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Zukunft der Atomenergienutzung in Deutschland

31.05.2007

Mit dem sogenannten Atomkonsens bewirkte die rot-grüne Bundesregierung in der deutschen Energiepolitik eine fundamentale Wende. Ergebnis der mit den Betreibern getroffenen Vereinbarung war nach 20 Monaten Verhandlungen unter anderem, dass die Betriebsgenehmigungen der Atomkraftwerke (AKW) befristet und der Bau von neuen AKW sowie der Transport zur Wiederaufarbeitung von nuklearen Brennstoffen verboten wurden. Damit setzt erstmals ein großes Industrieland ein klares Zeichen in der Atompolitik – in Richtung Ausstieg bis zum Jahr 2023. Allerdings wurde das in der Koalitionsvereinbarung angekündigte 100-Tage-Programm erst mit erheblicher Verspätung umgesetzt, und die Konsensgespräche kamen nicht nach einem, sondern erst nach knapp zwei Jahren zu einem Ergebnis. Die Form, in der sich der Atomausstieg in Deutschland vollziehen wird, lässt eine Reihe von Fragen und Details unbeantwortet. Im Zuge der vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 wurde von der damaligen Opposition laut über Laufzeitverlängerungen nachgedacht.


Atomkraftwerke in Deutschland
Quelle: Wikepedia, Autor: Lencer

Stromerzeugung und -verbrauch

Aber auch die seit November 2005 regierende große Koalition hält am gesetzlich festgelegten Atomausstieg fest. Umfragen verschiedener Medien oder Bundestagsabgeordneter zur Frage „Soll Deutschland wieder verstärkt auf Atomenergie setzen?“ zeigen klare Mehrheiten für die Fortsetzung des Atomausstiegs. Dabei wird nicht nur auf die Potenziale der erneuerbaren Energien verwiesen, sondern auch auf die nach wie vor nicht gelöste Frage der Endlagerung des Atommülls. Derzeit produzieren Atomkraftwerke immer noch den größten Anteil an Elektrizität. Nach der Wiedervereinigung schrumpfte die Stromerzeugung in Deutschland einige Jahre, seit 1994 steigt sie zwar geringfügig, aber kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 635 Tera- Wattstunden (TWh) Strom produziert und rund 615 TWh im Inland verbraucht. Der Rest wurde exportiert. Die Struktur der Stromerzeugung hat sich in den letzten 15 Jahren leicht zugunsten von Erdgas und erneuerbaren Energien – vor allem Windkraft – verändert. Im Jahr 2006 wurden knapp drei Viertel der Elektrizität in Atom-, Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken erzeugt. Der Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas verdoppelte sich seit 1990 nahezu und erreichte 2006 insgesamt über 11 Prozent. Die Stromerzeugung aus Windkraft betrug im vergangenen Jahr rund 30 TWh (fast 5 Prozent der Bruttostromerzeugung). Der Anteil der erneuerbaren Energieträger am Stromverbrauch stieg von knapp mehr als 3 Prozent im Jahr 1991 bis 2006 um mehr als das Dreifache auf knapp 12 Prozent.

Atomkonsens

Der Anteil des Atomstroms ging in den letzten zehn Jahren von rund 30 Prozent auf etwa 26 Prozent zurück, was auf das Abschalten der ersten Atomkraftwerke gemäß der Atomkonsens-Vereinbarung aus dem Jahr 2000 zurückzuführen ist. Damit liegt Deutschland bei der Erzeugung von Atomstrom weltweit immer noch auf Platz 4, hinter den USA, Frankreich und Japan, aber vor Russland und Südkorea. Am 27. April 2002 wurde mit dem Gesetz zum Ausstieg aus der Atomenergienutzung ein zentrales umweltpolitisches Projekt der rot-grünen Bundesregierung begonnen. Das neue Gesetz mit dem Titel „Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“ änderte das Atomgesetz von 1959 grundlegend: Statt der Förderung der Kernenergie stand nun die geordnete Beendigung an. Für die damals noch betriebenen 19 Atomkraftwerke wurde festgelegt, dass nach der Erzeugung der jeweils vereinbarten Reststrommenge die Betriebsgenehmigung der Anlage erlischt. Die ab dem 1. Januar 2000 noch produzierbaren Netto-Strommengen – insgesamt 2.623 TWh – sind in einer Anlage zum Atomgesetz enthalten. Sie waren in der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Betreibern von Atomkraftwerken vom 11. Juni 2001 festgelegt worden und ergeben für jede Anlage eine Betriebszeit von ungefähr 32 Jahren. Ende 2006 betrug die verbleibende Reststrommenge netto noch 1.515 TWh.
Die Kernpunkte des Gesetzes:

