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Kurz-fundiert: Europa in Stichpunkten

Von der Sagengestalt der Antike über das politische Gebilde zum Sehnsuchtsort der Gegenwart: Europa stand und steht für vieles. Meist für mehr als man denkt. Ein Kontinent und seine Menschen, seine Idee und seine Umsetzung

12.06.2015

Die „Gurkenkrümmungsverordnung“, die 1988 verabschiedet wurde, ist zwar schon seit 2009 nicht mehr in Kraft, dennoch gilt sie bis heute als Paradebeispiel für europäische Regulierungswut.

Die „Gurkenkrümmungsverordnung“, die 1988 verabschiedet wurde, ist zwar schon seit 2009 nicht mehr in Kraft, dennoch gilt sie bis heute als Paradebeispiel für europäische Regulierungswut.

Krumme Touren

Wenn sich die Kritiker von Europa im Allgemeinen und Brüssel im Speziellen argumentativ bewaffnen, dann greifen sie besonders gerne – zur Gurke. Genauer zur „Gurkenkrümmungsverordnung“, die 1988 verabschiedet wurde. Eigentlich trägt die berühmt-berüchtigte Regelung den Titel „Verordnung Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken“. Und sie ist schon seit 2009 nicht mehr in Kraft. Trotzdem wird sie bis heute als Paradebeispiel für europäische Regulierungswut ins Feld geführt.

Eigentlich ein Missverständnis, denn in der Verordnung ging es nicht darum, den Krümmungsgrad von Gurken europaweit zu vereinheitlichen. Stattdessen definiert die Verordnung drei verschiedene Qualitätsklassen. Länge, Durchmesser, Gewicht und ja: Auch die Krümmung wird für jede Klasse festgeschrieben. Die Verordnung kam jedoch nicht auf Initiative aus Brüssel zustande, sondern auf Anregung des europäischen Einzelhandels. Standardisierte Gurken lassen sich einfach besser verpacken, stapeln und transportieren. Und auch verkaufen. Trotzdem wurde der Gesetzestext, in dem 53 Mal das Wort „Gurke“ vorkommt, zur Lachnummer.

2009 wurde die Verordnung deswegen auch abgeschafft, zusammen mit anderen EU Handelsklasse-Normen für Obst und Gemüse. Dass der Einzelhandel dennoch bis heute daran festhält, kann jeder beim Einkauf im Supermarkt am Gemüseregal leicht feststellen. Für manchen Gemüsebauer ist Europa seit dem Wegfall der Gurkenverordnung kaum weniger bürokratisch. Der Schatten der Gurke ist nicht nur lang, sondern auch krumm.

Freude an der Ode

Seit 1971 hat Europa offiziell eine Hymne. Damals beschloss der Europarat das „Vorspiel zur ,Ode an die Freude‘, 4. Satz der IX. Sinfonie von Beethoven“ zur Europahymne zu küren. In Zukunft sollte sie bei allen offiziellen europäischen Veranstaltungen gespielt werden. Inoffiziell war dieses Stück da jedoch schon längst zur europaweiten Erkennungsmelodie geworden. Denn seit der Gründung des Europarates 1949 gab es immer wieder „europäische“ Anlässe, bei denen in Ermangelung einer gemeinsamen Hymne Beethovens Stück aufgeführt wurde – etwa zum 10. Jahrestag des Europarates.

Die Debatte um die offizielle Hymne dauerte da noch an. Unklar war etwa, ob ein bereits existierendes Werk oder eine Neukomposition am besten geeignet wären. Beethovens härtester Konkurrent damals war Händel. Der Schlusssatz der „Music for the Royal Fireworks“ in D-Dur sowie Teile der „Wassermusik“ hatten ebenfalls viele Fans in Europa. Doch die Neunte setzte sich durch.

Ob das Werk tatsächlich den „europäischen Genius“ musikalisch verkörpert, wie es in der Begründung zu der Entschließung hieß, sei dahingestellt. Denn das Stück ist nicht nur mit der Klassik, sondern auch dem dunkelsten Kapitel in der Geschichte Europas verbunden. Unter den Nationalsozialisten war die „Ode an die Freude“ bei offiziellen Anlässen beliebt. Sie war obligatorischer Bestandteil des Musikprogramms für Hitlers Geburtstagskonzerte und wurde 1936 zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin gespielt.

Internationale Beziehungen

Es ist das weltweit größte Förderprogramm für Auslandsaufenthalte an Universitäten: Erasmus. Seit seinem Start 1987 konnten über drei Millionen Studierende und weit über 300.000 Lehrende mit dem Programm Auslandserfahrung sammeln. Dass die Teilnehmer davon nachhaltig profitieren, war eine der Kernbotschaften von EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou. Sie stellte 2014 eine Studie vor, die zeigen sollte, wie sich ein Stipendium des EU-Austauschprogramms Erasmus auf die Karriere der Stipendiaten auswirkt.

