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Von der Revolution und einem neuen Leben

Vor fast zehn Jahren kam der Syrer Salah Al Masri für seine Promotion nach Deutschland. Heute unterstützt der Veterinärmediziner syrische Flüchtlinge an deutschen Universitäten / Infoveranstaltung diesen Donnerstag

23.08.2016

Salah Al Masri ist wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Veterinär-Anatomie. Ehrenamtlich unterstützt er Flüchtlinge aus seinem Heimatland Syrien.

Salah Al Masri ist wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Veterinär-Anatomie. Ehrenamtlich unterstützt er Flüchtlinge aus seinem Heimatland Syrien.
Bildquelle: Annika Middeldorf

„Es war das normale Leben in einer Diktatur“, beschreibt Salah Al Masri seine Studienzeit in Syrien. „Man hatte sich damit abfinden müssen.“ Knapp 20 Jahre ist es her, dass der heute 38-Jährige sein Studium der Veterinärmedizin in Hama aufgenommen hat. Er arbeitete auf eine Karriere in der Wissenschaft hin, machte einen guten Abschluss, gab Seminare. Für seine Doktorarbeit ging er 2007 nach München: „Die deutsche Veterinärmedizin ist in Syrien besonders angesehen.“ In München ist er auch 2011, als Teile der syrischen Bevölkerung gegen das Regime protestierten – viele von ihnen gingen das erste Mal in ihrem Leben auf die Straße. Mit gemischten Gefühlen – euphorisch über den sich ankündigenden Wandel und in Angst um Angehörige und Freunde – verfolgte Salah Al Masri die Situation in seiner Heimatstadt Daraa aus der Ferne. Als das Assad-Regime auf den friedlichen Protest mit willkürlichen Festnahmen und Städtebelagerung antwortet, beschließt Al Masri zu handeln: Er organisiert in München Solidaritätsdemonstrationen und unterstützt den Verein „Union der syrischen Studenten und Akademiker“ (USSA).

„Zu diesem Zeitpunkt waren viele syrische Forscher und Studenten mit Stipendien des syrischen Staates in Deutschland. Nach dem Ausbruch der Revolution wurde diese Förderung gestoppt. Viele von uns standen vor dem Nichts“, erzählt der wissenschaftliche Mitarbeiter. Der von Jungakademikern gegründete Verein sollte zunächst denen Rat und Unterstützung geben, die bereits in Deutschland studierten oder forschten. Etwa 40 Mitglieder zählte die Gruppierung in der Gründungsphase, schon wenig später waren es 700. Das große Interesse führt Al Masri auch darauf zurück, dass Hilfsorganisationen vorrangig Menschen in Syrien unterstützt haben.

„Wir wollten einander helfen. Hier in Deutschland und in Syrien“, sagt Al Masri. Der 2012 gegründete Verein schaffte mit Sprachkursen, Jobvermittlung oder Beratungsangeboten schließlich auch ein Angebot für Syrer, die vor dem Krieg flüchten mussten. Außerdem organisierten die Mitglieder Spenden für die Bevölkerung in Syrien.

Tag Null der syrischen Revolution

Seit vier Jahren arbeitet Salah Al Masri nun am Institut für Veterinärmedizin der Freien Universität. In einem Verbundprojekt forscht er an Wegen, um männliche Küken vor der maschinellen Tötung zu retten. Aufgewachsen ist Al Masri in Daraa. Die Stadt mit etwa 100 000 Einwohnern liegt wenige Kilometer von der jordanischen Grenze und etwa 100 Kilometer von Damaskus entfernt. Auch wenn die Stadt in Deutschland vielen kein Begriff ist – für die 2011 ausgebrochene Revolution und den daraus hervorgegangenen Bürgerkrieg spielt sie eine wichtige Rolle. „In dieser Stadt hat sich der Tag Null der syrischen Revolution abgespielt“, sagt Al Masri.

Streben nach Würde und Freiheit

2011 wird hier ein halbes Dutzend Minderjährige wegen Schmierereien verhaftet, berichtet Al Masri. Ein Unrecht, wie Syrer aus allen Gesellschaftsschichten finden – für viele von ihnen ist das der Anlass, sich erstmals gegen das Regime aufzulehnen. „In Daraa kennt jeder jeden. Es war, als wären die eigenen Kinder weggesperrt worden.“ Auch Al Masris Freunde und Familienmitglieder gingen auf die Straße, protestieren gegen das Regime. „Es ging um Würde und das Streben nach Freiheit“, so Al Masri.

Der saß damals in München. Als das Assad-Regime auf den friedlichen Protest mit willkürlichen Festnahmen, Schüssen und Städtebelagerung antwortet, beschließt Al Masri, etwas zu tun. In München organisierte er eine Demonstration gegen das Assad-Regime. Aktionen wie diese waren nicht ungefährlich, wie der Wissenschaftler berichtet: „Auch dort gab es Spitzel des Regimes, die uns Demonstranten fotografierten. Ich kenne Leute, die nach Syrien zurückgekehrt sind und einfach verschwanden.“

Die Gefahr ist bis heute so groß, dass Al Masri sein Heimatland, seine Familie und Freunde seit sechs Jahren nicht besucht hat. „Mir fehlt alles an Syrien. Ich möchte hinfahren. Auch, um Abschied von Toten zu nehmen.“

Weitere Informationen

Die Union of Syrian Students and Academics lädt zur Informationsveranstaltung für studieninteressierte und bereits immatrikulierte syrische Geflüchtete. Hauptthema ist der Schriftverkehr mit den Behörden, zum Beispiel den Bafög-Stellen oder der Ausländerbehörde.

Zeit und Ort:

Informationsveranstaltung für syrische Geflüchtete

Donnerstag, 25.08.2016 um 17:00 Uhr
Technische Universität Berlin, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin: Hauptgebäude Raum H 0112

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