  • Die Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Energieerzeugung wird geordnet beendet. Das Ende der Atomkraftnutzung in Deutschland wird etwa im Jahr 2020 erreicht. In der Zwischenzeit soll der geordnete Betrieb der Reaktoren auf einem hohen Sicherheitsniveau erfolgen.
  • Für die Errichtung und den Betrieb von neuen Atomkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen werden keine Genehmigungen mehr erteilt.
  • Wenn die vereinbarte Elektrizitätsmenge produziert worden ist, erlischt die Betriebsgenehmigung eines AKW. Ferner wurde eine gesetzliche Pflicht zur periodischen Sicherheitsüberprüfung der AKW eingeführt.
  • Die Abgabe abgebrannter Brennelemente in die Wiederaufarbeitung ist ab dem 1. Juli 2005 verboten und die Entsorgung auf die direkte Endlagerung beschränkt. Daher müssen die Betreiber von AKW standortnahe Zwischenlager errichten und abgebrannte Brennelemente bis zur Abgabe an ein Endlager aufbewahren. Die Erkundungen des Salzstocks Gorleben als Endlagerungsstandort wurden einstweilen gestoppt.
  • Schließlich wurde die Deckungsvorsorge für durch AKW verursachte Schäden von 500 Millionen D-Mark auf 2,5 Milliarden Euro erhöht.

Industriefreundliche Haltung

Im Rahmen der Energiekonsensgespräche wurden die verschiedenen finanziellen Probleme des Atomausstiegs stark verkürzt diskutiert. Mit einer Regellaufzeit von 32 Jahren pro Reaktor hat die Bundesregierung den Ausstieg mit der Industrie formal „entschädigungsfrei“ vereinbart. Es ist durchaus als Erfolg zu werten, dass die Steuerzahler keine Entschädigung in Milliardenhöhe an die Betreiber – wie in Schweden – zahlen müssen. Dafür werden die Stromkunden zur Kasse gebeten und die Diffusion technischer Innovationen im Kraftwerksbereich verzögert oder gar verhindert. In der Vergangenheit hatte die deutsche Atomindustrie von einer äußerst industriefreundlichen Haltung staatlicher Akteure profitiert. In kaum einem anderen Land waren die Betriebsgenehmigungen unbefristet, war es den Betreibern erlaubt, Rückstellungen für die nukleare Entsorgung in Milliardenhöhe nicht zu versteuern, oder die teure Endlagerung von Atommüll auf die Steuerzahler „abzuwälzen“. Diese Vorteile wurden jetzt teilweise zurückgenommen. Dennoch dürfen die Reaktoren noch eine Zeit lang am „goldenen Ende“, nämlich nach völliger Abschreibung und Amortisation, weiterlaufen. Insgesamt wurde eine Menge an nuklearem Reststrom vereinbart, die fast exakt der Größenordnung der gesamten bisherigen Erzeugung von Atomstrom in Deutschland entspricht. Den Betreibern wird dadurch ein jährlicher Absatz von etwa 150 TWh Atomstrom garantiert – eine Größe, die mehr als ein Viertel des deutschen Strommarktes ausmacht und beim gegenwärtigen Strompreisniveau etwa 13 Milliarden Euro Umsatz bedeutet. In Zeiten fortschreitender Liberalisierung der Energiemärkte ist eine solche Quote nicht wettbewerbskonform.

