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Aus der Bibliothek auf die Intensivstation der Charité Berlin

Die Frauenbeauftragte des Fachbereichs Geowissenschaften beschreibt ihre Rückkehr als gelernte Pflegekraft ins Krankenhaus während der Corona-Pandemie

Mehr als Applaus verdienen ehemalige medizinische Fachkräfte wie Carolin Rabethge, die während der Corona-Pandemie in Berliner Krankenhäusern aushalfen.

Mehr als Applaus verdienen ehemalige medizinische Fachkräfte wie Carolin Rabethge, die während der Corona-Pandemie in Berliner Krankenhäusern aushalfen.
Bildquelle: privat

Die Corona-Pandemie, die seit Beginn des Jahres große Teile der Welt beeinflusst, hatte für mich neben den weitreichenden Eindämmungsmaßnahmen auch einen erheblichen Einfluss auf meinen Berufsalltag. Von April bis Juli habe ich vorübergehend wieder in meinem alten Lehrberuf als Gesundheits- und Krankenpflegerin an der Charité Berlin gearbeitet.

Nach meinem Abitur 2008 hatte ich aus all den möglichen Optionen für meine Zukunft zwei für mich ausgewählt: zunächst eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und eventuell ein sich anschließendes Medizinstudium oder der direkte Hochschuleinstieg in Form eines Geologiestudiums. Ich entschied mich zunächst für den medizinischen Weg und begann nach dem Abitur die Ausbildung in Schwerin. Trotz der vielseitigen und spannenden Ausbildung merkte ich früh, dass ich mir eine Zukunft in einem medizinischen Umfeld nur schwer vorstellen kann, da es häufig schwer ist, das soziale Leben mit dem Berufsalltag in Einklang zu bringen. Die hohen körperlichen und psychischen Belastungen über so viele Berufsjahre haben mich einfach abgeschreckt. Die vergleichsweise geringe Bezahlung des Pflegepersonals trägt diesem Umstand in keiner Weise Rechnung. Vieles davon wurde in der aktuellen Diskussion im Zuge der Corona-Pandemie öffentlichkeitswirksam diskutiert. Inwieweit dies langfristig zu verbesserten Arbeitsbedingungen für medizinisches Personal führt, bleibt abzuwarten.

Nach der Ausbildung blieben viele meiner Ausbildungskolleg*innen im Krankenhaus, einige studierten Medizin oder Gesundheitswissenschaften – ich ging als einzige einen völlig neuen Weg. So entschied ich mich gegen eine weitere medizinische Laufbahn und begann im Oktober 2011 das Studium der Geologischen Wissenschaften an der Freien Universität Berlin. Zu Beginn des Studiums habe ich an Wochenenden im Nachtdienst gearbeitet. Doch mit steigenden Anforderungen im Studium ließen sich die Wochenenddienste nicht lange vereinbaren. Seit 2018 promoviere ich am Fachbereich Geowissenschaften und bin dort als Frauenbeauftragte tätig.

Viele Berliner Krankenhäuser riefen ehemalige medizinische Fachkräfte dazu auf, dem Pandemiestab anzugehören

Als die Corona-Pandemie sich seit dem Frühjahr auch in Europa ausbreitete, gerieten bereits erste Länder an die Auslastungsgrenzen ihres Gesundheitssystems. Auch in Deutschland wurde über die drohende Überforderung diskutiert. Mein Arbeitsplatz hatte sich durch den Präsenznotbetrieb der Freien Universität ins Homeoffice verlagert. Zeitgleich schalteten viele Berliner Krankenhäuser Aufrufe an ehemalige medizinische Fachkräfte, während der Corona-Pandemie auszuhelfen und dem Pandemiestab anzugehören. Aufgerufen waren unter anderem Fachkräfte, die mittlerweile in anderen Berufen arbeiten. Ich habe mich aufgrund der Nähe zu meinem Wohnort bei der Charité Berlin gemeldet. Nachdem ich mich auf diesen Aufruf gemeldet hatte, ging alles sehr schnell: Innerhalb einer Woche hatte ich ein Bewerbungsgespräch, wurde eingestellt und stellte mich auf meiner neuen Station vor, einer der Intensivstationen der Charité Berlin. So war ich seit Anfang April wieder als Krankenpflegerin tätig und habe mit meiner Promotion für diesen Zeitraum pausiert; meiner Tätigkeit als dezentrale Frauenbeauftragten bin ich dennoch weiterhin im Homeoffice in meiner Freizeit nachgegangen.

