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Die Erschließung des amerikanischen Westens

Der amerikanische Grenzraum – die frontier als Region, Prozess und Mythos

10.06.2009

Das Gemälde „Fortschritt Amerikas“ des US-amerikanischen Künstlers John Gast aus dem Jahren 1872 und 1873. Dargestellt sind die USA als Figur Columbia, die den Fluss Mississippi überschritten hat und die Siedler weiter gen Westen führt.

Das Gemälde „Fortschritt Amerikas“ des US-amerikanischen Künstlers John Gast aus dem Jahren 1872 und 1873. Dargestellt sind die USA als Figur Columbia, die den Fluss Mississippi überschritten hat und die Siedler weiter gen Westen führt.
Bildquelle: Ullstein

Im Jahr 1870 war die Besiedlung des amerikanischen Westen weitgehend abgeschlossen. Zwanzig Jahre später legte das Zensusbüro fest, dass der Grenzraum nicht weiter verschoben wird.

Im Jahr 1870 war die Besiedlung des amerikanischen Westen weitgehend abgeschlossen. Zwanzig Jahre später legte das Zensusbüro fest, dass der Grenzraum nicht weiter verschoben wird.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Das Verhältnis zwischen Siedlern und indianischen Ureinwohnern wurde in vielen Darstellungen idealisiert.

Das Verhältnis zwischen Siedlern und indianischen Ureinwohnern wurde in vielen Darstellungen idealisiert.
Bildquelle: Deutsches Film-Institut, DIF

Der Pfad der Tränen (Trail of Tears) bezeichnet die Umsiedlung von Indianervölkern aus dem fruchtbaren Land im Südosten der USA in das karge Territorium im heutigen Bundesstaat Oklahoma.

Der Pfad der Tränen (Trail of Tears) bezeichnet die Umsiedlung von Indianervölkern aus dem fruchtbaren Land im Südosten der USA in das karge Territorium im heutigen Bundesstaat Oklahoma.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Bei der Besiedlung des amerikanischen Westens mussten weite Entfernungen überbrückt werden. Als Transportmittel waren Pferde unabdingbar.

Bei der Besiedlung des amerikanischen Westens mussten weite Entfernungen überbrückt werden. Als Transportmittel waren Pferde unabdingbar.
Bildquelle: istockphoto, leezsnow

Die Erschließung des amerikanischen Westens im 19. Jahrhundert hat sich über ihre Repräsentation durch die Populärkultur mit dem Bild vom „Wilden Westen“ in unsere Vorstellungswelt eingeschrieben. Geprägt wird dieses Bild nicht nur durch die ersten Berichte und Schilderungen, die etwa die Entdecker Meriwether Lewis und William Clark während ihrer Expedition an die Westküste in den Jahren 1803–1806 verfassten. Auch der kalifornische Goldrausch von 1849 oder die berühmten Trails, der Santa Fe Trail (1821) und der Oregon Trail (1835) gehören dazu. Auf ihnen bewegten sich lange Kolonnen von Planwagen mit Siedlern gen Westen. Doch nicht nur die zu durchquerenden Räume stehen für Wildnis – wilderness –, auch die Menschen, die uns in diesen Schilderungen begegnen, vermitteln das Bild des Grenzgängers zwischen einer alten zivilisierten Welt und der neuen, unzivilisierten, wilden.