Die Vereinbarung setzt ferner keine Anreize für eine Beschleunigung des Atomausstiegs. Solange die Rückstellungen für die nukleare Entsorgung in der Verfügungsgewalt der AKW-Betreiber verbleiben, wird das Interesse der Stromwirtschaft an der Nutzung der Atomkraft fortbestehen. Konzerne wie E.ON, RWE und EnBW konnten nicht nur Diversifizierung und Beteiligungen an anderen Energieunternehmen finanzieren – auch die im internationalen Vergleich bemerkenswerten temporären Preisnachlässe für industrielle Großkunden und kleinere Stromversorger von bis zu 50 Prozent sind auf diesen Umstand zurückzuführen. Kein Thema war ferner die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stromwirtschaft angesichts der gewaltigen Überkapazitäten bei Kraftwerken in Deutschland und im europäischen Verbundnetz. Eine beschleunigte Abschaltung von AKW mit hohen Vollkosten hätte den Weg dafür geebnet, dass in Deutschland bereits vor dem Jahr 2010 neue und umweltverträglichere Kraftwerkstechnik in Betrieb genommen wird. Anders als in den USA wurde in Deutschland keine Diskussion über „gestrandete Kosten“ geführt. Eine differenzierte Analyse der deutschen Atomkraftwerke kam zu dem Ergebnis, dass unter den bestehenden Rahmenbedingungen lediglich die Betreiber von neun der 19 AKW einen positiven Beitrag erwarten können. Mit anderen Worten: In den kommenden Jahren hätten zehn AKW aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt werden müssen. Die Liberalisierung des Strommarkts hatte in den ersten fünf Jahren zu einer drastischen Senkung der Erträge aus dem Stromverkauf geführt, und die Stromwirtschaft hat den Abbau der Überkapazitäten bei den Erzeugungsanlagen eingeleitet. Allein RWE und E.ON haben von der in Deutschland installierten Kraftwerksleistung inzwischen knapp 10 Prozent stillgelegt.

Arbeitsplätze

Die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Energiewirtschaft ist bei dieser Dynamik eine komplizierte Aufgabe. Die Betreiberseite war aber nicht dazu bereit, eine Beschäftigungsgarantie für die vergleichsweise geringe Zahl der direkt in AKW Beschäftigen zu geben. Mit der flexiblen Handhabung der Laufzeiten sind die Arbeitsplätze in diesem Bereich zumindest mittelfristig gewährleistet. Schließlich kommt es aber darauf an, die Rahmenbedingungen für eine „umweltverträgliche und im europäischen Markt wettbewerbsfähige Energieversorgung“ zu schaffen (Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000) und damit Investitionen in innovative Kraftwerke, CO2-freie Energietechnik sowie Energiedienstleistungen neue und zusätzliche Arbeitsplätze zu sichern.


Im November 2003 wurde mit dem AKW Stade das erste Atomkraftwerk abgeschaltet.
Foto: Wikipedia

Im November 2003 wurde mit dem AKW Stade das erste Atomkraftwerk abgeschaltet und im Mai 2005 hat das Atomkraftwerk Obrigheim den Betrieb eingestellt. Vier weitere Atomkraftwerke – Biblis A und B sowie Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel – könnten in der laufenden Legislaturperiode die ihnen zugeteilte Menge an Reststrom verbrauchen. Die Betreiber dieser AKW haben inzwischen Anträge gestellt, um die Abschaltung zu vermeiden: Im September 2006 beantragte RWE beim Bundesumweltministerium die Übertragung von 30 TWh des Kontingents von 107 TWh aus dem bereits stillgelegten AKW Mülheim-Kärlich auf Biblis A oder die Übertragung von 30 TWh vom AKW Emsland auf dieses AKW. Ende Dezember 2006 beantragte EnBW eine Übertragung der Strommenge von knapp 47 TWh vom neueren AKW Block 2 auf die alte Anlage Neckarwestheim 1.

