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„Neugier – und die Dinge nicht so nehmen, wie sie sind“

Der Chemiker Peter Seeberger ist erfolgreich in der Wirkstoffforschung

28.08.2012

Gefährliche Stofftiere: Peter Seeberger zeigt die Erreger von Lungenentzündung (orange li.), Krankenhausinfektion (vorne li.), Milzbrand (weiß hi.), Magenschleimhautentzündung (braun vorne), Toxoplasmose (vorne re.), Durchfall (lila hi.)

Gefährliche Stofftiere: Peter Seeberger zeigt die Erreger von Lungenentzündung (orange li.), Krankenhausinfektion (vorne li.), Milzbrand (weiß hi.), Magenschleimhautentzündung (braun vorne), Toxoplasmose (vorne re.), Durchfall (lila hi.)
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Er ist Chemiker, hat mehrere Firmen und engagiert sich in der Bekämpfung weltweiter Seuchen. Chemie, Wirtschaft oder Medizin – was interessiert Peter Seeberger am meisten? „Alles“, sagt er, denn der Chemie-Professor an der Freien Universität und Leiter der Abteilung „Biomolekulare Systeme“ am Max-Planck-Institut (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung verbindet die drei Bereiche miteinander.

Seeberger ist es in den vergangenen Jahren gelungen, eine Methode zu entwickeln, um Artemisinin, den derzeit effektivsten Wirkstoff gegen die Malaria-Erkrankung, kostengünstig und in großen Mengen herzustellen. Außerdem ist er dabei, ein langfristiges Ziel zu verwirklichen: Die Entwicklung eines Malaria-Impfstoffes, mit dem verhindert werden könnte, dass die Menschen überhaupt an Malaria erkranken.

Die Artemisinin-Herstellung ist nicht das einzige Medizin-Projekt Seebergers. Der Chemiker arbeitet eng mit der Charité-Universitätsmedizin zusammen, der gemeinsamen medizinischen Fakultät von Freier Universität und Humboldt-Universität: Allein sechs Forschungsvorhaben betreut er dort, die zu Ausgründungen führen könnten. Seeberger arbeitet gern selbstbestimmt, seine Forschung treibt er ehrgeizig und unermüdlich voran.

Nach sechs Jahren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich führte ihn 2009 sein Weg nach Berlin. Das Angebot, gleichzeitig an der Freien Universität Berlin und dem Max-Planck-Institut arbeiten zu können, überzeugte ihn. Die Freie Universität hält der Wissenschaftler für „besser als die meisten amerikanischen Universitäten". Ihre bottom-up-Struktur genießt er, hier und am MPI habe er viel Freiraum zum Forschen: „Neugier und die Dinge nicht so zu nehmen, wie sie sind“, das bedeutet Erfindergeist für den Wissenschaftler.

Impfstoffe kostengünstig herstellen und damit den Ärmsten auf der Welt helfen zu können, treibt Seeberger an, seit er sich Ende der Neunzigerjahre mit chemischer Grundlagenforschung beschäftigt hat. Mittels automatisierter Synthesemethoden gelang es ihm schon damals, einen neuartigen synthetischen Impfstoffkandidaten herzustellen. „Im Tier war der Malaria-Impfstoff zu hundert Prozent effizient“, sagt Seeberger. Doch dann stockte die Arbeit: Große Firmen, mit denen er in Zusammenarbeit geforscht hatte,  wollten die Daten nicht veröffentlichen. Seeberger sieht das realistisch: „Forschungen, die vor allem armen Menschen und Ländern zugute kommen, dauern leider immer etwas länger.“

Doch Seeberger lässt sich nicht entmutigen und treibt seine Forschungen weiter voran. Ende vergangenen Jahres kann er Erfolg bei der Herstellung des Wirkstoffs Artemisinin vermelden: Mit seinem Team ist es ihm gelungen, einen Reaktor zu konstruieren, der mit wenig Materialaufwand und daher kostengünstig zu bauen ist. Darin kann durch einen fotochemischen Prozess das Molekül Artemisinin synthetisiert werden, das bisher aus einer Pflanze - dem Einjährigen Beifuß - gewonnen wird. Seeberger nutzt als Rohstoff für seine Synthese eine Säure, die bei der traditionellen Artemisin-Gewinnung als Abfall übrig bleibt.

Pro Reaktor könne jeweils eine Tonne des Artemisinin-Wirkstoffes hergestellt werden – das entspricht einem Prozent des Weltbedarfs: „Wir gehen davon aus, dass 800 unserer einfachen Fotoreaktoren ausreichen, um damit den weltweiten Bedarf an Artemisinin zu decken“, sagt Peter Seeberger. So könnte der Preis enorm gedrückt werden, „denn bislang können sich viele der weltweit mehr als 500 Millionen Malaria-Erkrankten den Wirkstoff nicht leisten.“ Und Seeberger setzt noch einen Schritt vor der Impfung an: Gemeinsam mit einem Äthiopier gründete er die Hope for Africa Foundation. Das erste Projekt der Stiftung ist eine Fabrik, in der Äthiopier Moskito-Bettnetze herstellen. Denn: „Wer nicht gestochen wird, wird auch nicht krank.“

Weitere Informationen

Prof. Dr. Peter H. Seeberger, Freie Universität Berlin, Fachbereich Biologie, Chemie und Pharmazie / Institut für Chemie und Biochemie, Tel.: 0331 / 567-9301; E-Mail: boehme@mpikg.mpg.de