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Ausschluss und Unterrepräsentation von Frauen in der französischen Politik: zum historischen Zusammenhang von politischer und sprachlicher Geschlechterordnung

"Aux grands hommes - la patrie reconnaissante" (den großen Männern - das dankbare Vaterland)

"Aux grands hommes - la patrie reconnaissante" (den großen Männern - das dankbare Vaterland)
Bildquelle: Brigitte Rauschenbach

Jutta Hergenhan – 2012

In Frankreich waren Frauen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts politisch stark unterrepräsentiert; ihr Anteil in politischen Wahlgremien überstieg selten 5 %. Diese ausschlussähnliche Unterrepräsentation ist nicht zuletzt Folge einer geschlechterhierarchischen dualistischen Rationalitäts- und Modernitätskonzeption, die das Männliche mit Vernunft, Allgemeinheit und Öffentlichkeit, Weiblichkeit aber mit Gefühl, Subjektivität und Privatheit verknüpft. Während die Identifikation des Männlichen mit dem Universellen und des Weiblichen mit dem Besonderen ein verbreitetes Merkmal der Moderne ist, gehört es zu den Besonderheiten Frankreichs, dass und wie sich die Hierarchie der Geschlechter seit dem 17. Jahrhundert sprachpolitisch äußert und als Ungleichstellung der Geschlechter grammatisch behauptet. Die französische Grammatik ist von der Regel des "generischen Maskulinums" geprägt, die besagt, dass allgemeine Sachverhalte im Maskulinum formuliert werden und dass das Maskulinum über dem Femininum dominiert. In der sprachlichen Praxis bedeutet das, dass Frauen häufig unsichtbar bleiben, weil sie im männlichen Plural mit inbegriffen sind, oder aber dass Frauen im Maskulinum benannt werden, weil dies als geschlechtsneutraler Begriff gilt. Politisch virulent wird dieser Anschein von Neutralität im Prinzip des republikanischen Universalismus, der die Nichtanwesenheit von Frauen in der Politik in Form eines "einschließenden Ausschlusses" bis in die Gegenwart erfolgreich kaschiert hat. Initiativen zur Gleichstellung der Geschlechter in Sprache und Politik haben sich in Frankreich erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts durchzusetzen vermocht. Der vorliegende Beitrag untersucht in den historischen und strukturellen Wechselbeziehungen zwischen französischer Politik und französischer Sprache deren Einfluss auf den "einschließenden Ausschluss" von Frauen und den späten Eintritt der Französinnen in die Politik.

Titel
Ausschluss und Unterrepräsentation von Frauen in der französischen Politik: zum historischen Zusammenhang von politischer und sprachlicher Geschlechterordnung
Verfasser
Jutta Hergenhan
Datum
2012-01
Art
Text

Über die Autorin

 

Jutta Hergenhan wurde am 30. Oktober 1969 in Fulda (Hessen) geboren. Sie studierte von 1991-1996 Politikwissenschaften an der Universität Mannheim, dem Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und am Institut d'Études Politiques (Sciences Po) in Paris. Sie arbeitete in Paris als europapolitische Beraterin und persönliche Referentin für französische Politiker_innen wie die Abgeordnete und ehemalige Europa- und Jus-tizministerin Elisabeth Guigou sowie den früheren Präsidenten der Europäischen Kom-mission Jacques Delors. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Fragen der Geschlechterge-rechtigkeit sowie der demokratischen Verfasstheit der Europäischen Union.

Im November 2011 schloss sie ihre Promotion zum Thema "Geschlecht - Politik - Sprache. Zur Bedeutung von Sprache für den Ausschluss von Frauen aus der Politik: der Fall Frank-reich" ab.

 

Veröffentlichungen der Autorin zu Geschlechterthemen

 

Geschlecht - Politik - Sprache. Zur Bedeutung von Sprache für den Ausschluss von Frauen aus der Politik: der Fall Frankreich (Diss.). Erscheint 2012 im Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus

Zum Verhältnis von Macht und Geschlecht anlässlich des Falles von Dominique Strauss-Kahn. In: gender politik online, Juli 2011:

http://web.fu-berlin.de/gpo/pdf/aktuelles/Hergenhan.pdf, 13 S.

Women and Language in Early Modern France. In: Women in French in Scotland, Ok-tober 2008:

http://wifis.edublogs.org/files/2008/10/jutta-hergenhan-women-and-language-in-early-modern-france.pdf, 5 S.

Feministische Sprachkritik in Frankreich und Deutschland im Spiegel postmoderner Theoriebildung. In: La Clé des langues, September 2008: Link

La féminisation des noms de métier au Québec, en Suisse romande, Belgique franco-phone et en France. Enjeux politiques et arriere plans historiques. In: Seméion, Travaux de sémiologie Nr. 6, Sonderausgabe "Femmes et langues", Februar 2008, S. 91-99

Frankreich: Zum Zusammenhang von Sprache, Politik und Geschlechterordnung. In: Andrea Nachtigall u. a. (Hg.): Gender und Migration. Zwischen Kapitalverwertung, diskursiver Legitimation und sprachlicher Normierung. Berlin, 2006, S. 139-160

'Geleitet von dem Willen der Bürgerinnen und Bürger.' Feministische Betrachtungen zum europäischen Verfassungsvertrag. In: Feministische Studien, 23. Jg., Nr. 2, No-vember 2005, S. 214-227

Das französische Paritätengesetz: Inhalt, Entstehung, Auswirkungen. In: Feministische Studien, 20. Jg., Nr. 2, November 2002, S. 260-262

Vor der zweiten Revolution? Das französische Paritätengesetz. In: An.schläge - das feministische Magazin, Oktober 2001, S. 14f.

 

Kontakt

Jutta Hergenhan

Bouchéstraße 18

12435 Berlin

Tel.: 0 30/22 19 84 45