Bildung der nationalen Identität

Dies gilt für den Pionier, den David Fenimore Cooper eindrücklich beschrieben hat, ebenso wie für die Cowboys und Indianer aus den Abenteuerromanen von Karl May. Noch bevor der amerikanische Kontinent komplett erschlossen war, griffen Vaudeville Shows, wie die berühmten Wild West Shows von Buffalo Bill, die zwischen 1883 und 1913 durch die USA und Europa tingelten, das Thema des amerikanischen Grenzraumes – der frontier – auf. Der Grenzraum, um den es hier ging, war dynamisch und fluide, aber immer auch rau und gefährlich. Der Grenzraum war ein konfliktbehafteter Raum, ein Raum, der „erobert“ und „besiegt“ werden musste. Natürlich standen dabei die Auseinandersetzungen mit der indigenen Bevölkerung, den „Indianern“, im Zentrum. Aber auch der Kampf mit der Natur selbst bestimmte den Alltag der Siedler. Nicht nur die „Indianer“, sondern auch Schluchten, Wüsten, Wälder und wilde Tiere bedrohten ihr Leben. Die Natur – oder präziser: die Umwelt – bekommt hier eine für die amerikanische Geschichte eigentümliche Rolle als historischer Akteur. Im Kampf gegen die „Natur“, gegen die wilderness  überlebten nur Helden. Und es war die Solidarität dieser heldenhaften Siedlergemeinschaft, die aus dem Kampf zwischen Zivilisation und Wildnis hervorging, die der Historiker Frederick Jackson Turner in seinem berühmten Aufsatz über die Significance of the frontier in American History (Bedeutung des amerikanischen Grenzraumes für die Geschichte Amerikas) aus dem Jahre 1893 als Kennzeichen des „wahren Amerikaners“ apostrophierte.

Europäer wurden angezogen

Der amerikanische Grenzraum übernahm als Ort der Amerikanisierung der aus unterschiedlichen Ethnien zusammengewürfelten Einwanderungsgesellschaft eine Schlüsselfunktion für den Prozess der nationalen Identitätsbildung. Sozialgeschichtlich ist die amerikanische Gesellschaft insofern durch zwei zentrale Erfahrungen geprägt – die Erfahrung der Einwanderung und die Erfahrung der frontier. Für die Sozial- und Kulturgeschichte der USA des 19. Jahrhunderts sind Einwanderungsgesellschaft und Grenzraumgesellschaft als prägende soziale Konstellationen zu nennen. Sie befanden sich in einem eigentümlichen Wechselverhältnis zueinander. Der Druck auf die „alten“ Siedlungsgebiete an der Ostküste konnte nur durch die Westwanderung gemildert werden, und der unermesslich scheinende Landreichtum des Westens wirkte zugleich als Magnet, der immer neue Immigranten aus Europa anzog. Innerhalb weniger Jahrzehnte nach der Staatsgründung verfünffachte sich das erschlossene Territorium, und die Siedlungsgrenze erreichte im Nordwesten den Missouri, im Südwesten die Mitte des heutigen Bundesstaates Texas. Das Leben an der frontier prägte damit mehrere Generationen amerikanischer Siedler im 19. Jahrhundert. In gewisser Weise ist die Gleichzeitigkeit von Grenzraumgesellschaften und weiter entwickelten, komplexeren Gesellschaften ein Kennzeichen (nord-)amerikanischer Gesellschaftsentwicklung. Die Geschichte der USA, aber auch die Kanadas und Mexikos, ist durch dieses räumlich beschreibare Zivilisationsgefälle geprägt.

Die amerikanische frontier war Region, Prozess und Mythos zugleich. „Als Region war sie stets der jeweilige Westen. Um 1750 war dies das Gebiet zwischen der Atlantikküste und den Appalachen, um 1800 war ‚der Westen‘ das Territorium zwischen den Appalachen und dem Mississippi, nach 1850 stieß die frontier dann in das Gebiet jenseits des Mississippi vor“, schreibt Volker Depkat in seinem 2008 erschienenen Werk Geschichte der USA. Das Jahr 1890 markiert einen kardinalen Einschnitt insofern, als in diesem Jahr das Zensusbüro das Ende der frontier konstatierte. Damit war die frontier als räumliches Phänomen der amerikanischen Geschichte verschwunden. Als Prozess, der die fortlaufende Verwandlung von „Wildnis“ in Kulturland sowie die allmähliche Verfestigung politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Strukturen beschreibt, lebte die frontier allerdings weiter. Im Zuge dieses Transformationsprozesses glichen sich die Verhältnisse im jeweiligen Westen immer mehr an die des Ostens an, bis die frontier dort verschwand, nur um weiter westlich neu zu entstehen. Große Bedeutung kommen „dem Westen“ und der frontier aber auch als identitätsprägender Mythos und Projektionsfläche für Zukunftshoffnungen zu. Der Westen stand metaphorisch für jenen Ort, an dem sich politisch-soziale Utopien verwirklichen ließen. Damit wurde der Westen zu einem Kernelement der Expansionsideologie der amerikanischen Siedlergesellschaft.

