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„Solche Eindrücke lassen sich durch keine Lektüre ersetzen“

Vier Wissenschaftler*innen der Berlin University Alliance und aus Ländern des Globalen Südens berichten, wie die BCGE Flexible Travel Funds Forschungsreisen in beide Richtungen ermöglichen

28.10.2025

Flug, Unterkunft, Verpflegung: Das Berlin Center for Global Engagement fördert ein- bis vierwöchige Gastaufenthalte zwischen Forschenden der Berlin University Alliance und ihren Partner*innen im Globalen Süden

Flug, Unterkunft, Verpflegung: Das Berlin Center for Global Engagement fördert ein- bis vierwöchige Gastaufenthalte zwischen Forschenden der Berlin University Alliance und ihren Partner*innen im Globalen Süden
Bildquelle: BCGE/Mitti Mendonça

Forschung lebt vom Austausch – und die besten Ideen entstehen, wenn Menschen und neue Perspektiven aufeinandertreffen. Die BCGE Flexible Travel Funds ermöglichen Wissenschaftler*innen aus Berlin ganz unbürokratisch kurze Forschungsaufenthalte im Globalen Süden und umgekehrt Kolleg*innen aus dem Globalen Süden Forschungsreisen nach Berlin. Die Forschenden können so Projekte vorantreiben, Kooperationen vertiefen und neue Ansätze entwickeln. Vier Teilnehmer*innen berichten, wie die Forschungsreisen ihre Arbeit vorangebracht haben.


Dr. Abida Bano lehrt seit 2009 Politikwissenschaft an der Universität Peshawar in Pakistan: „Der Aufenthalt war ein Sprungbrett für neue Forschungskooperationen“

Abida Bano unterwegs in der Seilbahn über den Gärten der Welt

Abida Bano unterwegs in der Seilbahn über den Gärten der Welt
Bildquelle: Samiullah

Seit 2009 unterrichte ich an der Universität Peshawar in verschiedenen Fachbereichen, darunter Gender Studies, am Institut für Friedens- und Konfliktforschung und derzeit am Institut für Politikwissenschaft. Dank der BCGE Flexible Travel Funds konnte ich von Juli bis August 2025 an der Humboldt-Universität zu Berlin arbeiten, wo ich am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften (IAAW) von Dr. Sarah Holz betreut wurde. Sarah Holz und ich haben an mehreren Projekten gearbeitet und gemeinsame Lehrveranstaltungen gehalten. 

Dieser Aufenthalt war von zentraler Bedeutung für unsere Zusammenarbeit an einem Sammelband über paschtunische Millennials. Außerdem haben wir gemeinsam ein Kapitel über Forschungsmethoden für ein Buch im Rahmen des BCGE-Signature-Projekts co2libri verfasst. Das Projekt macht Wissen, Theorien und Forschungspraktiken aus dem Globalen Süden in Berlins Forschungslandschaft sichtbar. Darüber hinaus war ein wesentlicher Aspekt des Aufenthalts das Networking und die Erschließung weiterer Möglichkeiten für gemeinsame Forschungsprojekte von beiderseitigem Interesse. Ich habe mich zum Beispiel mit Dr. Andrea Fleschenberg und Professor Kai Kresse getroffen, um die Möglichkeit eines Forschungsstipendiums zur Fertigstellung meiner Arbeit über „Soziale Jugendbewegungen in den Randgebieten Pakistans” zu besprechen. 

Neben der Bereicherung meiner akademischen und wissenschaftlichen Arbeit bot mir der Aufenthalt in der Metropole Berlin die Möglichkeit, die Gesellschaft aus erster Hand zu beobachten und mit ihr zu interagieren. Das offene Umfeld Berlins fördert das persönliche Wachstum und die Entwicklung. Mit seiner Vielfalt an Essen, Kleidung und Sprachen ist Berlin besonders einladend für internationale Menschen, die nur über begrenzte oder gar keine Deutschkenntnisse verfügen. Ich konnte so leicht Kontakte knüpfen und die Stadt kennenlernen. Beeindruckt hat mich ein Flohmarkt, auf dem ich Kunsthandwerk aus Pakistan, afrikanische und asiatische Lebensmittel und sogar internationale Musik gesehen habe. Einer meiner unvergesslichen Ausflüge war eine Fahrt mit der Seilbahn in den Gärten der Welt, von wo aus ich ganz Berlin überblicken konnte. Berlin habe ich als gut organisierte Stadt empfunden mit einem effizienten und bequemen öffentlichen Nahverkehr, der internationalen Besuchern viel Ärger erspart.