Klimaschutz und Atomkraftwerke

Im März 2007 hat das Bundesumweltministerium den RWE-Antrag abgelehnt. Der Hilfsantrag der RWE und der EnBW-Antrag werden noch geprüft. Im März 2007 stellte auch Vattenfall beim BMU einen Antrag auf Übertragung von 15 TWh Reststrommengen von Mülheim-Kärlich auf das AKW Brunsbüttel. Begründet wurde dieser Antrag vor allem mit dem Hinweis auf den Beitrag des AKW zum Klimaschutz. Atomkraftwerke sind bei systemischer Betrachtungsweise keine CO2-freien Produktionsanlagen, sondern emittieren schon heute bis zu einem Drittel so viel CO2 wie Gaskraftwerke. Die produktionsbedingten CO2-Emissionen der Atomenergie betragen – je nachdem, wo der Rohstoff Uran gefördert und wie die Brennelemente produziert werden – bis zu 126 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Das Öko-Institut hat für ein typisches AKW in Deutschland – einschließlich der Emissionen durch den Bau der Anlage – mit angereichertem Uran aus einem Mix von Lieferländern eine spezifische Emission von 32 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ermittelt.

AKW tragen auch durch die Freisetzung weiterer Treibhausgase zum Klimawandel bei. Das radioaktive Edelgas Krypton 85, ein Produkt der Kernspaltung, ionisiert die Luft unter allen radioaktiven Stoffen am intensivsten. Krypton 85 entsteht im Atomkraftwerk und wird spätestens bei der Wiederaufarbeitung oder Konditionierung von Atommüll freigesetzt. Die Konzentration von Krypton 85 in der Erdatmosphäre hat in den letzten Jahren durch die Atomspaltung stark zugenommen und erreicht heute einen Höchststand. Obwohl Krypton 85 stark klimawirksam ist, spielen diese Emissionen bei aktuellen Debatten bisher keine Rolle.

Schließlich ist der Beitrag der Atomenergie an der weltweiten Energieversorgung mit 6,5 Prozent gering und lässt sich weder mittelfristig noch langfristig nennenswert steigern. Der reale Beitrag der Atomkraft ist zudem deutlich kleiner. Im Jahr 2004 hatte die Stromerzeugung einen Anteil von 17 Prozent am globalen Energieverbrauch, von diesen wurden knapp 16 Prozent in AKW erzeugt. Der reale Anteil von Strom aus Atomkraftwerken beträgt also nicht einmal 3 Prozent des gesamten weltweiten Energieverbrauchs.


Biblis A und B könnten in der laufenden Legislaturperiode die ihnen zugeteilte Menge an Reststrom verbrauchen.
Foto: Pixelio

Atomausstieg laut Koalitionsvertrag

Gegenwärtig gibt es weltweit 435 AKW. Ein für das Klima spürbarer Ausbau würde mehr als fünf Billionen Euro kosten. „Man müsste ungefähr sechsmal soviel Atomkraftwerke in der Welt installieren, als man jetzt hat“, gibt der Energieexperte Klaus Traube zu bedenken, „das wäre noch einmal die Größenordnung von 2.200 großen Meilern mit einer Leistung von jeweils 1.000 Megawatt – eine völlig unvorstellbare Dimension, auch wenn man bedenkt, dass durch den Terrorismus neue Gefahren bezüglich der Sicherheit dazugekommen sind.“ Zudem sind die weltweiten Uranvorkommen begrenzt: Derzeit werden etwa 70.000 Tonnen Uran pro Jahr benötigt, ein massiver Ausbau an AKW erforderte zusätzlich rund 260.000 Tonnen Uran jährlich. Als Konsequenz wären die heute bekannten Uranvorräte bereits nach 18 Jahren verbraucht – und nicht erst nach 70 Jahren, wie derzeit angenommen. Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen. Im Koalitionsvertrag wurde deswegen folgende Formel aufgenommen: „Deshalb kann die am 14. Juni 2000 zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen geschlossene Vereinbarung und können die darin enthaltenen Verfahren sowie für die dazu in der Novelle des Atomgesetzes getroffene Regelung nicht geändert werden.“

