Springe direkt zu Inhalt

Begrüßungsrede des Präsidenten

Begrüßungsrede des Präsidenten zur feierlichen Immatrikulation im Wintersemester 2006 / 2007

Prof. Dr. Dieter Lenzen

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Studierende!

Beinahe hätte ich Sie heute Morgen mit den Worten begrüßen können: “Seien Sie willkommen an einer der deutschen Exzellenz-Universitäten!” Dabei hätte ich Bezug genommen auf einen Vorgang, den Sie aus der Presse kennen: den so genannten Exzellenz-Wettbewerb des Bundes und der Länder.

Was ist das? Und was hat das mit Ihnen zu tun? Das ist eine etwas längere Geschichte, und Sie müssen gut zuhören, weil es etwas mit Ihnen zu tun hat.

Vor zwei Jahren hat die damalige Bundesregierung entschieden, insgesamt 1,9 Mrd. Euro den Universitäten im Rahmen eines Wettbewerbs anzubieten. Dieses Geld ist reserviert für Forschung und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die deutschen Universitäten konnten sich im Rahmen von drei so genannten Förderlinien um dieses Geld bewerben: Wir konnten Vorschläge einreichen für die Gründung so genannter Clusters. Das sind Schwerpunkte der Forschung, die auf exzellentem – also Weltniveau – an einer Universität stattfindet. Für diese geballte Forschungskompetenz stehen jährlich 7 Mio. Euro zur Verfügung.

Des Weiteren konnte man sich bewerben für die Gründung so genannter Graduiertenschulen. Das sind Ausbildungseinrichtungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, also für Doktoranden. In ihnen soll der wissenschaftliche Nachwuchs für Universitäten, Fachhochschulen, aber auch andere Forschungseinrichtungen, öffentlich wie privat, ausgebildet werden. Unser Ziel wird es sein, dass rund zehn Prozent von Ihnen im Laufe der nächsten zehn Jahre bei uns oder anderswo – am besten natürlich bei uns – einen Doktortitel erwerben. Wenn Sie eine solche Graduiertenschule besuchen werden, erhalten Sie eine gründliche methodische Ausbildung, die Ihnen den Weg in die Wissenschaften öffnet.

Im Rahmen der so genannten dritten Förderlinie konnten dann Zukunftskonzepte für die Forschung an der gesamten Universität eingereicht werden. Damit waren und sind Konzeptionen gemeint, mit denen eine Universität es schaffen will, international den Anschluss zu schaffen und auf einem Niveau wie Stanford, Harvard, Beida oder Todai, also unter den ersten 50 oder wenigstens 100 Weltuniversitäten mitzuspielen. Denn das tun wir gegenwärtig nicht. Keine der deutschen Universitäten gehört zur Weltelite. Das muss Ihnen klar sein, wenn Sie hier studieren. Das heißt nicht, dass einzelne Fächer und einzelne Wissenschaftler nicht tatsächlich auf Weltniveau agieren. Aber von einem Wettbewerb mit Harvard, Stanford u. a. sind wir noch weit entfernt.

Sie wissen immer noch nicht, was das mit Ihnen zu tun hat? – Es ist ganz einfach: Fünfzig oder mehr Prozent von Ihnen werden in zehn Jahren weder im öffentlichen Dienst noch in einem deutschen Unternehmen arbeiten, das nur innerhalb Deutschlands operiert. Das heißt, der Wettbewerb, in dem wir als Universität stehen, ist auch Ihr Wettbewerb. Deshalb kommt es für Sie darauf an, an einer Universität studiert zu haben, die international angesehen oder zumindest bekannt ist. Ihre Chancen werden einfach besser sein, als wenn Sie an der Universität Helmstedt, Gronau oder Donau-Eschingen studieren. Ganz recht, dort gibt es keine Universitäten. Und: Gilt dieses nun für die Freie Universität Berlin? Die Antwort ist einfach. Sie heißt: Ja.

