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US-Wahl am 3. November 2020

Welche Faktoren werden die 59. Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten entscheiden? Die Coronavirus-Pandemie und der Umgang der US-Regierung damit? Die Wirtschaftslage und die tiefe Gespaltenheit des Landes? Lesen Sie hier, was  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft und vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien wenige Tage vor der Wahl sagen. Medienvertreterinnen und -vertreter können sich bei Interesse direkt an die Expertinnen und Experten wenden.

Expertinnen und Experten

Prof. Dr. Tanja Börzel, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Sprecherin des Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script“ (Schwerpunkte: Europa, Beziehung Europa-USA, Regionalismus Nordamerika)

„Für den Ausgang der Wahl ist nicht nur entscheidend, wer die Präsidentschaft gewinnt, sondern welche Partei den Senat kontrolliert. Es ist möglich, dass der gesamte Kongress nach der Wahl demokratisch wird, das heißt, dass die Demokraten, die das Repräsentantenhaus bereits dominieren, auch die Mehrheit im Senat erringen werden.

Das wäre vor allem für uns Europäer wichtig, weil unter der Fortsetzung der Präsidentschaft von Trump ein weiterer Rückzug der USA aus der liberalen Weltordnung zu erwarten ist, dem nur der Kongress etwas entgegenzusetzen hätte.“

Prof. Dr. Jessica C. E. Gienow-Hecht, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Geschichte (Schwerpunkte: Geschichte der USA: Kultur, Geschichte, Politik, Diplomatie)

„Dies sind historische Wahlen! Sie zeigen zwar Phänomene, die wir aus der US-Geschichte kennen, aber in einer völlig neuen Kombination. Schlammschlachtartige Wahlkampagnen sind eigentlich typisch für das 19. Jahrhundert, ebenso wie populistische, unprofessionelle Politiker und eine zutiefst polarisierte, polemisierende Presse. Die verdeckte Machtausdehnung der Exekutive ist wiederum kennzeichnend für das 20. Jahrhundert.

Narzistisch veranlagte Entscheidungsträger in beiden grossen Parteien hat es immer wieder gegeben. Selbst das Aufeinandertreffen von Pandemie und Präsidentschaftswahl ist nicht neu.

Neu ist die Kombination dieser archaischen, populistischen und gleichzeitig modernen Phänomene in einem Wahlkampf, für den es kaum einen Präzedenzfall gibt. Wenn überhaupt, dann 1860 – die Wahlen unmittelbar vor dem amerikanischen Bürgerkrieg.

Ganz gleich, was am 3. November passiert, alles wird davon abhängen, wie sich die liberalen Institutionen hinterher verhalten – vor allen Dingen der Oberste Gerichtshof.“

Prof. Dr. Sebastian Jobs, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Geschichte (Schwerpunkte: Afroamerikanische Geschichte, Geschlechtergeschichte, Rassismus)

„Der Wahlerfolg einer Partei hängt in den USA nicht nur von der Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern ab, sondern auch davon, ob und wie Menschen ihr Wahlrecht ausüben können. Denn es gibt in den USA eine systematische Benachteiligung von ärmeren Schichten und rassistische Strukturen, die vor allem nicht-weißen Wählerinnen und Wählern das Abstimmen erschweren.

Es kommt also nicht nur darauf an, ob Joe Biden schwarze Wählerinnen und Wähler, Latino Americans oder auch Asian Americans für sich begeistern kann, sondern wie diese Zugang zu den Wahlurnen haben und auch, ob ihre Stimmen gezählt werden.“

Prof. Dr. Markus Kienscherf, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Soziologie (Schwerpunkte: Politische Gewalt, Polizei in den USA, Race and Class, soziale Konflikte)

„Die amerikanische Gesellschaft droht an zwei zentralen Widersprüchen zu zerbrechen: Die soziale Ungleichheit nahm schon vor der Corona-Pandemie zu und wurde durch diese noch verschärft. Struktureller Rassismus äußert sich nicht nur in rassistischer Polizeigewalt, sondern trägt auch zur wachsenden Schere zwischen Arm und Reich bei. Die Regierung Trump ist Symptom dieser Widersprüche und hat sie geschürt.

Man muss das Phänomen Trump als letztes Aufbäumen der „white supremacy“ – der Vorherrschaft weißer Amerikanerinnen und Amerikaner – vor dem Hintergrund tiefgreifender kultureller und vor allem demographischer Veränderungen verstehen: Von 2040 an werden nicht-weiße Menschen wahrscheinlich die Mehrheit der Bevölkerung stellen.

Entscheidend für die Wahl am 3. November sind also folgende Fragen: Wie vielen weißen Wählerinnen und Wählern ist „white supremacy“ wichtiger, als es demokratische Institutionen sind? Und damit verbunden: Wie hoch wird die Wahlbeteiligung von Personen afro-amerikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft ausfallen?“

Prof. Dr. Christian Lammert, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Politik (Schwerpunkte: US-Innen, -Sozial- und Gesundheitspolitik, Parteien und Wahlen in den USA)

„Die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen sind eine wichtige politische Richtungsentscheidung und ein Signal für die Vitalität und Funktionsfähigkeit der Demokratie in den USA.

Der Ausgang der Wahl wird entscheidend dazu beitragen, wie die USA in Zukunft mit der tiefen ideologischen Spaltung der Gesellschaft, der extremen Wohlstandsungleichheit und dem fehlenden Vertrauten der Bürger in die politischen Institutionen umgehen werden.“

Prof. Dr. Max Steinhardt, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Wirtschaft (Schwerpunkte: US-Wirtschaftspolitik, Politische Ökonomik, Arbeitsmarktökonomie)

„Wie auch in der Vergangenheit wird die wirtschaftliche Situation in den USA einen wichtigen Einfluss auf den Wahlausgang haben.

Allerdings ist die COVID-19 bedingte Rezession in vielerlei Hinsicht beispiellos und somit nicht mit früheren Krisen vergleichbar. Das Aus des Konjunkturpaktes vor wenigen Wochen hat die Unsicherheit weiter verstärkt und Trumps Wiederwahlchancen nicht erhöht.“

Prof. Dr. Lora Anne Viola, John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abt. Politik (Schwerpunkte: US-Außen- und Sicherheitspolitik, Transnationale Beziehungen)

„Eine Wiederwahl würde es Trump ermöglichen, seine Politik gegen noch weniger Widerstände und Hindernisse durchzusetzen. Ein Sieg Bidens würde erst einmal ein Aufatmen für viele europäische Länder und US-Partner bedeuten.

Andererseits gibt es in der Demokratischen Partei in der Außenpolitik eine interne Spaltung, und Bidens Außenpolitik würde davon abhängen, welche Fraktion intern dominiert: die Restaurateure, die die globale Führungsrolle der USA wiederherstellen wollen im Sinne von traditionellem liberalem Internationalismus, oder die Reformer, die die globale Rolle der USA reformieren wollen.

Während Bidens Wahlkampf sind die Reformer, die eine progressive Außenpolitik verfolgen, stärker geworden und würden wahrscheinlich neue Richtungen in der US-Außenpolitik anstoßen.“

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