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Umfassende Gelehrsamkeit in Person

In Gedenken an Karlfried Gründer, Philosophie-Professor an der Freien Universität Berlin

19.04.2011

Umfassende Gelehrsamkeit in Person: Karlfried Gründer.

Umfassende Gelehrsamkeit in Person: Karlfried Gründer.
Bildquelle: Schwabe Verlag

Karlfried Gründer stammte aus Schlesien, und er blieb seiner Herkunft als preußischer Schlesier, auf seine eigenwillige und eigensinnige, stets reflexiv gebrochene Weise sein Leben lang verbunden – auch wenn er hin- und hergerissen war zwischen dem Südwesten und dem Osten Deutschlands.

Am 23. April 1928 im niederschlesischen Marklissa geboren, zählte er zur „Flakhelfer-Generation“: Notabitur, in den letzten Kriegstagen noch Soldat, der erfolglose Versuch, Berlin zu verteidigen. Nach dem Krieg studierte er zunächst in Freiburg, gemeinsam mit Peter Szondi und Ernst Tugendhat hörte er die Privatvorlesungen des Philosophen Martin Heidegger; er war auch vom Germanisten Walter Rehm sehr beeindruckt.

Philosophiehistoriker

Gelegentlich machte er Abstecher nach Zürich, um protestantische Theologie bei Fritz Blanke zu hören. Aus dieser Zeit stammte seine Bekanntschaft mit Erwin Metzke, dessen Studien zur Philosophiegeschichte er 1961 edierte. So entwickelte sich die Mischung, die für ihn charakteristisch war: Er war Philosophiehistoriker – Philosoph mochte er sich weder nennen noch nennen lassen –, Literaturwissenschaftler, lutherischer Theologe zugleich; einen engen Begriff von Philosophie als Wissenschaft vertrat er nie.

Anfang der 1950er Jahre wechselte Gründer nach Münster. Dort war von Beginn an Mitglied beim legendären „Collegium Philosophicum“ Joachim Ritters, dem sogenannten Mistbeet der Ritter-Schule. 1954 wurde er mit einer Arbeit über Johann Georg Hamann bei Ritter promoviert. Hamann war ein Autor, der Gründers Neigungen entsprach, biblischer und zugleich spekulativer Theologe, Literat, Kritiker, Philosoph.

Neben Hamann galt Gründers Aufmerksamkeit vor allem der Hermeneutik aus dem Umkreis Wilhelm Diltheys. Er widmete Paul Graf von Wartenburg, dem Freund und Anreger Diltheys, eine umfangreiche Studie, mit der er 1965 in Münster habilitiert wurde.

1969 wurde Gründer nach Bochum berufen; er war schon damals Mitglied des Herausgeberkreises des „Historischen Wörterbuchs der Philosophie“, dessen Hauptherausgeber er 1976 nach dem Tod von Joachim Ritter wurde. Als er 1978 an die Freie Universität berufen wurde, brachte er dieses Projekt mit nach Berlin. Von Band vier bis elf hat er daran gearbeitet, das Flaggschiff der deutschen Philosophiegeschichte ständig zu verbessern. Was philosophische Begriffsgeschichte leisten kann, ist jedoch erst in seiner Zeit als Hauptherausgeber deutlich geworden.

Wichtigstes Lexikon der Geistesgeschichte

Durch die Öffnung der Philosophie zur Theologie, Geschichte und Literaturwissenschaft, die seinem Verständnis von Gelehrsamkeit und Bildung entsprach, wurde das Historische Wörterbuch der Philosophie zum wichtigsten Lexikon der Geistesgeschichte nicht nur im deutschsprachigen Raum.

Gründer leitete die Redaktion des „Historischen Wörterbuchs der Philosophie“, wobei ihn Margarita Kranz unterstützte, bis zu seiner Emeritierung 1996, obwohl seine Gesundheit in den letzten Jahren nicht mehr recht mitmachen wollte. Er hat den Löwenanteil des Wörterbuchs an der Freien Universität redigiert, angeregt, verbessert und organisiert; Gottfried Gabriel, sein Nachfolger in der Herausgeberschaft, konnte auf Gründers Grundlagen das Lexikon, das er bei Band 11 übernommen hatte, im Jahr 2007 mit dem 13., dem Registerband, abschließen.

Nach seiner Emeritierung lebte Gründer aus gesundheitlichen Gründen im Hochschwarzwald. Hier war er auch in der Nähe Freiburgs, der Stadt, an der er seit Studienzeiten hing. Karlfried Gründer starb dort am 12. März 2011.

Das Archiv des „Historischen Wörterbuchs der Philosophie" wird im Universitätsarchiv der Freien Universität bewahrt.