Mehr als 75.000 Studenten und Absolventen aus 34 Ländern hatten an der Online-Umfrage teilgenommen. Die Bilanz: Erasmus- Absolventen fanden schneller einen Job, wurden seltener arbeitslos und gingen später eher ins Ausland. Auch privat veränderte das Stipendium vielfach das Leben der Teilnehmer. So gaben 27 Prozent an, ihren Lebenspartner im Rahmen des Programms kennengelernt zu haben. Mit diesen Zahlen als Grundlage berechnete die Kommission noch eine weitere Kennzahl des Erfolges – etwa eine Million Babys sind bisher vermutlich das Ergebnis einer Erasmus-Beziehung.

Studierenden der Freien Universität Berlin stehen übrigens an mehr als 300 Partnerhochschulen in etwa 30 europäischen Ländern Erasmus-Plätze für ein Auslandsstudium zur Verfügung. An dem seit 2014 „Erasmus+“ genannten Programm beteiligen sich ausnahmslos alle Fachbereiche.

Laut dem vom „Earth Institute“ der Columbia Universität veröffentlichten „World Happiness Report 2015“ sind die Schweizer die glücklichsten Menschen weltweit und damit auch innerhalb Europas.

Laut dem vom „Earth Institute“ der Columbia Universität veröffentlichten „World Happiness Report 2015“ sind die Schweizer die glücklichsten Menschen weltweit und damit auch innerhalb Europas.

Europameisterschaften

Noch heißt der amtierende Europameister Spanien. Aber nur in einer, wenn auch zugegebenermaßen nicht ganz unwichtigen Disziplin: dem Fußball der Herren. Bei den Damen wäre es? Richtig, Deutschland. Der Titel „Europameister“ wird in den Medien aber auch gerne dort verliehen, wo es gar keine Meisterschaften gibt. Wir stellen einige von ihnen vor:

...im Eintüten: 450. So viele Einweg-Plastiktüten verbraucht jeder Portugiese pro Jahr. Nur in Polen ist der Pro-Kopf-Verbrauch ähnlich hoch – und liegt damit weit über dem EU-Durchschnitt. Weil immer mehr Plastikmüll in Meeren zum unauflösbaren Umweltproblem wird, wollen die EU-Staaten jetzt den jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von derzeit etwa 200 Tüten in den nächsten vier Jahren auf 90 senken. Bis 2025 sollen es 45 Stück sein. Als Vorbild dient Irland, der Europameister im Tütensparen. Nach Angaben des Europaparlaments ging die Zahl der Einwegplastiktüten nach der Einführung von Gebühren dort um etwa 90 Prozent zurück. Nur noch 18 Tüten werden dort im Schnitt pro Kopf und Jahr verwendet.

... im Kulissenranking: Der Titel für Europas beliebtestes Handyfotomotiv geht nach Frankreich. Der Eiffelturm in Paris ist für Touristen aus aller Welt das beliebteste Kulissen-Motiv, um sogenannte „Selfies“ zu schießen. Also die Art von Selbstporträts, die entsteht, wenn man mit dem Mobiltelefon ein Foto von sich selbst macht. In der Disziplin ist Frankreich sogar Weltmeister – vor den USA (Disney World), Dubai (das Hotel Burj Khalifa) und England (Big Ben). Das Ranking hat ein britisches Reiseportal erstellt, und wertete dafür Fotos aus, die über den Bilderdienst Instagram veröffentlicht wurden. Allerdings berücksichtigte die Statistik nur solche Bilder, die mit dem Wort „Selfie“ markiert waren. Deutschland taucht in dieser Liste nicht auf. Vielleicht waren die über 11 Millionen Touristen, Berlin letztes Jahr besucht haben, am Brandenburger Tor einfach zu überwältigt, um auch noch Handy-Schnappschüsse mit den richtigen Schlagwörtern zu versehen.

... im Crowdfunding: Als Crowdfunding wird das Kapitalsammeln vieler Klein- und Kleinstbeiträge bezeichnet und es ist eine Grundidee des alternativen Finanzmarktes. Im Internet können etwa Start-ups über Crowdfunding-Plattformen Geld sammeln, um ihre Produkte vorzufinanzieren, oder Ideen umzusetzen. Laut einer Studie der Universität Cambridge und des Wirtschaftsprüfers Ernst & Young ist der Europameister in dieser Kategorie das Vereinigte Königreich. 2014 waren es etwa 2,3 Milliarden Euro, die Briten auf diesem Weg in innovative Geschäftsideen investierten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Großbritannien und Frankreich begünstigen den Boom des Crowdfunding – Frankreich liegt laut der Studie auf Platz zwei. Übrigens gefolgt von Deutschland, das mit 140 Millionen Euro den dritten Platz belegt.

... im Glücklichsein: Bis vor kurzem hieß es noch: Da ist nichts faul im Staate Dänemark. Sonst wären seine rund 5,7 Millionen Einwohner vermutlich nicht so glücklich. Laut dem vom Earth Institute der Columbia Universität veröffentlichten „World Happiness Report 2015“ heißt es jetzt aber „Hopp Schwyz“, denn die Schweizer haben die Dänen von Platz eins verdrängt, die nun Dritte sind – die Isländer sind auf den zweiten Platz vorgerückt. Auch andere europäische Länder landeten auf Top-Plätzen, etwa Norwegen, Schweden und Finnland, die Niederlande und Österreich. Von einem Titel in dieser Kategorie war Deutschland übrigens weit entfernt: Mehr als Platz 26 ist nicht drin.