Nach so vielen Jahren wieder in meinem früheren Beruf zu arbeiten, war eine große Umstellung für mich. Trotzdem hat es auch Spaß gemacht, mich wieder mit medizinischen Themen zu beschäftigen und Neues zu lernen. Eine große Umstellung war für mich auch die Arbeit im Wechselschichtdienst. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und sehr gut eingearbeitet. Ich hatte auch das Gefühl, dass sich viele darüber freuen, dass im Notfall tatsächlich viele ehemalige Pflegekräfte in ihren Beruf zurückkehren.

„Danke für euren Einsatz!“ Das Banner hing nach ein paar Wochen nur noch wie ein Fetzen Stoff unleserlich am Zaun

Die öffentliche Stimmung und Wahrnehmung der durch die Pandemie veränderten Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung haben sich in vielerlei Hinsicht in meinem Arbeitsalltag widergespiegelt. Als ich mit der Arbeit im Krankenhaus anfing, war die Anteilnahme in der Bevölkerung groß: Es gab Diskussionen über eine gerechtere Bezahlung des Pflegepersonals, eine Verbesserung des Personalschlüssels, und auch über Bonuszahlungen für das erhöhte Gesundheitsrisiko und die enormen Belastungen durch Corona wurde diskutiert. Es entwickelte sich ein ganz neues Verständnis von systemrelevanten Berufen im Allgemeinen und deren zum großen Teil schlechter Vergütung. Auch dass die system- relevanten Berufe überwiegend von Frauen ausgeübt werden, fand medial Beachtung.

Ich war überrascht, welche direkten Auswirkungen diese neue Beachtung des Berufsstands hatte: Vor dem Krankenhaus hingen Banner mit motivierenden Sprüchen wie „Danke für euren Einsatz!“, auf die Station wurden Kuchen und Süßigkeiten, Mittagsmenüs und Dankeskarten geschickt. Es gab diverse kostenfreie Shuttle-Angebote für medizinisches Personal, damit wir nicht auf den öffentlichen Nahverkehr zugreifen müssen. Doch mit wachsendem Protest gegen die Eindämmungsmaßnahmen und dem steigenden Gefühl, die Pandemie sei überstanden, nahm diese positive Resonanz beständig ab. Ich finde das schade, denn die aktuellen Entwicklungen zeigten zwar zunächst eine Entspannung der Lage an, doch ist diese direkt auf die verordneten Schutzmaßnahmen zurückzuführen. Zum Zeitpunkt meiner Rückkehr in die stationäre Pflege war die erhöhte Belastung des Gesundheitssystems noch deutlich zu spüren. Dies äußerte sich neben der Rationierung von Schutzkleidung für medizinisches Personal auch in Engpässen bei einigen Medikamenten und Material für Beatmungsgeräte. Zu Beginn herrschte noch Ungewissheit, für welche Zeit das Material ausreichen würde. Die Eindämmungsmaßnahmen zeigten jedoch Wirkung und die befürchtete Überlastung blieb glücklicherweise aus. So konnte ich meine Tätigkeit als Pflegerin im Juli zunächst wieder beenden und die Arbeit an meiner Promotion wiederaufnehmen. Übrig bleibt die Hoffnung, dass sich die breite Unterstützung der als systemrelevant eingestuften, aber schlecht bezahlten Berufsfelder durch die Bevölkerung dazu nutzen lässt, die Arbeitsbedingungen langfristig zu verbessern. Und dass der Umgang mit dem Virus objektiv und verantwortungsvoll bleibt, um eine zweite Beanspruchung unseres Gesundheitssystems verhindern zu können.

Das Banner „Danke für Euren Einsatz!“ hing übrigens schon nach ein paar Wochen nur noch wie ein Fetzen Stoff unleserlich am Zaun.