Dr. Md Kashif Shamim, Postdoktorand in der Physik: „Berlin hat meinen Horizont erweitert – wissenschaftlich und persönlich“

Kashif Shamim in seinem Zimmer in Lankwitz

Kashif Shamim in seinem Zimmer in Lankwitz
Bildquelle: Kashif Shamim

Nach meiner Promotion am A. N. College an der Magadh University in Patna in Indien konnte ich dank einer Förderung durch die BCGE Flexible Travel Funds im Sommer 2025 einen Monat an der Freien Universität Berlin verbringen. Dort habe ich in einem Forschungsprojekt gearbeitet, das sich mit dem optischen Verhalten ferroelektrischer Dünnfilme beschäftigt. Das sind ultradünne Materialien mit einer eingebauten elektrischen Polarität, die durch ein externes elektrisches Feld umgeschaltet werden können. Sie werden für nichtflüchtige Speicher, hochempfindliche Sensoren, Energiegewinnungsgeräte sowie für die nächste Generation von Elektronik mit geringem Stromverbrauch und neuromorphen Computern verwendet.

Mit 26 Publikationen in internationalen Fachzeitschriften hatte ich bereits Erfahrung in dem Fachgebiet, doch der Aufenthalt an der Freien Universität hat meine Forschung stark bereichert. Ich habe modernste Methoden in einer erstklassigen Forschungsumgebung kennengelernt und Kontakte geknüpft, die den Grundstein für künftige Kooperationen legen werden.

Berlin war für mich nicht nur ein wissenschaftlicher Meilenstein, sondern auch eine kulturelle Bereicherung. Von der inspirierenden Zusammenarbeit in den Laboren bis hin zu den historischen Orten in der Stadt, die ich erkundet habe, hatte ich zahlreiche inspirierende Momente. Ich war an den Orten, an denen Albert Einstein und Max Planck geforscht haben, das hat meine intellektuelle Neugier geweckt und meinen Wunsch bestärkt, einen Beitrag zur Wissenschaft zu leisten. Bei meinem Spaziergang entlang der East Side Gallery spürte ich in jedem Wandbild den Puls der Freiheit. Die Offenheit der Menschen und das reiche kulturelle Erbe der Stadt haben einen tiefen Eindruck hinterlassen. Dieser Aufenthalt war mehr als ein Forschungsbesuch – er war eine Reise, die meinen Horizont erweitert hat.


Victoria Peterson forscht und lehrt im Bereich Computational Neuroscience: „Es war eine einzigartige Erfahrung.“

Victoria Peterson auf dem Campus Charité Mitte

Victoria Peterson auf dem Campus Charité Mitte

Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin am Instituto de Matemática Aplicada del Litoral, IMAL, UNL-CONICET, Santa Fe, Argentinien, und außerordentliche Professorin an der Fakultät für Chemieingenieurwesen der Universidad Nacional del Litoral in Santa Fe.

Dank der BCGE Flexible Travel Funds konnte ich vier Wochen lang das Interventional Cognitive Neuromodulation Lab unter der Leitung von Prof. Dr. med. Wolf-Julian Neumann an der Charité – Universitätsmedizin Berlin besuchen. 

Von 2020 bis 2022 habe ich als Postdoktorand der Harvard University an einem deutsch-amerikanischen Forschungsprojekt im Bereich der computergestützten Neurowissenschaften teilgenommen, das von Prof. Neumann von der Charité und Prof. Richardson vom Massachusetts General Hospital in Boston, USA, geleitet wurde. In diesen Jahren habe ich eng mit Prof. Neumann und seinem Team zusammengearbeitet, woraus mehrere Veröffentlichungen als Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit hervorgingen. Im Jahr 2022 bin ich nach Argentinien zurückgegangen, um meine Professur anzutreten. 

Der aktuelle Forschungsaufenthalt hat es mir ermöglicht, wieder mit Prof. Neumann in Kontakt zu treten, mit ihm zusammenzuarbeiten und mehr Erfahrung in Forschungsbereichen zu sammeln, die in meinem Land nicht verfügbar sind. Dank dieses Besuchs konnten wir erstmals zuvor erhobene Datensätze analysieren und eine bereits erfolgreiche Zusammenarbeit im Hinblick auf fruchtbare Forschungsarbeiten weiter ausbauen. Es war eine außergewöhnliche Gelegenheit, hochkarätige Forschung zu betreiben und die Partnerschaft mit erfahrenen europäischen Forschern zu pflegen. 

