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Musikalisches Mehrgenerationenprojekt

Im Jungen Orchester der Freien Universität spielen Musiker aller Altersklassen zusammen

29.03.2016

Hanna Brinkmann und Stefan Ostermeyer spielen seit vielen Jahren im Jungen Orchester.

Hanna Brinkmann und Stefan Ostermeyer spielen seit vielen Jahren im Jungen Orchester.
Bildquelle: Manuel Krane

Antoine Rebstein dirigiert das Junge Orchester.

Antoine Rebstein dirigiert das Junge Orchester.
Bildquelle: Privat

Das Junge Orchester beim Jubiläumskonzert 2014 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

Das Junge Orchester beim Jubiläumskonzert 2014 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
Bildquelle: Privat

„Ich habe schon in vielen Orchestern gespielt, aber in keinem habe ich mich so wohlgefühlt wie in diesem“, sagt Trompeter Stefan Ostermeyer über das Junge Orchester der Freien Universität. Der Spaß an der Musik stehe in diesem Ensemble im Vordergrund: „Hier gibt es keinen Druck, keinen Wettbewerb“, sagt auch seine Orchesterkollegin Hanna Brinkmann, „das habe ich in anderen Ensembles auch schon ganz anders erlebt.“

106 Musikerinnen und Musiker spielen derzeit im Jungen Orchester, immer gegen Semesterende gibt es zwei große Konzerte, die nächsten stehen im Juni an. Ein Probevorspiel – bei anderen Formationen auch im Laienbereich durchaus üblich – gibt es hier nicht. „Den einzigen Leistungsdruck, den wir haben, machen wir uns selbst: Jeder Musiker hat für sich den Anspruch, ein gutes Konzert zu spielen“, erklärt Hanna Brinkmann, die im Orchester Geige spielt. Die musikalische Qualität leide darunter aber nicht, sagt Stefan Ostermeyer: „Wir haben in den vergangenen Jahren gute Ergebnisse erzielt.“

Orchester als „Mehrgenerationenprojekt“

Ostermeyer war 1994 aus Hannover nach Berlin gekommen, weil er hier seinen ersten Job in einem Architekturbüro gefunden hat. Über eine Anzeige in einer Zeitschrift fand er zum Jungen Orchester, das sich damals gerade erst gegründet hatte. „Ich konnte sofort mitspielen, das war super“, sagt der Architekt über seinen Einstieg. Und das, obwohl die Wartelisten bei Laienorchestern in Berlin zu Beginn der neunziger Jahre sehr lang gewesen seien. „Das Junge Orchester pflegt eine eigene Philosophie: Es arbeitet stets mit den Musikern, die da sind“, erklärt Ostermeyer. So habe es in der mehr als 20-jährigen Geschichte sehr unterschiedliche Besetzungen gegeben, manchmal auch sehr kleine. „Es gibt eine relativ feste Gruppe bei den Bläsern, aber ansonsten wechselt die Besetzung regelmäßig“, sagt Ostermeyer.

Das Orchester ist aus dem Umfeld der Freien Universität heraus entstanden, auf dem Campus wurde anfangs auch geprobt. Es wird vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) finanziell unterstützt, steht aber grundsätzlich allen offen, die Lust haben mitzuspielen. So sei auch das vergleichsweise große Altersgefälle zu erklären: Im Moment spielt neben Erstsemestern auch ein pensionierter Jurist. „Mittlerweile ist es ein Mehrgenerationenprojekt geworden“, sagt Stefan Ostermeyer.

Das war 1994 nicht unbedingt zu erwarten, als sich eine kleine Gruppe in der Rostlaube traf, um mit dem heute international renommierten Dirigenten Jens Georg Bachmann zu proben. Die Ergebnisse seien anfangs „noch etwas chaotisch“ gewesen, sagt Ostermeyer. Mittlerweile sei man anspruchsvoller geworden und traue sich auch schwierigere Werke zu: „Nach unserem letzten Konzert haben uns professionelle Musiker gesagt, dass wir streckenweise von einem echten Sinfonieorchester nicht zu unterscheiden gewesen wären.“

Anspruchsvolle Programme

Der gewachsene Anspruch spiegelt sich auch in der ehrgeizigen Programmgestaltung wider. Als besonderes Highlight nennt Ostermeyer ein mit dem Titel „Nach dem Krieg“ überschriebenes Konzert mit Musik von zeitgenössischen jüdischen Komponisten, das der 1969 in Tel Aviv geborene Komponist Uri Rom 2007 dirigiert hatte. Und natürlich das Jubiläumskonzert vor zwei Jahren, dirigiert von Antoine Rebstein, der auch heute noch die musikalische Leitung des Orchesters innehat: Damals, im Winter 2014, hatte das Orchester die zweite Sinfonie in c-moll von Gustav Mahler aufgeführt – die „Auferstehungssinfonie“ –, was Ostermeyer besonders bewegt hat: „Wenn ich mich nicht so auf die Musik hätte konzentrieren müssen, hätte ich jedes Mal heulen können.“

Auch für das bevorstehende Sommersemester steht das Programm schon: Neben Wagners Ouvertüre zu den „Meistersingern von Nürnberg“ und Samuel Barbers Violinkonzert wird das Orchester Beethovens 5. Sinfonie spielen. Eine Herausforderung, findet Stefan Ostermeyer: „Die Sinfonie kann jeder mitsingen – deshalb werden die Konzertbesucher auch jeden Fehler bemerken.“

Auch wenn das Orchester musikalisch professioneller geworden ist, hat sich am Gründungsgedanken nichts geändert: Nach wie vor kann jeder mitspielen, der möchte. Getragen wird das Orchester von den Mitgliedern selbst und ehrenamtlich. „Das schweißt uns nochmal zusätzlich zusammen“, weiß Hanna Brinkmann, „man findet dadurch sehr schnell neue Freunde.“

Weitere Informationen

Das Junge Orchester freut sich über neue Mitspieler. Wer mitspielen will kann sich telefonisch bei Nikolaus Spoerel melden (Telefon: 0179/6649494), an mail@junges-orchester.de schreiben oder einfach zur ersten Probe im neuen Semester kommen. Diese findet am Sonntag, den 17.04.2016 um 18.30 Uhr im Genezareth-Gemeindesaal (Schillerpromenade 16, 12049 Berlin) statt.