Um das zu verstehen, müssen Sie ein bisschen über unsere Geschichte wissen: Die Freie Universität wurde 1948 gegründet. Sie heißt deswegen Freie Universität, weil sie im Gegensatz zur Humboldt-Universität im damals kommunistischen Sektor Berlins eine Garantie für staatlich unbevormundete, eben freie Forschung und Lehre war. Sie war gegründet worden von Studierenden, die durch die Machthaber in Ostberlin und die Sowjets relegiert, verhaftet und – wie wir inzwischen wissen – teilweise sogar ermordet wurden. Diese Universität erfreute sich von ihrem Gründungstag an zweier Tatsachen, die für ihren Erfolg wesentlich gewesen sind: Zum einen den unbeirrbaren Willen ihrer Mitglieder, gegen staatliche Indoktrination und kommunistische Gewaltherrschaft anzutreten, und zum anderen der breiten internationalen Unterstützung besonders der Vereinigten Staaten von Amerika. In jenen Jahren ist damals der Grundstein für ein internationales Netzwerk entstanden, das in den Jahrzehnten seit 1948 immer weiter ausgebaut wurde und das heute die Basis für unseren Erfolg darstellt.

Dies ist der Grund, weswegen die Freie Universität Berlin im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs mit einem Zukunftskonzept angetreten ist, das den Namen „International Network University“ hat.

Was meinen wir damit? Dieses wird eine Universität sein, die ihre internationalen Netzwerke nutzt und produktiv einbringt. Aus diesem Grunde entsteht hier in Berlin ein Zentrum für internationalen Austausch. Und an verschiedenen Plätzen der Erde werden wir kleine Filialen unterhalten, mal als Büro, mal als Einrichtungen, an denen man studieren kann. Im Augenblick sind das New York, Moskau, Peking, Dubai, und es werden sein São Paulo, New Delhi u. a. Sie werden von diesem System profitieren, wenn Sie einen Praktikumsplatz in einem dieser Länder suchen, wenn Sie dort promovieren wollen, wenn Sie Forschungsergebnisse darstellen wollen, die Sie etwa im Rahmen Ihrer Master- oder Doktorarbeit entwickelt haben und vieles andere mehr.

Eine Universität, die sich international versteht, darf nicht provinziell sein. Das heißt, dass die Freie Universität besonders offen ist für ausländische Studierende und Lehrende. Es ist unser Ziel, dass 25 Prozent aller Studierenden und Lehrenden nicht-deutscher Herkunft sind und ein Stück dieser Welt nach Dahlem tragen, an einen Ort, der seit 100 Jahren ein weltbekannter Ort der Wissenschaft ist, an dem Einstein, Hahn, Haber, Lise Meitner und viele andere Wissenschaftsgeschichte geschrieben haben. Dahlem ist ein Ort, an dem außer der Freien Universität zahlreiche andere wissenschaftliche Einrichtungen von der Max-Planck-Gesellschaft bis zur Bundesanstalt für Materialprüfung forschen und entwickeln. Einer der größten überhaupt.

Was ist nun aus dem Wettbewerb für die Freie Universität geworden? Sie haben es vielleicht schon der Presse entnommen:

Wir waren erfolgreich mit der „Graduate School of North American Studies“, der „Berlin Mathematical School“ der drei Berliner Universitäten und unserem Konzept für die Zukunft der gesamten Universität.

Leider haben diese Voraussetzungen noch nicht gereicht, um auch in der zweiten Disziplin erfolgreich zu sein, den „Clusters of Excellence“. Der Antrag des Otto-Suhr-Instituts war leider nicht erfolgreich. Das hat dazu geführt, dass wir entsprechend den Wettbewerbsregeln auch mit dem Antrag in der dritten Förderlinie, dem Zukunftskonzept der FU, warten müssen. Dieses wurde hervorragend bewertet, wird aber wegen des Fehlens der Voraussetzungen in der zweiten Förderlinie zunächst zurückgestellt bis zum nächsten Jahr. Soeben hat eine zweite Staffel des Wettbewerbs begonnen. Auch hier sind wir wieder mit dabei und hoffen, ganz sicher im nächsten Herbst erfolgreich zu sein. Sind wir deshalb keine exzellente Universität? – Nein, natürlich nicht. Es ist heute üblich geworden, die Leistung einer Universität in so genannten Rankings zu messen. Da gibt es sehr erfolgreiche Fächer und sicher auch solche, die eher mittelmäßig sind. Es gibt Bereiche, in denen die Leistung unserer Wissenschaftler glänzt, in anderen gibt es Nachholbedarf. So freuen wir uns besonders, im Times Higher Education Supplement von Platz 172 auf Platz 148 aufgerückt zu sein. Wenn man all die Rankings, die existieren, nebeneinander schreibt und fragt, wie oft eine deutsche Universität unter den zehn besten ist, dann ist die Antwort überraschend und für Sie erfreulich: Die Freie Universität Berlin ist auf dem ersten Platz. Sie hat die meisten Hits, wenn man alle Rankings zusammen nimmt. So gesehen sind Sie also immatrikuliert an Deutschlands Nr. 1. Eine gute Voraussetzung für eine sichere Zukunft. Dazwischen liegt allerdings noch Ihre Leistung.