Das Land schien grenzenlos

Amerikanischer Raum, im Sinne des beschriebenen Grenzraums, der frontier, war insofern nicht nur eine contact zone, in der unterschiedliche Gesellschaftstypen aufeinandertrafen. Sie war auch eine impact zone, also ein Raum, der die Identitäten der dort lebenden Menschen maßgeblich prägte. Als Raum, der das Gebiet jenseits der europäischen Siedlungsgrenze bezeichnet, hat die frontier die Selbstwahrnehmung der Siedler und damit die Konstruktion einer amerikanischen Ideologie des American Creed beeinflusst. Der Raum jenseits der Siedlungsgrenze wurde als unlimited free land wahrgenommen und steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem psychologischen Konzept der unlimited opportunity. Die Übersetzung dieses Konzeptes in das Selbstverständnis und das Alltagshandeln der Amerikaner kennt viele Facetten: Optimismus, Zukunftsorientierung, aber auch die Verschwendung natürlicher Ressourcen und die Ausbeutung des Landes gehören zweifellos zu den wichtigsten. Im Unterschied zu Europa, wo das Land knapp war, konnten die Farmer in den USA weiterziehen, wenn der Boden durch eine zu intensive landwirtschaftliche Nutzung ausgelaugt war und keine Erträge mehr brachte.

Großes Experiment der Freiheit

Unlimited opportunity wiederum steht in einem engen ideellen Kontext mit der Doktrin der manifest destiny, die die amerikanische politische Kultur geprägt hat. Sie wurzelt in dem historisch fundierten Glauben, dass die Vereinigten Staaten prädestiniert, von Gott dazu bestimmt seien, den Kontinent zu erobern, und zwar vom Atlantik bis zum Pazifischen Ozean. Vertreter der Manifest-Destiny-Doktrin waren und sind heute noch überzeugt, dass Expansion nicht nur „gut“, weil gottgewollt ist, sondern „offenkundig“, „manifest“ und zwingend notwendig, eben amerikanisches Schicksal – destiny. Der New Yorker Publizist John L. O’Sullivan, der den Begriff der manifest destiny geprägt hat, schrieb 1845 in der Zeitschrift Democratic Review, es sei die „schicksalhafte Bestimmung“ der Amerikaner, sich über den Kontinent auszubreiten, „den uns die Vorsehung für die freie Entwicklung unserer Jahr für Jahr sich vermehrenden Millionen zugewiesen hat“. Wie ein Baum den Boden und die Luft beanspruchen könne, die er zur vollen Entfaltung brauche, so hätten die USA das Recht, ihr „großes Experiment der Freiheit und föderativen Selbstregierung“ voranzutreiben. Angesichts von Bevölkerungsexplosion und Marktrevolution in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts übersahen viele seiner Zeitgenossen dabei, dass der Raum, um den es hier ging, nicht nur ein Naturraum war, den es zu bezwingen galt. Es handelte sich vielmehr um einen Raum, der bereits von Menschen besiedelt und kulturell geprägt war. Der amerikanische Westen war ein in vielen Jahrhunderten gewachsener, besiedelter Kulturraum und kein „offener“ oder „freier“ Naturraum.

