auf dem Podium sitzen Vertreter der Bürgerrechtsbewegungen und betroffene Anwohner sowie Erhard Buchberger, ehemaliger Manager der Flughafenholding. Die Teilnehmer werden über den Flughafenbau diskutieren, wobei im Mittelpunkt das Schicksal der Anwohner und deren Rechts- oder Unrechtsempfinden stehen sollen. Das Publikum ist dazu eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Zum Auftakt der Veranstaltung spricht die Geografie-Studentin Johanna Huth. Sie hält von 19.00 Uhr an einen etwa 45-minütigen Vortrag über die Forschungsergebnisse zur Fluglärmbetroffenheit der Anwohner seit Beginn der Planungen des Flughafenbaus. Damit leitet sie in die Debatte über, die bis 22.00 Uhr dauern wird. Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Raum L 115.

Im Anschluss an die Diskussion tritt Götz Kaufmann zusammen mit der Diplom-Geografin Johanna Seidel beim FUture Slam an, einer Veranstaltung des Instituts Futur der Freien Universität, die in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet. Dort präsentieren Seidel und Kaufmann die Frage nach der „Umwelt(un)gerechtigkeit“ des Flughafen-Projekts in nur zehn Minuten, denn beim FUture Slam kommt es darauf an, die Themen so knapp und verständlich wie möglich vorzutragen.

Wie die Teilnehmer ihr Thema veranschaulichen möchten, ist ihnen freigestellt: Möglich sind Wort- und Bildbeiträge oder Aufführungen. Wichtig ist der Eindruck, den der Vortrag auf das Publikum macht, denn das entscheidet hinterher, wer den Wettstreit gewonnen hat. Weitere Kurzvorträge an diesem Abend behandeln zukunftsrelevante Themen wie „Klassik 2.0 – Die digitale Konzerthalle“ oder „Von der Kladde zum Tablet – Forschung in Zeiten des Internets“. 21.30 bis 23.30 Uhr, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Hörsaal 1a.

Verena Blindow