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Goldmedaille für einen Pflanzenforscher

Professor H. Walter Lack vom Botanischen Garten und Botanischen Museum von der Linnean Society of London geehrt

26.05.2014

Von der Linnean Society of London für sein Lebenswerk ausgezeichnet: Professor Dr. H. Walter Lack vom Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem.

Von der Linnean Society of London für sein Lebenswerk ausgezeichnet: Professor Dr. H. Walter Lack vom Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem.
Bildquelle: David Ausserhofer

Das Bitterkraut Picris evae benannte der Biologe Prof. Dr. H. Walter Lack nach seiner Frau Eva. Das Aussehen der Pflanze - lange blonde Haare, die vom Kopf des Krauts herunterhingen - erinnerte ihn an sie.

Das Bitterkraut Picris evae benannte der Biologe Prof. Dr. H. Walter Lack nach seiner Frau Eva. Das Aussehen der Pflanze - lange blonde Haare, die vom Kopf des Krauts herunterhingen - erinnerte ihn an sie.
Bildquelle: Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem

Mit einer der international bedeutendsten Ehrungen für Botaniker hat die Linnean Society of London Professor H. Walter Lack, Leiter der Abteilung Wissenskommunikation am Botanischen Garten und Botanischen Museum in Berlin-Dahlem, ausgezeichnet. Die Linnean Gold Medal, benannt nach dem schwedischen Biologen Carl von Linné, wird jährlich einem Botaniker oder Zoologen für sein Lebenswerk verliehen. Lack begann 1975 als wissenschaftlicher Angestellter am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem und ist seit 1990 Professor an der Freien Universität ist. Campus.leben sprach mit dem Biologen, der zur Geschichte der Pflanzentaxonomie forscht, der botanischen Arbeit Alexander von Humboldts und der botanischen Illustration.

Herr Professor Lack, die Linnean Society zeichnet Sie für Ihr Lebenswerk aus. Wenn Sie selber auf das Geleistete zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz?

Meine Arbeit ist insofern ungewöhnlich für einen Biologen, als ich mich nie auf ein bestimmtes Gebiet habe festlegen lassen. Ich hatte immer sehr vielfältige Interessen. So wurde zum Beispiel meine Forschung über die Kastanienminiermotte, einen kleinen Schmetterling, viel gelesen und zitiert. Dabei gehören Insekten nicht zu meinen Forschungsschwerpunkten. Besonders stolz bin ich auf ein häufig zitiertes, grundlegendes Werk zur Erforschung der Flora Griechenlands, Zyperns und der westlichen Türkei.

Bekannt geworden sind Sie als Pflanzenforscher. Gibt es eine Pflanze, die Sie besonders fasziniert?

Ich habe meine Doktorarbeit über Bitterkräuter (Picris) geschrieben. Bald darauf schickten mir australische Kollegen Material von dort beheimateten Picris-Arten zu. Darunter war eine Pflanze, die mir sofort ins Auge stach. Ich wusste gleich, die ist für die Wissenschaft neu, das heißt, sie ist noch nicht beschrieben worden. Ich habe sie dann kultiviert und untersucht. Es war eine sehr auffällige, leicht erkennbare Pflanze: köpfchenförmige Blütenstände, so ähnlich wie beim Löwenzahn, aber gut zwei Meter hoch, weit verzweigt. Von den Köpfchen hingen lange blonde Haare. Sie erinnerten mich an meine Frau Eva, deshalb habe ich die Pflanze ihr gewidmet und Picris evae genannt.

Wie ist Ihr Interesse an der Botanik entstanden?

Ich hatte das Glück, in einem Elternhaus mit Garten aufzuwachsen. Meine Eltern haben auch eine Bienenzucht betrieben. Ich war also früh viel in der Natur, später hatte ich gute Biologie-Lehrer. Mit 15 habe ich für den Park, der zu meinem Gymnasium in Wien gehörte, eine Flora geschrieben, also eine Liste der Bäume und Sträucher. Das waren meine ersten Schritte in Richtung Botanik.

Sie haben in Wien Biologie studiert und nach ihrer Doktorarbeit eine wissenschaftliche Position am Botanischen Garten und Botanischen Museum in Berlin-Dahlem angetreten. Was waren dort Ihre Aufgaben?

Zunächst war ich nur für einen Teil des Herbariums zuständig. Rasch vergrößerte sich mein Verantwortungsbereich, ich betreute die sehr umfangreiche Bibliothek und die Publikationen der Institution. Dadurch bin ich in die Geschichte der Biodiversitätsforschung hineingewachsen. In der Biologie ist ja die exakte Benennung von Organismen ganz wesentlich. Es gibt eine internationale Übereinkunft, dass der älteste Name einer Pflanze angewandt werden muss. Man muss dabei bis zum 1. Mai 1753 zurückgehen. An diesem Tag führte Carl von Linné die binäre Nomenklatur ein, seither besteht der Name jeder Art aus zwei Elementen, dem Gattungsnamen und der Artbezeichnung – wie zum Beispiel Homo sapiens für den modernen Menschen. Diese Arbeit hatte zur Konsequenz, dass ich mich auch mit dem damaligen Stand des Wissens beschäftigen musste, damit, wo die Sammlungen geblieben sind, und an welchen Orten die Forscher unterwegs waren.

Neben der Geschichte von Pflanzen haben Sie sich viel mit botanischer Illustration beschäftigt. Heute ist die Fotografie sehr weit entwickelt, braucht es da noch wissenschaftliche Zeichner?

Denken Sie mal an die Komplexität einer Orchideenblüte. Ein Zeichner kann diese darstellen, auch Schnitte und verschiedene Ebenen. Ein Foto ist einer Zeichnung auch heute noch unterlegen. Naturgetreue Illustrationen geben sehr rasch und sehr effektiv einen Eindruck von einer Pflanze, man kann die wesentlichen Merkmale einer Pflanze schnell erkennen – besser als in einem langen Text.

Ihnen wurde am 23. Mai, dem Geburtstag Carl von Linnés, eine nach ihm benannte Auszeichnung verliehen. Was bedeutet Linné für Ihr Schaffen?

Linné war der Übervater der Botanik – aus drei Gründen. Er hat das sogenannte Sexualsystem entwickelt, mit dem große Gruppen von Pflanzen effektiv voneinander unterschieden werden können. Er hat die binäre Nomenklatur eingeführt. Und er war ein Mensch, der es verstanden hat, sein Wissen wirkungsvoll zu kommunizieren. Er hat zum Beispiel die Schönheit des späten Frühlings in Skandinavien in Texten beschrieben, die in Schweden so populär sind wie Goethe hier. Das ist eine faszinierende Mischung, wenn jemand einen analytisch-kritischen Verstand hat, aber auch ein guter Vermittler ist.

Sie haben 39 Jahre lang am Botanischen Garten und Botanischen Museum gearbeitet, nun gehen Sie in den Ruhestand. Wie werden Sie den Pflanzen künftig verbunden bleiben?

Ich arbeite zurzeit an einem Buch über die Brüder Josef, Franz und Ferdinand Bauer, drei bedeutende botanische Zeichner. Das möchte ich fertigstellen, außerdem plane ich noch die eine oder andere Lehrveranstaltung. Und dann freue mich, mehr Zeit für meinen Garten und meine vier Enkelkinder zu haben.

Die Fragen stellte Bianca Schröder