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„Wir müssen die Mehrheitskultur verändern“

Elisabeth Kelan, Professorin für Leadership an der britischen Cranfield University, hat an der Freien Universität ihre Antrittsvorlesung als Gastprofessorin für Geschlechterforschung gehalten

29.11.2017

Elisabeth Kelan bietet in diesem Semester das Forschungsseminar „Gender and Diversity in Organisations“ an. Das Foto zeigt sie bei ihrer Antrittsvorlesung am 1. November.

Elisabeth Kelan bietet in diesem Semester das Forschungsseminar „Gender and Diversity in Organisations“ an. Das Foto zeigt sie bei ihrer Antrittsvorlesung am 1. November.
Bildquelle: Leonie Schlick

„Frauen sind in der Arbeitswelt noch immer benachteiligt“, sagte Kelan gleich zu Beginn ihres Vortrags mit dem Titel „Men, Gender Equality and Organizational Change“. Von Gleichstellung könne trotz einiger positiver Veränderungen noch keine Rede sein. Die Expertin für Gender in Organisationen verwies auf die Ergebnisse einer Studie des Weltwirtschaftsforums: Danach werde die ökonomische Kluft zwischen den Geschlechtern erst in 217 Jahren geschlossen sein.

Das Publikum im gut besuchten Hörsaal am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität schmunzelte ungläubig. Doch Kelan ist es ernst. Die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin gehört zu den international führenden Forscherinnen im Bereich Gender und Leadership. Welche Rolle spielt das mittlere Management für Gleichstellung in der Arbeitswelt? Wieso sind Frauen in Führungspositionen strukturell unterrepräsentiert? Mit ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive auf Genderfragen gibt Kelan der internationalen Gastprofessur für Geschlechterforschung – die zum fünften Mal besetzt wird – eine neue inhaltliche Ausrichtung.

Für einen Wandel müssen Strukturen verändert werden

„Dafür, dass wir schon eine ganze Weile über Gender sprechen, hat sich noch nicht so viel geändert“, wiederholte Kelan. So lasse sich auch im Jahr 2017 in vielen Unternehmen noch die sogenannte 50/30/10-Regel erkennen: Auf der niedrigsten Einstellungsebene gebe es etwa gleich viele Frauen wie Männer. Auf der mittleren Einstellungsebene seien dagegen nur noch 30 Prozent der Beschäftigten weiblich. Auf der höchsten Einstellungsebene betrage der Frauenanteil schließlich nur noch zehn Prozent.

Auch die Podiumdiskussionen seien häufig von Männern dominiert. Kelan verwies hier auf das Phänomen des sogenannten Manels – mit dem Begriff bezeichnet man ein Panel, bei dem die geladenen Referenten ausschließlich männlich sind. „Bei diesen Veranstaltungen herrscht ein kompletter Mangel an Diversität“, sagte die Forscherin. Und damit sei nicht nur die Abwesenheit von Frauen, sondern auch von Minderheiten-Vertretern gemeint.

Doch wie können Gleichstellungsprozesse in der Arbeitswelt vorangetrieben werden? Oft werde die Verantwortung für Veränderungen auf die Frauen abgewälzt. Dabei seien es weniger die Individuen als die Strukturen, die geändert werden müssten, sagte Kelan: „Ich habe mich irgendwann gefragt: Warum fokussieren wir uns so auf die Frauen? Stattdessen sollten wir auf diejenigen schauen, die die Macht innehaben: die Männer.“ In ihrer Forschung untersucht sie deshalb unter anderem, welche Rolle (männliche) Vorstände und Chefs sowie das mittlere Management für Gleichstellung in Unternehmen spielen können. Ihr Fazit: „Wir müssen die Mehrheitskultur verändern.“ Dafür brauche es engagierte männliche Fürsprecher.

Im Rahmen ihrer Gastprofessur wird Elisabeth Kelan eng mit Kolleginnen und Kollegen des Management Departments am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft und des Margherita-von-Brentano-Zentrums der Freien Universität zusammenarbeiten. Sie bietet das Forschungsseminar „Gender and Diversity in Organisations“ an.

Internationale Gastprofessur für Geschlechterforschung

Die Internationale Gastprofessur für Geschlechterforschung („Dahlem International Network Professorship for Gender Studies") ist im Wintersemester 2013/14 eingerichtet worden. Ziel ist es, die Frauen- und Geschlechterforschung in Profilbereichen der Freien Universität zu stärken und ihre internationale Vernetzung zu fördern. Elisabeth Kelan folgt auf die koreanische Professorin Pilwha Chang, die sich schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Gender beschäftigt hat.

Weitere Informationen

Elisabeth Kelan ist gebürtige Deutsche, die auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt. Sie forscht bereits seit 17 Jahren in Großbritannien. „Meine akademische Sprache ist Englisch“, sagt Elisabeth Kelan. Nach Abschluss ihres PhD an der London School of Economics and Political Science (LSE) wechselte sie an die London Business School und dann an das King’s College London. Während ihrer Promotion war sie auch an der Universität Zürich tätig. Sie wurde mit dem „Most Influential Leadership Research Award“ 2016 ausgezeichnet und gehört zu den „HR Most Influential Thinkers“ des HR Magazines. Seit 2014 hat Elisabeth Kelan den Lehrstuhl für Leadership an der School of Management der Cranfield University inne.