Was erwarte ich von Ihnen? Ich möchte, dass Sie versuchen, mit demselben Geist der Verhaltenssicherheit und Weltoffenheit an dieser Universität zu studieren, mit dem ihre Gründer damals unter schwersten Bedingungen und harten Entbehrungen begonnen haben. Wir sind eine Arbeits- und keine Spaßuniversität. Niemand erwartet heute von Ihnen, dass Sie, wie die Gründer, sich Ihr Brennholz, Ihren Stuhl und Ihre Bücher selbst mitbringen, sondern Sie finden glänzende Voraussetzungen vor. Das beste Beispiel ist der Foster-Bau, 30 Meter den Flur entlang, ein hinreißendes architektonisches, fast möchte man sagen: Wunder, das ein Wahrzeichen für unsere Universität geworden ist. Also keine Entbehrungen dieser Art, aber doch die Bitte um Anstrengung. Es hat uns alle sehr viel Anstrengung gekostet, dort zu stehen, wo wir nun stehen, und es wird Ihren Beitrag erfordern, diesen Status zu halten, ebenso wie den der Wissenschaftler, die diese hervorragenden Leistungen fertig bekommen haben. Sie treffen auf ein neu gestaltetes Studium, auf die internationalen BA- und MA-Studiengänge und auf ein elektronisches Campus-Management. Die Europäisierung der Studiengänge, das ist die Absicht der Europäischen Union gewesen, bringt selbstverständlich eine Standardisierung und damit weniger Willkür und Beliebigkeit mit sich, denn das ist das Ziel: dass Sie überall in Europa Ihre Studienleistungen anerkannt bekommen und überall arbeiten können. Das setzt natürlich voraus, dass die Staaten sich darauf verlassen können, dass die Qualitätsstandards überall die gleichen sind. Die Folge sind Einschränkungen bei der Wahl, insbesondere in den BA-Studiengängen, das ist selbstverständlich, aber es bedeutet auch Zuverlässigkeit, mehr Sicherheit und Orientierung. Diese Studiengänge, und das werden Sie erleben, sind wie das Gesamte um sie herum zunächst einmal eine Herausforderung an Ihre Flexibilität und übrigens auch an Ihre Fähigkeit, mit einem Computer umzugehen. Darin sind Sie zweifellos besser als viele von uns, so dass ich nicht glauben kann, dass es heute Abiturienten gibt, die nicht in der Lage sind, sich in ein interaktives System einzuwählen. Wer Ebay kann, kann auch Campus-Management.

Aber über das Studium zu sprechen, heißt auch darüber zu sprechen, was ein Studium kostet. Dazu gehört das viel diskutierte Thema Studiengebühren, bei dem ich Bedenken habe, weil ich eine Zahl aus einem Land der Studiengebühren kenne, die uns zu denken geben sollte, den USA.

Obwohl 55 % der US-Studierenden ein Stipendien erhalten, wirken sich Studiengebühren, die allerdings sehr hoch sein können, sozial selektiv aus: Kinder aus Familien mit einem Einkommen unter 25.000 $ studieren nur zu 52 %, Kinder aus Familien mit einem Einkommen von mehr als 75.000 $ zu 84 %. In Deutschland gibt es aber noch kein Stipendiensystem und nicht einmal ein Darlehensmodell für alle. In dieser Situation halte ich die Einführung von Studiengebühren für nicht vertretbar, auch deshalb nicht, weil gerade in unserem Land aufgrund der demographischen Entwicklung der Bedarf an Akademikern in den nächsten Jahrzehnten immens sein wird.

Aber verlassen wir den operativen Alltag und kehren wir in diese Stunde zurück. Sie ist gezeichnet von einem einzigartigen Erfolg der Freien Universität, von Ihrer Aufnahme hier in Dahlem, von einem kleinen Begrüßungsgeschenk für Sie alle, einer Tasche mit unserem Siegel, das für Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit steht. Und sie ist gekennzeichnet durch ein ganz besonderes Ereignis, das gleich auf uns wartet, Sie werden nämlich begrüßt von Sandra Maischberger.

Ich sage Ihnen jetzt erst einmal: Herzlich Willkommen und viel Erfolg!!!