Die Endlagerung von radioaktiven Abfällen

Während das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf der Abschaltung der Anlagen besteht, haben Vertreter von CDU und CSU bereits während des Wahlkampfes Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke gefordert. Im September 2005 stellte die CDU ein Modell vor, nach dem die Laufzeiten von AKW um acht Jahre verlängert, die mit der Laufzeitverlängerung verbundenen Erträge in einen Fonds eingezahlt und die Stromkosten der energieintensiven Industrie entsprechend gesenkt werden sollen. Abgesehen von der Tatsache, dass dieser Vorschlag von einem merkwürdigen Verständnis von Markt und Wettbewerb zeugt, würde eine Laufzeitverlängerung ebenfalls den Zeitplan der Betreiber für den Beginn der Endlagerung in Frage stellen. Die Große Koalition bekennt sich jedoch zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und beabsichtigt, in dieser Legislaturperiode das Problem zu lösen. Mit dem „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ (AkEnd), der im Februar 1999 seine Arbeit aufnahm, wurde für die Erkundung von Endlagern radioaktiven Abfalls ein Gremium geschaffen, das Kriterien entwickeln und alle möglichen der Standorte für die Endlagerung betrachten sollte. Die Empfehlungen des AkEnd sollten mit der nationalen und internationalen Fachwelt und mit der interessierten Öffentlichkeit eingehend erörtert werden, um Transparenz und Akzeptanz für spätere Standortentscheidungen zu schaffen.

Nach knapp vierjähriger Arbeit legte der AkEnd im Dezember 2002 seinen Abschlussbericht vor. Kernaussage des Berichts und zentrales Anliegen des AkEnd: Die Öffentlichkeit soll in einen gesellschaftlichen Diskurs eingebunden werden, in dem relevante Interessengruppen und die allgemeine Öffentlichkeit einen Konsens über den Weg zur Auswahl eines Endlagers erarbeiten. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, die beteiligten Akteure für einen derartigen Diskurs zu mobilisieren. Insofern steht in Sachen Endlagerung nuklearer Abfälle in Deutschland – unabhängig vom Ausstieg aus der Atomenergie – ein doppeltes Problem an: Einerseits soll die Entscheidung über den Standort möglichst bald getroffen werden, andererseits sollte das nukleare Endlager möglichst weit entfernt, aber nicht außerhalb Deutschlands, angesiedelt sein. Wichtige politische Akteure, wie die niedersächsische Landesregierung, die CDU sowie die Stromwirtschaft, konnten nicht für die Suche nach einem neuen Standort für das nukleare Endlager gewonnen werden. Das zuständige Bundesumweltministerium hat sich zwar an den Empfehlungen des AkEnd orientiert und 2005 Entwürfe für das Verbands- und Standortauswahlgesetz (VStG) sowie die Rechtsverordnung zu den Auswahlkriterien für einen Standort zur Endlagerung radioaktiver Abfälle vorgelegt – allerdings existierten bei SPD und Grünen unterschiedliche Einschätzungen über das Ausmaß der zivilgesellschaftlichen Beteiligung an diesem Prozess. Gleichzeitig wurde durch eine gerichtliche Entscheidung für die Gültigkeit der erteilten Betriebsgenehmigung für das Endlager „Schacht Konrad“ Fakten geschaffen.


Schacht Konrad: umstrittenes Endlager für schwach- und mittelaktive radioaktive Abfälle.
Foto: photocase

Schacht Konrad

Das umstrittene Endlager für schwach- und mittelaktive radioaktive Abfälle wurde in den 1980er Jahren weit vor den Ausstiegsverhandlungen konzipiert und sieht Lagerflächen in einem Umfang vor, die unter den Bedingungen einer Ausstiegspolitik nicht benötigt werden. Auch die nach aktuellem Planungsstand vorgesehenen Kapazitäten für stark radioaktive Abfälle in Gorleben oder an einem anderen Endlagerstandort bedürften einer Neueinschätzung. Eine Auflösung dieser Widersprüche setzt neue institutionelle Strukturen voraus. Stichworte dafür wären: Aufbau von Kompetenzen und Entwicklung eines Konzepts für eine regionale Zukunftsperspektive. Erforderlich ist auch ein breiter öffentlicher Diskurs, der mittels sozialwissenschaftlicher Begleitforschung laufend untersucht und evaluiert werden sollte. Ein Dialog zwischen verschiedenen Akteuren aus Politik, umweltorientierten Verbänden und Interessengruppen, Medien, Forschungseinrichtungen, Verbrauchergruppen, Industrie und der staatlichen Verwaltung sollte nicht nur Informationen über die Endlagerung verbreiten, sondern auch die Akzeptanz für ein Endlagerungskonzept in der Bevölkerung erhöhen.