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Mit einem T-Shirt der Freien Universität im Kindergarten

Benjamin van Well und Liu Lingshan haben sich in Dahlem kennengelernt – heute leben sie mit ihrer Tochter in Peking

16.11.2015

Liu Lingshan und Benjamin van Well mit ihrer Tochter Meihan.

Liu Lingshan und Benjamin van Well mit ihrer Tochter Meihan.
Bildquelle: Privat

Meihan trägt im Kindergarten ein T-Shirt der Freien Universität.

Meihan trägt im Kindergarten ein T-Shirt der Freien Universität.
Bildquelle: Privat

Vor elf Jahren haben sich Benjamin van Well und Liu Lingshan an der Freien Universität kennengelernt – ausgerechnet in einem Seminar zu Lessings Dramen. Anstelle eines bürgerlichen Trauerspiels stand bei den beiden allerdings bald die ganz große Liebe auf dem Programm. Mittlerweile ist das deutsch-chinesische Paar seit sechs Jahren verheiratet.

Die Geschichte von Liu Lingshan und Benjamin van Well beginnt in der niedersächsischen Provinz. Es ist August 2003, als die Pekingerin Lingshan beschließt, nach Deutschland zu ziehen. In China hat sie gerade ein Grafikdesign-Studium abgeschlossen, doch die Aussicht, dort in einer Agentur zu arbeiten, reizt sie nicht. Sie will in Deutschland Germanistik studieren. Lingshan bewirbt sich und bekommt eine Zusage von der Uni Braunschweig. Von der niedersächsischen Stadt hatte Lingshan bis dahin noch nie etwas gehört, und als sie dort ankommt, ist der Kulturschock groß. Der Wechsel von der 20-Millionen-Metropole in das nicht mal 250 000 Einwohner große Braunschweig macht ihr zu schaffen. Nach ihrer Ankunft ist ihr klar: Sie muss hier schnell wieder weg, in eine größere Stadt.

Berlin, Berlin

Im Frühjahr 2004 zieht sie nach Berlin und wechselt an die Freie Universität. Dort studiert Benjamin van Well schon seit einer Weile Deutsch auf Lehramt. In einem Seminar zu Lessings Dramen begegnen sich die beiden zum ersten Mal, bei einem Theaterbesuch mit dem Seminar lernen sie sich näher kennen. Kurze Zeit später sind sie ein Paar.

2008 schließen die beiden ihr Studium ab. Benjamin van Well macht sein Referendariat an einer Berliner Schule, Liu Lingshan arbeitet für eine Consulting-Firma. Nach dem Ende seines Referendariats 2011 sucht Benjamin van Well parallel in Deutschland und in China nach Jobs. 2006 war er zum ersten Mal im Land der Mitte, das ihn sofort fasziniert hat: „Mir hat China sehr gut gefallen, vor allem die Stadt Peking. Es ist eine ganz besondere Atmosphäre dort.“

Guter Start in Peking

Die Jobsuche verläuft gleich doppelt erfolgreich: Er erhält ein Angebot, an einem Pekinger Institut Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Gleichzeitig bekommt er die Zusage von einer Berliner Privatschule. „Da mussten wir nicht lange überlegen“, sagt Benjamin van Well. „China klang einfach interessanter.“ Dann musste alles schnell gehen, innerhalb von zwei Wochen zog er von Berlin nach Peking. Seine Frau fand Arbeit bei einer Consulting-Firma für deutsch-chinesische Industrieberatung und Kulturvermittlung. Später wechselte sie zu einer Firma, die internationale Theaterspiele organisiert.

Benjamin van Well selbst ist seit September 2013 Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an der Peking-Universität, ein „Traumjob“, wie er sagt.

Der Freien Universität verbunden

Doch nicht nur beruflich haben van Well und Lingshan in China Fuß gefasst, auch privat fühlen sie sich mittlerweile dort zu Hause. Sie haben geheiratet, 2013 kam die gemeinsame Tochter Meihan zur Welt, die im Kindergarten stolz ein T-Shirt der Freien Universität trägt. Van Well und Lingshan haben sich dabei von dem dreijährigen Chen Huaide inspirieren lassen, der vom Präsidenten der Freien Universität Professor Peter-André Alt ein T-Shirt überreicht bekam, als Alt im April 2015 in Peking war. „Uns war klar, dass wir ein solches T-Shirt auch für unsere Tochter wollten“, sagt van Well. Peter-André Alt kennen Lingshan und van Well noch aus ihren Studienzeiten. Beide sind von dem Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft geprüft worden, bevor er Präsident der Hochschule wurde.

Promotion trotz der großen Distanz abgeschlossen

Der Freien Universität ist Benjamin van Well auch nach seinem Studium treu geblieben: In den letzten Jahren hat er an seiner Dissertation in Mediävistik gearbeitet – von China aus kein leichtes Unterfangen. Die Betreuung durch die Mediävistik-Professorin Elke Koch erfolgte größtenteils in Form von Skype-Telefonaten. „Ich bin sehr gut beraten worden, das hat mir enorm geholfen“, sagt er heute. Wichtige Forschungsliteratur, die in Peking nicht verfügbar war, ließ er sich von Freunden in Deutschland einscannen und zuschicken. Zur Verteidigung seiner Arbeit reiste er im Juni nach Berlin, im Dezember soll die Arbeit veröffentlicht werden. Weitere Verbindung zur Freien Universität hält van Well in seiner Funktion als DAAD-Lektor und als Mitglied im chinesischen Alumni-Kreis der Freien Universität. „Dadurch habe ich einigen Kontakt zur Freien Universität auch über den akademischen Rahmen hinaus“, sagt er.

Wo er sich seine Zukunft vorstellt? Grundsätzlich in beiden Ländern: „Ich fühle mich im Moment in China sehr wohl, das ist aber auch immer eine Frage der Jobperspektive.“ Sein Vertrag beim DAAD läuft bis 2017, mit Option auf ein Jahr Verlängerung. Danach müsste er für zwei Jahre nach Deutschland zurück, um erneut für den DAAD als Lektor im Ausland arbeiten zu können. Die Alternative wäre eine Dozententätigkeit an einer anderen Pekinger Universität. Aber auch eine Rückkehr nach Deutschland ist für Benjamin van Well und seine Frau Liu Lingshan denkbar. „Wir überlegen oft, wie wir das machen, aber wir müssen einfach gucken, wie sich das in der Zukunft entwickelt“, sagt van Well. Für seine kleine Tochter hat er allerdings einen Plan: „Ich würde mich natürlich freuen, wenn Meihan mal an der Freien Universität studieren würde.“