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Offener Brief: Gute Arbeitsbedingungen für gute Lehre!

Der Gesamtpersonalrat unterstützt und unterzeichnet den nachstehenden Offenen Brief "Gute Arbeitsbedingungen für gute Lehre!"

News vom 12.01.2023

An die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, an die Staatssekretärin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung sowie die Sprecher*innen und Mitglieder der Ausschüsse für Wissenschaft und Forschung und für Bildung, Jugend und Familie

 Sehr geehrte Frau Gote, sehr geehrte Frau Naghipour, sehr geehrte Abgeordnete und Sprecher*innen,

Wir begrüßen die Überarbeitung der Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO). Zugleich betrachten wir diese als bei weitem nicht hinreichend, um gute Lehre nachhaltig zu sichern. Wir schließen uns daher den Forderungen der Landesvertretung Akademischer Mittelbau (LAMB) sowie der GEW Berlin an.

Aus der Lehrkräftebildung kommend möchten wir aus unserer beruflichen Erfahrung heraus Stellung zu den geplanten Änderungen der LVVO nehmen. Wir beziehen wir uns im Folgenden vor allem auf die Lehrverpflichtung für Hochdeputatsstellen sowie auf die Anrechnung von Abschlussarbeiten und der Betreuung im Praxissemester.

Die vorgesehenen Regelungen widersprechen aus unserer Sicht dem Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre und behindern damit Nachwuchsförderung und Gleichstellung. Vor allem aber wirken sie sich negativ auf die Qualität der Lehre und damit auch auf die Quantität der Abschlüsse in der Lehrkräftebildung aus. Wir möchten diese Punkte nachfolgend kurz erläutern:

Einheit von Forschung und Lehre

Hochdeputatsstellen widersprechen dem universitären Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Lehre, geschweige denn der Einbezug von diesen Lehrenden in die Forschung wird auf diese Weise verunmöglicht.

Nachwuchsförderung

Hochdeputatsstellen stellen unter den vorgesehenen Bedingungen weiterhin ein wissenschaftliches Abstellgleis dar. Dies trifft in besonderem Maße auf Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben (LfbA) zu, für die im Entwurf für die neue LVVO weiterhin keine Reduktion ihres Lehrdeputats vorgesehen und somit eine akademische Weiterqualifizierung nahezu ausgeschlossen ist.

Die Stellen sind höchst unattraktiv, was Bezahlung, Belastung und Perspektiven angeht. Dies führt dazu, dass es für ausgeschriebene Stellen trotz Entfristungen kaum Bewerber*innen gibt. Gerade Lehrende mit Praxiserfahrung entscheiden sich lieber für eine planbarere und auch finanziell attraktivere Laufbahn im Schuldienst. Dies führt wiederum dazu, dass sich bei Ausschreibungen für Didaktikprofessuren kaum Kandidat*innen finden, welche die Vorgabe der dreijährigen schulpraktischen Erfahrungen erfüllen.

Gleichstellung

Auch unter Gleichstellungsaspekten betrachtet wirken sich Hochdeputatsstellen negativ aus. So sind Stellen der Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mit Schwerpunkt in der Lehre und LfbA-Stellen in der Erziehungswissenschaft überwiegend von Frauen besetzt, während der Anteil männlicher Stelleninhaber auf karrierefreundlicheren Qualifikationsstellen oder Dauerstellen mit 8 LVS im Verhältnis deutlich höher ist.

Qualität der Lehre

Qualitativ hochwertige Lehrformate, die den individuellen Bedürfnissen einer heterogenen Studierendenschaft gerecht werden, sind unter den herrschenden Bedingungen nicht bzw. nur um den Preis unverhältnismäßig hoher Belastungen durchführbar. Dies gilt ebenso für hochschuldidaktische Fort- und Weiterbildungen, die Weiterentwicklung innovativer Lehrformate und Projekte, Vernetzung sowie Aufbau und Pflege von Kooperationen mit Schulen und anderen außeruniversitären Partner*innen.

Ein besonderer Fall ist die Betreuung von Lehramtsstudierenden im Praxissemester. Diese intensive Einzelbetreuung umfasst Hospitationen und Reflexionsgespräche in der Praktikumsschule der Studierenden inklusive Vor- und Nachbereitung sowie teilweise lange Fahrtwege. Diese Betreuung ist auf Grundlage der vorgesehenen Deputatsanrechnungen nicht zu leisten.

Abbruchquoten und verzögerte Abschlüsse in der Lehrkräftebildung

Die Höhe der Lehrbelastung geht nicht zuletzt auf Kosten der Studierenden, die unter den derzeitigen Bedingungen keine optimale und individuelle Betreuung im Studium erhalten können. Dies hat zur Folge, dass Studierende ihr Studium abbrechen oder aber nicht innerhalb der Regelstudienzeit absolvieren können, da es zu Verzögerungen in der Begutachtung von Prüfungsleistungen kommen kann.

Die vorgesehenen Änderungen fallen hinter die Vereinbarungen zurück, die im Juni 2020 im Rahmen des Programms „Beste (Lehrkräfte-) Bildung für Berlin“ bereits festgeschrieben wurden.

Wir fordern daher

  • eine Reduktion der Lehrdeputate für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit Aufgabenschwerpunkt Lehre auf 12 LVS, wie in der Vereinbarung vorgesehen;
  • eine entsprechende Reduktion der Lehrverpflichtung für LfbA;
  • sowohl für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit Aufgabenschwerpunkt Lehre als auch für LfbA die Möglichkeit der Lehrverpflichtungsreduktion zwecks eigener wissenschaftlicher Qualifikation;
  • eine Anrechnung der Betreuung von Abschlussarbeiten auf das Lehrdeputat für alle Lehrenden;
  • eine angemessene Anrechnung der Betreuung im Praxissemester unabhängig von der Höhe des Lehrdeputats.

Die oben genannten Forderungen sollen selbstverständlich auch für Lehrende außerhalb der Lehrkräftebildung gelten.

Gute Arbeitsbedingungen in der Lehre sind unabdingbare Voraussetzungen für die Sicherung guter schulischer und hochschulischer Bildung und damit letztlich auch der Sicherung exzellenter Forschung!

Wir möchten Sie bitten, sich für dieses Anliegen einzusetzen. Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Romain (WiMi mit Aufgabenschwerpunkt Lehre, FU Berlin)
Dr. Nina Reusch (WiMi mit Aufgabenschwerpunkt Lehre, FU Berlin)

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