Ich arbeite an der Entwicklung von Lösungen für maschinelles Lernen, um Gehirn-Decodierungssysteme für gesundheitsbezogene Neurotechnologien zu verbessern. In meiner Forschung habe ich mich auf den Bereich der Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) konzentriert, also Technologien, die Gehirnaktivitäten in künstliche Befehle umwandeln, um externe Geräte zu steuern. Ich habe vor mehr als 12 Jahren, in meinen letzten Studienjahren, begonnen, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Von Anfang an und bis heute stütze ich mich bei meiner Literaturrecherche stark auf die Arbeiten mehrerer Forscher aus Berlin. Während meines Aufenthalts hatte ich das Privileg, die meisten von ihnen persönlich kennenzulernen, Vorträge zu halten und meine Arbeit in ihren Forschungslabors vorzustellen. Das war eine einzigartige Erfahrung, die für eine leidenschaftliche Forscherin, die so viel von diesen international anerkannten Wissenschaftlern gelernt hat, von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus werde ich mich immer an meine Zeit im Labor von Prof. Neumann erinnern, dessen Mitglieder mir das Gefühl gaben, zu Hause zu sein. Ein großes Dankeschön an alle, die meinen Forschungsaufenthalt zu einem unvergesslichen Moment in meinem beruflichen, aber auch privaten Leben gemacht haben! 


Sebastian Fiedler, Postdoktorand im Fachgebiet Pflanzenökologie an der Technischen Universität Berlin: „Die Feldforschung hat mir gezeigt, wie tief Menschen und Ökosysteme miteinander verbunden sind.“

Sebastian Fiedler (Mitte) auf Feldforschung in Marokko

Sebastian Fiedler (Mitte) auf Feldforschung in Marokko
Bildquelle: privat

Meine Forschung konzentriert sich auf die Wiederherstellung degradierter Trockenlandökosysteme, damit diese langfristig ihre wichtigen Funktionen und Leistungen wie den Schutz vor Bodenerosion und die Bereitstellung von Holzressourcen für lokale Gemeinschaften weiterhin erfüllen können. Bisher habe ich vor allem Computermodelle genutzt – künftig möchte ich noch stärker die Perspektiven lokaler Akteure einbeziehen und untersuchen, wie Wälder resilienter gegen die zunehmenden Brände werden können, die mit dem Klimawandel einhergehen.

Dank des BCGE Flexible Travel Fund konnte ich nach Tétouan im Norden Marokkos reisen, um dort mit Dr. Mchich Derak von der regionalen Forstdirektion zusammenzuarbeiten. Gemeinsam haben wir den Naturpark Bouhachem besucht und Menschen getroffen, die sich für den Schutz und die Wiederherstellung von Eichenwäldern einsetzen, die einem zunehmenden Risiko von Waldbränden ausgesetzt sind.

Diese Begegnungen waren für meine Forschung von unschätzbarem Wert. Sie haben von ihrer Motivation berichtet, mit mir ihr Wissen und ihre sozialen sowie kulturellen Perspektiven geteilt. Gleichzeitig habe ich gesunde und degradierte Ökosysteme kennengelernt. Solche Eindrücke lassen sich durch keine Lektüre ersetzen. Sie haben mich zu neuen Projekten inspiriert und den Grundstein für zukünftige Kooperationen gelegt.

Der wohl eindrücklichste Moment war, als ich dort in einem Eichenwald stand: einem Ort von großer Schönheit, an dem ich gespürt habe, wie stark die Motivation der lokalen Gemeinschaften ist, ihre Umwelt zu schützen.

Weitere Informationen

Die BCGE Flexible Funds

Zur Förderung gemeinsamer Projekte und Forschungskooperationen mit dem sogenannten Globalen Süden finanziert das Berlin Centre for Global Engagement (BCGE) der Berlin University Alliance (BUA) internationale Mobilitäten von bis zu vier Wochen für Angehörige der BUA, um Partner im Globalen Süden zu besuchen, oder umgekehrt für Forscher aus dem Globalen Süden, um ihre Kollegen in der BUA zu besuchen. Die Förderung deckt die Kosten für Flüge und Zuschüsse für Unterkunft und Verpflegung. Das Bewerbungsverfahren ist bewusst einfach gehalten. So wird der globale Austausch effizient gefördert. Die Ausschreibung erfolgt einmal jährlich.

Weitere Informationen finden Sie hier.