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Kurz-Fundiert

Eine Chance für Stichpunkte: Die bieten im Heft immer die letzten Seiten von fundiert

13.12.2013

kurz-fundiert - der Wandel in Stichpunkten

kurz-fundiert - der Wandel in Stichpunkten
Bildquelle: photocase, Seleneos,photocase, Thomas Kauroff, photocase, kate

Hier zählt Vielfalt und eine interessante Perspektive mehr als das Alter. Allem Wandel zum Trotz eine kurze Lese -Erfahrung, auf die wir auch in dieser Ausgabe nicht verzichten möchten.

Wie lebt man länger?

In Märchen, Sagen und Weltliteratur finden sich ebenso gruselige wie seltsame Methoden. Sie reichen vom Vollbad in Blut oder Zauberwasser über Äpfelverzehr oder den Verkauf der Seele an den Teufel. Auch im echten Leben ist das Interesse an Elixieren und Rezepten ewiger Jugend groß: Bei den über Hundertjährigen der Welt ist die Frage nach ihrem „Geheimnis“ ein journalistischer Standard. Allerdings keiner, von dem man wissenschaftlich verwertbare Erkenntnisse erwarten würde. Denn von Rotwein über Sonnenbaden, Beten, Schokoladeessen oder Rohkostverzehr, Sport oder körperliche Ruhe reicht die Palette. Dass es kein Patentrezept gibt, diese Auffassung teilen mittlerweile hingegen auch Forscher. Bei systematischen Befragungen von Menschen, die 110 Jahre und älter sind, kam lediglich heraus, dass die „Supercentenarians“ kaum gemeinsame Nenner bei der Lebensführung haben. Immerhin: Der aktuell vermutlich älteste Mann, der 123-jährige Bolivianer Carmelo Flores Laura, hat eine bisher neue Empfehlung. Das Geheimnis seines gesegneten Alters: Stinktier-Fett.

Es gibt zwar kein Patentrezept für ein langes
Leben, Sport und Bewegunghelfen jedoch
mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit.
©photocase/emanoo

Wie wird man weniger?

Das ist die große Frage, die vor allem die Raumplanung in Deutschland beschäftigt. Während es lange Zeit in Deutschland darum ging, Wachstum so weit als möglich sinnvoll zu planen, so geht es jetzt um geordneten Rückzug. Vor allem auf dem Land. Nach Berechnungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung geht die Zahl der unter 20-Jährigen bis 2030 in fast allen Gegenden stark zurück. Nur München, Havelland- Fläming, Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Westsachsen und Hamburg könnten bis 2030 einen Zuwachs jun ger Menschen erleben. Alle anderen Regionen werden sich überlegen müssen, wie Leben auf dem Land oder in der Kleinstadt dann noch funktionieren kann. Auch ohne Supermarkt, ohne Postfiliale, Busanbindung oder Arzt in der Nähe.

Eins plus eins macht – einskommavier …

Auch wenn es Familien in Berlin manchmal schwerfällt das zu glauben: in Deutschland herrscht Nachwuchsmangel. 1,36 Kinder – so niedrig lag 2011 die zusammengefasste Geburtenziffer laut den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Gemeinsam mit Spanien und Italien belegen die Deutschen die hintersten Plätze der westeuropäischen Reproduktions-Rangliste. Da die niedrige Geburtenrate als eine der Hauptursachen für den demografischen Wandel gilt, beschäftigt die Frage, wer mit wem warum wie viele Kinder bekommt, sowohl die Politik als auch die Wissenschaft. Als eine der ersten ökonomischen Fertilitätstheorien gelten die Arbeiten des deutschen Ökonomen Lujo Brentano. Dass die Entscheidung Kinder zu bekommen in erster Linie nach einem Nutzen-Kosten-Vergleich gefällt wird, diese Idee publizierte er schon 1909. Der Chicagoer Professor Gary Becker entwickelte diese Idee in den 60er Jahren weiter und bekam dafür 1992 den Nobelpreis.

