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Von den „Preußischen Instruktionen“ in die Cloud

Jirka Kende, ehemaliger Leiter der Universitätsbibliothek der Freien Universität, hat sich in den Ruhestand verabschiedet

29.01.2019

Jirka Kende kennt die Bibliotheken der Freien Universität aus verschiedensten Perspektiven. Mehr als 35 Jahre lang war er hier tätig – zuerst als Studentische Hilfskraft am Osteuropa-Institut, dann als Referendar an der Universitätsbibliothek, später als Fachreferent für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und als stellvertretender Leiter der Benutzungsabteilung und zuletzt als leitender Direktor der Universitätsbibliothek und des Bibliothekssystems.

Jirka Kende war mehr als 35 Jahre lang im Bibliothekssystem der Freien Universität tätig.

Jirka Kende war mehr als 35 Jahre lang im Bibliothekssystem der Freien Universität tätig.
Bildquelle: Annika Middeldorf

In dieser Funktion war Jirka Kende für eines der größten Hochschulbibliothekssysteme in Deutschland mit rund 8 Millionen gedruckten Medieneinheiten und mehr als 70.000 E-Zeitschriften, 600.000 E-Books und 1.600 Datenbanken verantwortlich.

Seit vergangenem Jahr ist er im Ruhestand. „Allmählich gewöhne ich mich an das neue Leben und meine vermehrte Freizeit, treffe Freunde, genieße die Berliner Kulturlandschaft und habe endlich mehr Zeit zum Lesen.“ Aber so voll und ganz ist er noch nicht im Rentnermodus angekommen; zu sehr fühlt er sich der Freien Universität nach mehr als drei Jahrzehnten verbunden. Er verfolgt nach wie vor die Entwicklung des Bibliothekssystems und der Freien Universität, an der er in den siebziger Jahren zunächst Volkswirtschaft studiert und 1982 mit der Ausbildung als Bibliotheksreferendar seine bibliothekarische Karriere begonnen hat.

In die digitale Zukunft katapultiert

Dass er seinen Weg gut gehen würde, hatte der damalige Direktor der Universitätsbibliothek schon in einer dienstlichen Beurteilung bemerkt: „Er besitzt die Anlage, ein sehr guter Bibliothekar zu werden“. Er sollte Recht behalten.

Ein großer Einschnitt in Kendes Arbeit war die Einführung der Datenverarbeitung und die Digitalisierung, die Bibliotheken schneller als andere Bereiche erfasste. Dadurch wandelte sich nicht nur die Arbeit und die Dienstleistungen der Bibliotheken, sondern auch Jirka Kendes Arbeitsumfeld: „Ich wurde während meiner Dienstzeit regelrecht in die digitale Zukunft katapultiert! Im Osteuropa-Institut habe ich als Studentische Hilfskraft in der Bibliothek in den 70er Jahren noch nach den „Preußischen Instruktionen“ von 1899 – einem bibliothekarischen Regelwerk zur Katalogisierung - mit Schreibmaschine auf Katalogkarten die Neuerwerbungen erfasst. Und 2017 sind wir an der Freien Universität Berlin mit dem neuen Bibliothekssystem Alma als eine der ersten Bibliotheken bundesweit in die Cloud gegangen, wo seitdem alle Daten erfasst und gespeichert werden.“

Mit einigem Stolz blickt Jirka Kende auf die Einführung des integrierten Bibliotheksystems Aleph500 im Jahr 1999 zurück: Aleph bot den ersten Online-Katalog, der Studierenden und Forschenden die Literaturrecherche via Internet ermöglicht hat. Das Bibliotheksportal Primo, das den Online-Katalog schließlich ablöste, war ein weiterer Meilenstein für die Literaturrecherche: „Mit nur wenigen Klicks haben die Nutzerinnen und Nutzer von einer Plattform aus den Zugang zu knapp einer Milliarde wissenschaftlicher Dokumente“, sagt Jirka Kende, „vor ein paar Jahren war das kaum vorstellbar.“

"Auf ihn war absolut Verlass": Matthias Dannenberg (re.), stellvertretender Kanzler der Freien Universität, würdigte Jirka Kendes Arbeit.

"Auf ihn war absolut Verlass": Matthias Dannenberg (re.), stellvertretender Kanzler der Freien Universität, würdigte Jirka Kendes Arbeit.
Bildquelle: Melanie Kleist

Immer da, für alle und für alles

Doch nicht nur mit der Einführung moderner Software und deren Administration haben Kende und sein Team das wissenschaftliche Arbeiten an der Freien Universität enorm verbessert. Als langjähriger Vorsitzender der Internationalen Gruppe der Ex-Libris-Anwender („IGeLU“), in der auch zahlreiche renommierte internationale Institutionen wie Harvard, Princeton, Oxford oder die British Library mitarbeiten, hat er sich erfolgreich dafür engagiert, dass der Softwareanbieter Ex Libris seine Programme stetig und vor allem im Sinne der Anwender weiterentwickelt.

Auch die Integration der ehemals mehr als 150 Fach- und Institutsbibliotheken an der Freien Universität in ein modernes, leistungsfähiges auf 13 Standorte konzentriertes Bibliothekssystem war eine wichtige Aufgabe im Hinblick auf die Verbesserung der Nutzungsbedingungen: So wurden 2015 nicht weniger als eine Million Bücher aus 24 Instituts- und Bereichsbibliotheken unter dem neuen Dach der Campusbibliothek zusammengeführt. Diesen Prozess hat Jirka Kende über Jahre gemeinsam mit dem Projektteam koordiniert und intensiv begleitet.

„Herrn Kendes Führungsstil, so habe ich es übereinstimmend aus seinem Umfeld gehört, zeichnete sich dadurch aus, dass er immer da war, für alle und für alles; auf ihn war absolut Verlass. Aus zentraler Perspektive kann ich dies nur bestätigen“, würdigte Matthias Dannenberg, stellvertretender Kanzler der Freien Universität, die Arbeit Jirka Kendes bei dessen Verabschiedung in den Ruhestand. Und er fügte im Namen der gesamten Hochschulleitung hinzu: „Wir sind Ihnen zu außerordentlich großem Dank verpflichtet, Sie haben für unsere Universität Herausragendes geleistet.“

Zuletzt war Jirka Kende leitender Direktor der Universitätsbibliothek der Freien Universität.

Zuletzt war Jirka Kende leitender Direktor der Universitätsbibliothek der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher 

Immer da, für alle und für alles – da überrascht Kendes Antwort auf die Frage, was er im Ruhestand am meisten vermisse, kaum: „Vor allem meine Kolleginnen und Kollegen, die gute und kollegiale Zusammenarbeit innerhalb der Universitätsbibliothek, mit den Fachbibliotheken und zuletzt mit CeDiS bei der Bewältigung immer neuer Herausforderungen. Sehr wichtig waren mir immer ein gutes Betriebsklima und die Kommunikation auf Augenhöhe. Das war die Basis für die Entfaltung des außerordentlichen Engagements der Kolleginnen und Kollegen, für das ich immer sehr dankbar war und nach wie vor bin!“

Auf eine Sache verzichtet er aber seit knapp sechs Monaten sehr gerne: das morgendliche Klingeln des Weckers.