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Die Früchte der Forschung

Wissenschaftler der Freien Universität entdecken ertragssteigernde Gene

29.09.2011

Weniger ist mehr: Das gezielte Ausschalten von Genen, die das Hormon Cytokinin abbauen, führt zur Bildung von mehr Blüten (rechts) und damit zu einem starken Anstieg des Samenertrags in Arabidopsis thaliana-Pflanzen.

Weniger ist mehr: Das gezielte Ausschalten von Genen, die das Hormon Cytokinin abbauen, führt zur Bildung von mehr Blüten (rechts) und damit zu einem starken Anstieg des Samenertrags in Arabidopsis thaliana-Pflanzen.
Bildquelle: DCPS

„Weniger ist manchmal mehr“. Mit diesem Motto ließe sich ein Ergebnis von Pflanzenforschern des Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität Berlin beschreiben, das der Pflanzenzüchtung neue Wege weisen könnte: Die Forschungsgruppe um Professor Thomas Schmülling und Juniorprofessor Tomàš Werner konnte zeigen, dass das gezielte Ausschalten von Genen, die das Hormon Cytokinin abbauen, zu einem starken Anstieg des Samenertrags führt.

Den Ertrag von Nutzpflanzen zu steigern, ist seit jeher ein zentrales Anliegen der Pflanzenzüchter. Auch heute steht es ganz oben auf der Agenda der globalen Landwirtschaft. Pflanzen dienen nicht nur als Nahrungs- und Futtermittel, immer größer wird ihre Bedeutung auch als nachwachsende Rohstoffe für die Energiegewinnung und die Industrie. Aufgrund der rasant ansteigenden Weltbevölkerung ist ein stetig zunehmender Bedarf an pflanzlichen Produkten absehbar.

Allerdings lässt sich der Ertrag von Pflanzen nicht durch die Veränderung eines einzelnen Gens steigern. Der Ertrag ist eine komplexe Eigenschaft, die von zahlreichen Genen beeinflusst wird. Dabei trägt jedes Gen nur einen kleinen Anteil zum Gesamtertrag bei. Daher ist es schwierig, durch die Änderung eines oder weniger Gene große Steigerungen zu erzielen. Pflanzenzüchter müssen sehr viele Pflanzen mit unterschiedlichen Genkombinationen herstellen und untersuchen, um die richtige Kombination von Genen zu ermitteln. Durchschnittlich liegt die Ertragssteigerung, die so üblicherweise erzielt wird, bei einem bis zwei Prozent pro Jahr.

Umso erstaunlicher ist das Ergebnis der Forscher aus der Angewandten Genetik der Freien Universität, das in der renommierten Fachzeitschrift Plant Cell veröffentlicht wurde: Durch das gezielte Ausschalten zweier Gene in der von Genetikern gerne genutzten Modellpflanze Arabidopsis thaliana, der Ackerschmalwand, brachte diese im Vergleich zu unbehandelten Pflanzen 55 Prozent mehr Samen hervor.

Beide Gene sind für den Abbau des Wachstumshormons Cytokinin verantwortlich. Schaltet man sie aus, ist Cytokinin in größerer Menge und länger als gewöhnlich in der Pflanze aktiv. Die Wissenschaftlerin Isabel Bartrina und die Doktorandin Elisabeth Otto stellten bei ihren Untersuchungen fest, dass sich in der Folge die Zellen in den Wachstumszentren des Sprosses öfter teilen und diese deshalb mehr Blüten- und Samenanlagen bilden. Auch deren Wachstum wird durch Cytokinin gefördert, sodass letztendlich daraus mehr Samen entstehen.

Die weiteren Forschungsarbeiten von Thomas Schmülling an diesem Thema werden zukünftig im Rahmen des nationalen Schwerpunkts Pflanzenbiotechnologie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Dabei soll untersucht werden, inwieweit die an der Modellpflanze Arabidopsis erzielten Ergebnisse auch auf andere Pflanzen übertragbar sind. Die Ölpflanze Raps ist dabei erste Wahl. „Raps ist mit unserer Modellpflanze recht nahe verwandt, die Bildung und der Aufbau der Blüten sind ähnlich. Daher denken wir, dass gute Chancen bestehen, dass das Projekt erfolgreich sein wird“, sagt Schmülling. Beteiligt sind auch ein Biotech-Unternehmen und ein Pflanzenzüchter. Hoffnung, dass die Ergebnisse auch für andere Nutzpflanzen wichtig sein könnten, geben die Ergebnisse einer japanischen Arbeitsgruppe, die schon vor einigen Jahren ebenfalls ein Cytokinin-abbauendes Gen als einen der Hauptverantwortlichen für die Ertragsregulation in Reis identifiziert hatte.

Ist das Wachstumshormon Cytokinin also die entscheidende Stellschraube, nach der die Züchter schon seit langem suchen? Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass die aus jahrelanger Selektion hervorgegangenen Nutzpflanzen die wichtigen Mutationen bereits in sich tragen. Das bedeutet, dass die Natur schon am Rädchen gedreht hätte und die Züchter das ausnutzten, ohne die molekularen Details zu kennen – Gentechnik alter Schule sozusagen. Das allerdings werden erst weitere Versuche zeigen – wiederum nach einem Motto: „Erst der Versuch macht klug.“

Weitere Informationen

  • Prof. Dr. Thomas Schmülling, Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-55808, E-Mail: tschmue@zedat.fu-berlin.de
  • Prof. Dr. Tomáš Werner, Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-56796, E-Mail: tower@zedat.fu-berlin.de