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Gefühlswelten neu entdecken

Birgitt Röttger-Rössler ist neue Professorin für Ethnologie am Exzellenzcluster "Languages of Emotion"

11.12.2008

Birgitt Röttger-Rössler, seit diesem Semester neue Professorin für Ethnologie

Birgitt Röttger-Rössler, seit diesem Semester neue Professorin für Ethnologie
Bildquelle: privat

Eine U-Bahn-Fahrt durch Berlin kann durchaus etwas von einer Expedition in fremde Welten haben. Für die Ethnologin Birgitt Röttger-Rössler hat der öffentliche Nahverkehr manchmal etwas von Feldforschung: „Man analysiert Menschen und ihr Sozialverhalten fast automatisch – und fragt sich: Welche kulturellen Schlüsse lässt es zu?“

Ob Macho-Pose, lautes Mädchenlachen oder Imponiergehabe: das Verhalten von Menschen interessiert Birgitt Röttger-Rössler als Forscherin auch in ihrer Freizeit. Den wissenschaftlichen Blick, sagt sie, könne man eben nicht so einfach absetzen wie eine Brille. Schon seit einigen Jahren liegt der Schwerpunkt ihrer Forschung auf dem Gebiet der ethnologischen Emotionsforschung. Sie interessiert sich für die unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen von Gefühlen, die Sozialisation von Emotionen und ihre Funktionen innerhalb einer Gesellschaft - vor allem in südostasiatischen Gesellschaften.

Brückenschlag zwischen Natur- und Kulturwissenschaften

Birgitt Röttger-Rössler studierte Ethnologie, Anthropologie, Malaiologie und Volkskunde an den Universitäten Göttingen, Zürich, Köln und Bonn. 1988 promovierte sie in Köln und habilitierte 2001 an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen. Von 2003 bis 2006 leitete sie gemeinsam mit dem Hirnforscher Hans Markowitsch eine internationale Forschungsgruppe zum Thema "Emotionen als bio-kulturelle Prozesse" am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. Die Zusammenarbeit von Forschern so unterschiedlicher Fachrichtungen – wie Neurologie, Biologie, Geschichtswissenschaft Psychologie, Philosophie, oder Soziologie - sollte vor allem einen Brückenschlag zwischen Natur- und Kulturwissenschaften im Bereich der Emotionsforschung  leisten. „Ein echtes „Aha-Erlebnis“ waren für mich die Arbeiten aus der Neurowissenschaft, die die Plastizität des Gehirns und seine beständigen umweltbezogenen Modulationsleistungen belegen. Diese Erkenntnisse haben auch meinen wissenschaftlichen Blick auf das Thema sehr erweitert“, erzählt Röttger-Rössler.

Wie kulturelle Faktoren die emotionale Entwicklung beeinflussen

Am Institut für Ethnologie und dem Exzellenzcluster „Languages of Emotions“ möchte sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit deshalb auch fortsetzen. Ihr zentrales Forschungsinteresse gilt zurzeit dem Einfluss kultureller Faktoren auf die emotionale Entwicklung in Kindheit und Jugend. Hierzu wird sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern am Cluster „Languages of Emotion“ sowie im Rahmen eines weiteren DFG-Projektes kulturvergleichende Untersuchungen in Indonesien, Madagaskar und Marokko durchführen. Ein weiteres psychologisch-ethnologisches Projekt, an dem sie beteiligt ist, beschäftigt sich mit „Ehre und Schande“, genauer mit den Normen, die das Erleben, den Ausdruck und die Regulation von Scham, Stolz und Ärger in deutsch- und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen prägen. Darüberhinaus betreut sie ein Forschungsprojekt zum Thema „Kollidierende Gefühlswelten“, das sich mit emotionalen Konflikten in Migrationskontexten auseinandersetzt. 

Doch auch an weiteren Ideen mangelt es ihr nicht. „Hochinteressant ist auch die Rolle von Emotionen in der Rechtssprechung. Denken Sie nur daran, welche Bedeutung „Reue“ und Reueperformanzen vor Gericht für die Höhe des Strafmaßes haben“, sagt Röttger-Rössler. Ein solches Projekt würde auch eine enge Kooperation mit Juristen bedeuten - und Forschungsneuland. Für die Ethnologin eine spannende Herausforderung: „Hier herrscht auf jeden Fall richtig Aufbruchsstimmung.“