Verdrängungskrieg gegen Ureinwohner

Insgesamt lassen sich etwa zehn unterschiedliche Kulturareale in der westlichen Hemisphäre unterscheiden. Die sich im Zuge der Kolonisierung und dann mit der amerikanischen Unabhängigkeit etablierenden politischen Räume liegen quer zu den indigenen kulturellen Grenzen. Die Besiedlung Nordamerikas zerstörte mindestens acht Kulturareale. Die frontier erfasste zunächst das Gebiet im Nordosten, das die heutigen Bundesstaaten Maine, New York, Pennsylvania, Ohio, Indiana, Michigan, Illinois, Wisconsin, Iowa und Minnesota beherbergt. Die Verdrängung und Tötung eines Teils der dort lebenden indianischen Bevölkerung fand im Wesentlichen statt im Zeitraum zwischen 1778, als erste Verträge mit Native Americans nach der Unabhängigkeit der USA gemacht wurden, und 1858, als Minnesota in die Union aufgenommen wurde. Danach wurde das Gebiet der Great Plains sowie der im Südwesten gelegene Lebensraum der native americans von Europäern besiedelt. Auch dies ging einher mit einer Umsiedlung der in diesen Gebieten lebenden indigenen Bevölkerung, die nach der Verabschiedung des Indian Removal Acts im Jahre 1830 auf den in der Literatur vielbeschriebenen Trail of Tears, den „Pfad der Tränen“, geschickt wurden. Der Verdrängungskrieg war zunächst – das heißt, solange noch genügend Land im Westen lag, wohin die Native Americans umgesiedelt werden konnten – kaum wahrnehmbar. Wenn man so will, ähnelte die Situation an der frontier dem Zustand von low intensity warfare, also von Krieg geringen Ausmaßes. Die kriegerischen Auseinandersetzungen nahmen zu in dem Maße, in dem die Zahl der Migranten, insbesondere aus Europa, anstieg. Die Auseinandersetzungen wuchsen zudem in dem Maße, in dem der Wunsch der Eisenbahngesellschaften, die den Besiedlungsprozess zu einem großen Teil steuerten, nach immer mehr Land und immer mehr Profit in wachsendem Maße menschenverachtende Züge annahm. Dies ist beispielsweise im Roman des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell „Der Chinese“ dargestellt.

Streit über Sklaverei

Die Westexpansion des Empire of Liberty war allerdings nicht nur im Hinblick auf die damit einhergehende Tötung indigener Kulturen ein paradoxer Vorgang. In der Praxis ging er auch einher mit der Ausweitung der Sklaverei und lief damit dem Prozess der Emanzipation entgegen, der 1793/1794 in Haiti begann und in den 1820er Jahren Lateinamerika erreichte, im Jahrzehnt darauf die britischen Karibikinseln. Der Zugewinn an neuen Gebieten im Westen, mit dem das „amerikanische Experiment“ nach außen abgesichert werden sollte, trieb die Vereinigten Staaten letztlich in eine tiefe innere Krise, die schließlich im Bürgerkrieg (1861–1865) mündete. Auch hier spielten die Interessen der Eisenbahngesellschaften eine entscheidende Rolle, insbesondere der Plan, eine transkontinentale Eisenbahnlinie zu bauen. Der Bau einer transkontinentalen Eisenbahnlinie erforderte eine Regelung für das sogenannte unorganized territory zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains. Der Missouri- Kompromiss von 1820 hatte bestimmt, dass dieses Gebiet des Louisiana Purchase nördlich der Linie 36 Grad 30 Minuten nördlicher Breite sklavenfrei bleiben sollte. Im Mai 1854 verabschiedete der Kongress dann jedoch ein Gesetz, mit dem zwei neue Territorien eingerichtet wurden, Nebraska im Norden und Kansas im Süden, deren Bewohner selbst über die Sklaverei entscheiden sollten. Dies wurde von der Bevölkerung im Norden als endgültiger Beweis für die Absicht der Befürworter der Sklaverei betrachtet, das System der Sklaverei auf die gesamten Vereinigten Staaten auszudehnen. Die Heftigkeit, mit der der Streit um Kansas und Nebraska ausgetragen wurde, machte mehr als deutlich, dass der Regionalismus, der die amerikanische Politik seit der Unabhängigkeit prägte, das Land zu spalten drohte. Es gab keine gemeinsame Vision für die Zukunft mehr. Die sektionalen Interessengegensätze waren parteipolitisch nicht mehr zu überbrücken oder auszugleichen. Die Diskrepanz zwischen Norden und Süden, die sich im Gefolge der Kommunikations- und Marktrevolution in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärft hatte, führte in beiden Teilen der Union zu einem kulturellen Sonderbewusstsein, das die Gesellschaftsgeschichte der USA in mancher Hinsicht bis heute prägt.

