Mit jedem Molekül
Die Biochemikerin und Wissenschaftskommunikatorin Luiza Bengtsson leitet die Abteilung „Museum & Gesellschaft” im Botanischen Garten
12.06.2025
Dr. Luiza Bengtsson, Leiterin der Abteilung „Museum & Gesellschaft“ am Botanischen Garten Berlin.
Bildquelle: Botanischer Garten Berlin
„Ich brenne mit Herz und Seele und jedem Molekül für diesen Job“, sagt Luiza Bengtsson. Sie sitzt vor einem Café in Prenzlauer Berg. Wie sehr sie ihre neue Arbeit im Botanischen Garten der Freien Universität Berlin erfüllt, verraten ihre leuchtenden Augen, während sie von ihren Aufgaben erzählt.
Seit Herbst 2024 verantwortet Luiza Bengtsson die Abteilung „Museum und Gesellschaft“ – sie umfasst die Bereiche Botanisches Museum und Ausstellungen, Bildung und Outreach, Verlag und Grafik, die Bibliothek und die wissenschaftshistorische Sammlung.Ein typischer Arbeitstag? Den gibt es nicht. Bengtssons Terminkalender ist gut gefüllt: morgens mal ein Jour fixe zur neuen Dauerausstellung, mittags ein Termin zur kolonialen Geschichte der Institution, nachmittags geht es um Finanzierungsfragen oder neue Bildungsformate. Jeder Tag ist abwechslungsreich, auch deshalb schätzt Bengtsson ihre Position.
Der Karriereweg der Schwedin war alles andere als vorhersehbar: Nach einem Master of Science in Lund wurde sie 2002 an der Freien Universität im Fach Biochemie promoviert. Sie forschte im Bereich Biomedizin in Deutschland und den USA, bevor sie sich verstärkt der Wissenschaftskommunikation widmete, die anfangs parallel zur Forschung lief und schließlich ihre Hauptkarriere wurde. Ihre Leidenschaft für den interdisziplinären Dialog zwischen Wissenschaft, Kultur und Öffentlichkeit führte sie schließlich zur Ausschreibung des Botanischen Gartens.
„Ich wusste, wie Pflanzen von innen funktionieren – Zellen, DNA, Proteine – doch botanisch bin ich Quereinsteigerin.“ Und doch regte sich etwas in ihr: ein altes „Aktivisten-Gen“, wie sie selbst sagt. Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegen Bengtsson am Herzen. Auch deshalb habe sich die neue Herausforderung von Anfang an stimmig angefühlt. Im Laufe des Bewerbungsprozesses wurde ihr schließlich klar, wie sinnstiftend diese Position sein würde – und wie vielfältig.
Formate entwickeln, die in der Stadt Resonanz erzeugen
Bengtsson will Wissenschaft und Gesellschaft enger miteinander verzahnen – im Dialog. „Wir schaffen Angebote, die nicht belehrend sind, sondern zum Nachdenken anregen“, sagt sie. Die für 2027 geplante Dauerausstellung ist darauf ausgerichtet, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Auch Formate wie die Reihe „Noch auf ein BO?“ setzen auf Nähe statt Distanz: eine Afterwork-Führung mit Forschenden, bei der Gespräche mit den Besucher*innen im Mittelpunkt stehen. Immer am ersten Donnerstag eines Monats sind Interessierte eingeladen, gemeinsam mit Wissenschaftler*innen durch den Garten zu gehen. Auftakt war am 5. Juni.
Doch Bengtssons Pläne drohen an Grenzen zu stoßen. Der Berliner Senat kürzt derzeit die Mittel für Wissenschafts- und Kultureinrichtungen – auch der Botanische Garten ist davon betroffen. Umso wichtiger sei es, Formate zu entwickeln, die in der Stadt Resonanz erzeugen. „Je mehr Besucher*innen wir gewinnen, desto mehr können wir umsetzen.“
Pläne für das 350-jährige Jubiläum des Gartens im Jahr 2029
Luiza Bengtssons Ziele sind ambitioniert: Bis 2029, zum 350-jährigen Jubiläum des Botanischen Gartens, will sie das Museum als regionalen, nationalen und internationalen Publikumsmagneten etabliert haben. Es soll dann nicht nur mit einer starken Dauerausstellung und ersten Wechselausstellungen glänzen, sondern auch durch innovative Bildungsangebote und spannende Projekte, Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichen Hintergründen ansprechen. Über Forschungsprojekte zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit wird im Rahmen von internationalen und interdisziplinären Dialogveranstaltungen debattiert. Den Botanischen Garten besucht ein diverses, neugieriges Publikum, dem er nicht nur als Wissensquelle, sondern auch als Inspirationsquelle dient. „Ich hoffe, dass die Berliner*innen bis dahin noch mehr entdeckt haben, welche Perle sie hier haben.“
Einen Vorgeschmack auf das, was möglich ist, gab es kürzlich: Zum Internationalen Tag der Biodiversität am 22. Mai lud der Garten erstmals zum Botany Science Slam. „Nach der Show blieben die Leute, stellten Fragen, kamen mit den Wissenschaftler*innen ins Gespräch“, erzählt Bengtsson. Für sie ein Beispiel, wie die Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft geschlagen werden kann.
Flechten, Kieselalgen und andere – die urbane Berliner Natur
Auch ihr eigener Blick auf die Natur hat sich durch ihre Arbeit verändert. Früher nahm sie Pflanzen in ihrer Umgebung nur oberflächlich wahr. Heute achte sie auf Details – auch in ihrem Schrebergarten. „Ich habe festgestellt, wie wenig divers mein Unkraut ist.“ Mit Begeisterung spricht sie über die urbane Berliner Natur, über Flechten, Kieselalgen und all die kleinen Wunder, die oft übersehen werden. „Man entdeckt plötzlich überall etwas. Jede Pflanze erzählt eine Geschichte.“
Einen festen Lieblingsort im Botanischen Garten hat Bengtsson nicht. „Im Winter liebe ich das Kakteenhaus, im Frühling den japanischen Bereich mit seinen rosa blühenden Azaleen.“ Am meisten aber schätzt sie den Garten als Ort des Innehaltens: „Man geht raus und sieht immer etwas Schönes.“
Damit das auch in Zukunft so bleibt, brauche es mehr als Idealismus. Es braucht Räume, Ressourcen und die Bereitschaft, in Wissen zu investieren. „Wissenschaft schafft nicht nur Neues, sie baut auf vorhandenem Wissen auf“, sagt Bengtsson. Und genau dafür brauche es Orte wie das Botanische Museum: „Denn dieses Wissen erzählt uns nicht nur etwas über die Vergangenheit, sondern auch über unsere Gegenwart und die Welt, in der wir morgen leben wollen.“
Weitere Informationen
Dr. Luiza Bengtsson ist seit vielen Jahren aktives Mitglied im weltweiten Alumni-Netzwerk der Freien Universität. Erst kürzlich lud sie eine Gruppe von Alumni in den Botanischen Garten ein und ermöglichte einen exklusiven Blick hinter die Kulissen ihres Arbeitsplatzes.
Wer an der Freien Universität Berlin studiert, geforscht, gelehrt oder gearbeitet hat, ist herzlich eingeladen, dem Alumni-Netzwerk beizutreten, eigene Studien- und Berufserfahrungen einzubringen und Einladungen zu exklusiven Veranstaltungen und Vernetzungsangeboten zu erhalten.