Gründungsaufruf vom 23. Juli 1948
Das Originaldokument können Sie im Universitätsarchiv einsehen.
Vorbereitender Ausschuss zur Gründung einer freien Universität Berlin
Tel.: 76 58 41
Berlin-Dahlen, Boltzmannstr. 4
23. Juli 1948
Auf einer Versammlung am 19. Juni 1948 beschlossen etwa 50 führende Persönlichkeiten des Berliner politischen, geistigen und akademischen Lebens, eine freie Universität sei eine Notwendigkeit in dem Ringen um ein freies Berlin. Die Studenten hatten es gefordert; das Stadtparlament hatte es mit einer überwältigenden Mehrheit beschlossen, konnte aber den Plan nicht ohne Viermächteeinigung verwirklichen; jede Möglichkeit, die alte Universität Unter den Linden unter den Magistrat zu bringen, war erschöpft.
Überzeugt, dass nur ein freiwilliger Zusammenschluss von Bürgern diese Aufgabe durchführen könnte, benannte die Versammlung einen Ausschuss und wählte Prof. Ernst Reuter, den gewählten Oberbürgermeister zum Vorsitzenden. Prof. Edwin Redslob vom Tagesspiegel wurde sein Stellvertreter. Unter den Mitgliedern befinden sich Prof. Kurt Landsberg (CDU), Carl Hubert Schwennicke (LDP), Prof. Paul Altenberg von der TU, Otto Hess, einer der relegierten Studenten und andere Vertreter des kulturellen Lebens.
Der Ausschuss hat die Möglichkeiten hinsichtlich Fakultäten, Lehrkörper, Räumen, Büchern und Geldquellen geprüft und konstatierte, dass sich das Unternehmen verwirklichen lässt. Es wird geplant, im Oktober anzufangen.
Nachstehend das angekündigte Manifest an die Öffentlichkeit.
Aufruf zur Gründung einer freien Universität Berlin
Die Stadt Berlin hat durch ihre entschlossene Haltung gegenüber brutalen Methoden bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, sich zum zweiten Male das Joch totalitärer Zwänge auflegen zu lassen und das Gut der Freiheit preiszugeben. In diesem Ringen ist es notwendig, das akademische Studium vor Einflüssen zu bewahren, welche die Ehrlichkeit und Selbständigkeit von Lehre und Forschung bedrohen.
Der Forderung nach einer unabhängigen Stätte der wissenschaftlichen Ausbildung hat die Berliner Stadtverordnetenversammlung entsprochen und mit überwältigender Mehrheit die Schaffung einer freien Universität in den Westsektoren beschlossen. Es bedarf aber der Mitwirkung weiter Kreise, um diesen Beschluss zu verwirklichen, der vom Magistrat allein nicht durchgeführt werden kann, weil dazu die einstimmige Genehmigung aller vier Besatzungsmächte nötig wäre.
Von dem Willen der Bevölkerung getragen, wendet sich daher ein aus freier Initiative gebildeter Ausschuss an die Öffentlichkeit und ruft zur schnellen und tätigen Unterstützung auf. Es geht um die Errichtung einer freien Universität, die der Wahrheit und ihrer selbst willen dient. Jeder Studierende soll wissen, dass er sich dort im Sinne echter Demokratie frei zur Persönlichkeit entfalten kann und nicht zum Objekt einseitiger Propaganda wird. Jeder Dozent soll hier frei von Furcht und ohne einseitige Bindung an parteipolitische Doktrin lehren und forschen können. Aus dem Geiste der Selbstbehauptung heraus, mit der sich unsere Stadt gegen die Blockade erhob, soll diese Universität erstehen und als geistiger Mittelpunkt des freiheitlichen Berlins der Gesundung Deutschlands dienen.
Wir rufen alle Menschen des Inlandes und des Auslandes, die sich dem Geist der Freiheit und der Wahrheit verpflichtet fühlen. Wir rufen die Vertreter der deutschen und der alliierten Behörden, und damit alle, denen der Schutz des Individuums und seiner Rechte anvertraut ist. Wir rufen die Jugend aller Länder, insbesondere die Studierenden der freiheitlich wirkenden Universitäten, Akademien und Hochschulen. Wir rufen die deutschen Professoren und Dozenten und ebenso die akademischen Lehrer im Ausland, uns ihre Mitwirkung durch Gastvorlesungen oder in anderer Form zu gewähren. Wir rufen Freunde und Gönner in aller Welt und bitten, die Gründung mit Geld und Lehrmitteln zu unterstützen.
Über den Fortschritt der Arbeit und über den Erfolg dieses Aufrufes werden wir der Öffentlichkeit Berichte geben.
Berlin-Dahlen,
Boltzmannstraße 4
Tel.: 76 58 41
23. Juli 1948
Der Vorbereitende Ausschuss:
Prof. Dr. Ernst Reuter, Prof. Dr. Edwin Redslob, Prof. Dr. Paul Altenberg, Dr. Hermann Bomann, stud. med. Otto Hess, Prof. Theodor Jakobi, Karl Kleikamp, Prof. Kurt Landsberg, cand. phys. Hans Ringmann, Dipl.-Ing. Carl Hubert Schwennicke