Schienen so lang wie im Rest der Welt

Die Erschließung und damit letztlich die Eroberung des Westens wäre ohne die industrielle Revolution und den rasanten technischen Fortschritt insbesondere in der Transporttechnik nicht möglich gewesen. Der Medientheoretiker Marshall McLuhan, der mit seinem Diktum von the medium is the message und seinem Werk zum Global Village bekannt geworden ist, hat die rasanten sozialen und kommunikativen Veränderungen, die mit der Entwicklung eines Eisenbahnnetzes und vor allem mit der Erfindung des Telegrafen und dessen Verbreitung einhergingen, treffend beschrieben als annihilation of time and space (Aufhebung von Zeit und Raum). Für die amerikanischen Siedler eröffnete die Fertigstellung der Pacific Railroad im Jahre 1869 die Möglichkeit, in nunmehr nur sieben Tagen und für 65 Dollar über den ganzen Kontinent zu reisen. Bereits 1860 umfasste das nationale Eisenbahnnetz mehr als 48.000 Kilometer und war damit etwa so lang wie alle im Rest der Welt verlegten Schienenstränge zusammen. Zwei Drittel aller Bahnstrecken waren im Norden gebaut worden und verliefen in Ost-West-Richtung.

Während die Transportrevolution die existierende regionale Trennung zwischen Nord und Süd verfestigte – 1860 gab es nur drei Nord-Süd-Verbindungen –, schien die gleichzeitig stattfindende Marktrevolution vordergründig zumindest eher integrativen Charakter zu haben. Im Zuge der Entwicklung eines nationalen Wirtschaftssystems in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts produzierten die Landwirtschaftsregionen des Südens und des Westens diejenigen agrarischen Rohstoffe (Baumwolle und Lebensmittel), die in den entstehenden industriellen Zentren des Nordostens benötigt wurden. Im Austausch dafür versorgte die entstehende amerikanische Industrie den nationalen Markt mit Fertigwaren.

Zu den Faktoren, die die Marktrevolution beförderten, gehörten neben dem Ausbau des Verkehrswesens auch die Kommerzialisierung der Landwirtschaft und der Beginn der Industrialisierung. Auch hier bedingten der Ausbau marktwirtschaftlicher Strukturen und das Voranschieben der frontier nach Westen einander und erzeugten eine immer stärkere Eigendynamik. Zu den Folgen der Marktrevolution gehörten nicht nur ökonomisches Wachstum und technische Neuerungen, sondern auch tiefgreifende Änderungen im Denken und in den sozialen Beziehungen. Obwohl die Marktrevolution unter ökonomischen Gesichtspunkten so etwas wie einen integrierten nationalen Markt schuf, vergrößerte sie letztlich die sozio-ökonomischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Nord- und Südstaaten. Insofern hatte auch die Marktrevolution letztlich einen paradoxen Effekt: Auch sie verschärfte die sozialen und regionalen Gegensätze, beförderte den Prozess der Verdrängung und letztlich Tötung der indigenen Bevölkerung und trug insgesamt dazu bei, die gesellschaftlichen und politischen Spannungen zu verschärfen, die durch das „große weite Land“, den unermesslichen Raum, gegeben waren. Letztlich spüren wir noch heute das Nachwirken dieser paradoxen und spannungsreichen Entwicklungen, nicht zuletzt dann, wenn wir zur Verfolgung der Wahlergebnisse in den USA auf die Landkarte schauen und die roten und blauen Staaten oder Regionen dort sehen.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl

Freie Universität Berlin, John.-F.-Kennedy-Institut, Abteilung Geschichte und SFB „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“, Lansstraße 7–9, 14195 Berlin

www.jfki.fu-berlin.de