„Man gehört ins Team, nicht in den Vordergrund“
Thomas-Arne Jarocki arbeitet seit mehr als 43 Jahren als Mensaleiter an der Freien Universität Berlin – Ende Oktober geht er in den Ruhestand
30.09.2025
Thomas-Arne Jarocki in der Hauptmensa II der Freien Universität. Über mehr als vierzig Jahre hinweg hat der Mensaleiter täglich rund 4 000 Gäste bewirtet.
Bildquelle: Christopher Ferner
In Thomas-Arne Jarockis Büro, eine Etage über der Mensa II der Freien Universität Berlin, hängt neben Urkunden und alten Fotos ein gerahmtes Bild. Darauf zu sehen: ein geöffnetes Auge. Ein ehemaliger Stammgast der Mensa hat es für ihn gemalt. „Sie haben Ihr Auge überall“, habe der Hobbymaler erklärt. Jarocki schmunzelt, wenn er davon erzählt. Denn der Satz bringt auf den Punkt, was seine Aufgabe ist.
Seit 1997 ist der gebürtige Niedersachse Betriebsleiter der Mensa II. Dort trägt er nicht nur Verantwortung für mehr als 70 Mitarbeitende, sondern auch für das Essen, das den rund 4 000 Gäst*innen, die während der Vorlesungszeit täglich dort essen, serviert wird.
Trotz der hohen Besuchszahlen gebe es nur selten Beschwerden, sagt Jarocki. Das liege auch am vielfältigen Angebot: selbstgemachte Suppen, Pasta, Salate, Desserts, wechselnde Tagesgerichte – alles überwiegend vegetarisch. „Man muss eben mit der Zeit gehen“, sagt er. Eine Devise, die der Mensaleiter ernst nimmt. So korrigiert er sich, als ihm im Gespräch einmal „Mitarbeiter“ statt „Mitarbeitende“ herausrutscht. „Auch das gehört zu meinem Job.“
Jarocki ist groß, doch nicht nur deshalb jemand, der nicht zu übersehen ist. Er füllt mit seiner Präsenz sofort den Raum. Gleichzeitig ist er niemand, der sich mit großen Worten inszeniert und als Chef in den Mittelpunkt stellt. Als er für ein Foto alle anwesenden Kolleg*innen zusammenruft, hat er die Belegschaft in wenigen Minuten versammelt und sich dazugestellt. „Ich bin nicht der Wichtige hier“, sagt er. Eine Haltung, die sich wie ein roter Faden durch seine Laufbahn zieht.
Der hochgewachsene Mensaleiter Thomas-Arne Jarocki (Bildmitte) und sein Team
Bildquelle: Christopher Ferner
Täglich 200 Kilo Braten gewürzt, 2000 Schnitzel paniert – das war früher
Als Jarocki 1983 als Koch in der FU-Mensa anfängt, ist das eine pragmatische Entscheidung. „Ich war frisch verheiratet und wollte raus aus den Arbeitszeiten der Gastronomie“, erzählt er. Daran, dass daraus 43 Jahre werden würden, hat er damals keinen Gedanken verschwendet. Für ihn und die anderen Köche, die frisch aus der Ausbildung kamen, war die Mensa Neuland. „Die erste Woche haben wir genutzt, um Geräte zu testen und Rezepturen auszuprobieren. Wir haben richtig Hand angelegt, bevor der erste Teller rausging.“
Damals stand er selbst am Herd, hat Pfannen geschwenkt, war zuständig für Fleisch und Soßen. „Ich habe am Tag 200 Kilo Braten gewürzt, 2000 Schnitzel paniert“, sagt er. Heute sieht sein Arbeitsalltag anders aus: Er ist Organisator, muss dafür sorgen, dass die Abläufe reibungslos funktionieren. Er verbringt viel Zeit im Büro an seinem Computer.
„Man muss präsent sein, das geht nicht vom Schreibtisch aus“
Doch er sei auch Motivator und Ansprechpartner für die Belegschaft. Deshalb geht er täglich durchs Haus, spricht mit den Leuten, kennt ihre Namen, weiß, wer welche Geschichte mitbringt. Und er versucht, die Kolleg*innen in ihren jeweiligen Muttersprachen zu begrüßen. Denn in der Mensa arbeiteten Menschen aus Afrika, Asien, Europa. „Man muss präsent sein. Das geht nicht vom Schreibtisch aus“, sagt er. Seine Bürotür stehe deshalb immer offen.
Er räumt ein: „Alleine geht das nicht.“ An seiner Seite steht seine Wirtschafterin, Nicole Lau, die den Dienstplan schreibt und für viele Anliegen ein offenes Ohr hat. „Wir haben einen Briefkasten für Hinweise und haben regelmäßige Meetings.“ Was ihm dabei am wichtigsten ist? Zuhören. „Man darf nie glauben, man stehe über dem Team. Nur gemeinsam funktioniert der Laden.“
Ob es einen Moment gegeben habe, an dem er hinschmeißen wollte? „Natürlich gab es Tage, an denen der Kessel an allen Ecken gepfiffen hat. Aber ich habe es nie bereut, geblieben zu sein.“ Denn spannend sei es immer gewesen.
Die Zeit danach: Garten, Reisen – und mal schauen
Ende Oktober beginnt für Thomas-Arne Jarocki der Ruhestand. Er muss nicht lange überlegen, was er am meisten vermissen wird: das Miteinander. „Bei Geburtstagen oder Verabschiedungen bringen alle etwas aus der Heimat mit. Das sind immer richtig schöne Feiern.“ Genau so stellt er sich auch seinen eigenen Abschied vor. Ein Stündchen Beisammensein, dann ist Schluss. „Ich will kein Tamtam. Einfach so, wie wir es hier immer gemacht haben.“
Angst vor dem Ruhestand habe er nicht. „Ich habe ein Häuschen, einen Garten. Da wartet der Maulwurf schon auf mich“, sagt er und lacht. Mit seiner Frau will er reisen, im Dezember geht es nach Teneriffa. Ein bisschen nervös sei er dennoch. „Man weiß eben nicht, wie es schlussendlich sein wird.” Sollte ihm die Ruhe zu viel werden, könne er sich durchaus vorstellen, irgendwann wieder zu arbeiten.
Welchen Rat er seiner Nachfolgerin Jasmin Mohr, derzeit Leiterin der Kita-Verpflegung beim studierendenWERK Berlin, mitgeben möchte? Auch da muss Jarocki nicht lange überlegen: „Man gehört ins Team, nicht in den Vordergrund.“ Ein Prinzip, nach dem er die vergangenen 43 Jahre gearbeitet hat.