Vorwort
11.06.2015
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
so viel Europa war noch nie, könnte man meinen. 28 Mitgliedstaaten zählt die Europäische Union, und rund 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Damit hat die Europäische Gemeinschaft eine Größe erreicht, die Europas Gründungsvätern vor siebzig Jahren als kühne Utopie erschienen wäre. Doch die Gefühle der Europäer, sie sind alles andere als Euro-euphorisch. Im Gegenteil. Das Vertrauen in das europäische Projekt ist in vielen Ländern der Union erschüttert. Anstatt der Vorteile einer gemeinsamen Politik dominieren Europas Krisen die Nachrichten. Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, sieht in seinem Vorwort zu dieser Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Europa am Scheideweg. Und findet doch ermutigende Worte. Wenn es den Politikern und den Menschen in Europa gemeinsam gelingt, die europäische Idee wieder mit Leben füllen, ist Erfolgsgeschichte der Union noch nicht zu Ende. Auf den folgenden Seiten dreht sich ebenfalls alles um Europa, und seine politischen, geschichtlichen und philosophischen Dimensionen, mit denen sich Wissenschaftler der Freien Universität in ihrer Arbeit beschäftigen. Nicht immer stehen dabei Europas aktuelle Probleme im Vordergrund. Ernst Baltrusch etwa, Professor für Alte Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität, forscht zur Geschichte der Römischen Kaiserzeit – und damit dicht an den Wurzeln Europas. Und er weiß auch, wie wenig der Mythos Europas tatsächlich mit der Antike zu tun hat.
Unser Autor Philipp Eins hat sich mit Wissenschaftlern für Politische Theorie und Philosophie unterhalten. Die untersuchen, welche ethischen Fragen der Flüchtlingsstrom nach Europa aufwirft – und wie sie von einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik zu beantworten wären.
Wie gut Europa seine Wachstumsschübe verarbeitet hat, dieser Frage geht Tanja Börzel nach. Die Politikwissenschaftlerin leitet das Jean Monnet Center, das zur europäischen Integration forscht.
Fast tagesaktuell ist dagegen das Thema, mit dem sich die Politikwissenschaftlerin Susanne Lütz auseinandersetzt. Die Professorin für Internationale Politische Ökonomie untersucht, mit welchen Strategien Geber- und Nehmerländer in Europa bei der Kreditvergabe pokern.
Wie sich Europa heute und in Zukunft über seine Probleme verständigt, untersuchen Sprachwissenschaftler der Freien Universität. Unsere Autorin Verena Blindow sprach dazu mit Prof. Judith Meinschaefer, Prof. Horst Simon und Prof. Matthias Hüning – und sie fand heraus, welche Rolle Fremdsprachenunterricht und Austauschprogramme für den Fortbestand der europäischen Gemeinschaft spielen.
Um Stolz und Vorurteil geht es auf dem „Campus Europa“. Erasmus-Studierende aus sechs Ländern erzählen über ihre Erfahrungen als Europäer in Berlin. Und mit welcher Selbstverständlichkeit sie einen europäischen Alltag leben, der viele Klischees längst überlebt hat.
Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,
Ihre fundiert-Redaktion