... oder doch 1,57?!

1,36 Kinder pro Frau in Deutschland, mit dieser Zahl werden stets düstere Bilder gezeichnet, wenn es um den demografischen Wandel geht. Schließlich müsste eine Frau zwei Kinder bekommen, damit eine Bevölkerung rechnerisch stabil bleibt. Dass es sich bei den aktuellen 1,36 um einen Fehler handeln könnte, dazu publizierten 2013 Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung. Sie berechneten Geburtenraten in über 30 Ländern mit einer komplexeren Statistik-Methode, die nicht nur eine Vorhersage der Geburtenzahl pro Kopf prognostiziert, sondern auch Wahrscheinlichkeiten ermittelt. Dabei kam heraus, dass etwa die Deutschen zwar später Kinder bekommen – aber nicht unbedingt weniger. Nach der neuen Methode kamen die Wissenschaftler auf 1,54 Kinder für ostdeutsche und 1,57 für westdeutsche Frauen – das läge deutlich über dem Wert, den das Statistische Bundesamt berechnet hat.

Da geht noch was

Kinder sind geborene Lerner – ohne größere Probleme lernen sie normalerweise Sprechen, Laufen oder Klötzchen bauen. Dass Lernen auch mit 50, 60 oder 70 noch erstaunlich gut geht, haben Forscher mittlerweile mit vielen Studien eindrucksvoll belegt. Viele der älteren Generation setzen das schon lange praktisch um. Das zeigt sich auch an den Zahlen der Freien Universität. Jedes Jahr nehmen etwa 2.000 Menschen an Lehrangeboten der Freien Universität über das Gasthörercard– Programm teil, dessen Kurse von Kunstgeschichte bis zu Kreativem Schreiben reichen.

Wandelndes Beispiel

Was den demografischen Wandel in Industrienationen angeht, hat Deutschland oft eine Vorreiterrolle. Schließlich gilt es als erstes Land der Erde, das den Übergang vom stetigen Zuwachs der Bevölkerung zum Bevölkerungsrückgang erlebte. Und zwar ohne Krieg oder Hungersnot. 1972 markiert in der Geschichte der Bundesrepublik das Jahr der demografischen Wende: Die Zahl der Sterbefälle liegt seither stets über der Anzahl der Geburten. Dennoch ist der eigentliche Pionier, wie eine Gesellschaft mit dieser Herausforderung fertig wird, vermutlich ein anderes Land – nämlich Japan. Dort fand die demografische Wende erst 2006 statt. Doch die Geburtenrate liegt bei etwa 1,3 und gilt als die niedrigste der Welt. Da die Einwanderungspolitik Japans traditionell sehr rigide ist, gehen Demografen davon aus, dass 2040 auf jedes neugeborene Kind etwa ein Hundertjähriger kommen könnte.

Die alte Angst vor dem Schwund

Immer mehr alte Menschen und immer weniger Kinder: Die Ängste vor einem solchen Szenario sind nicht wirklich neu. Und so liest sich der Bericht des antiken Autors Polybios auch erstaunlich aktuell – obwohl er über 2100 Jahre alt ist. „In der Zeit, in der wir leben, ist in ganz Griechenland die Zahl der Kinder, überhaupt der Bevölkerung in einem Maße zurückgegangen, dass die Städte verödet sind und das Land brachliegt, obwohl wir weder unter Kriegen von längerer Dauer noch unter Seuchen zu leiden hatten.“ Als Grund für die Überalterung sah der Geschichtsschreiber vor allem die geringen Geburtenzahlen. Anstatt eine ganze Kinderschar großziehen zu wollen, gebe es in Familien nur mehr „eins oder zwei, damit sie im Luxus aufwachsen und ungeteilt den Reichtum ihrer Eltern erben, nur deshalb hat das Übel schnell und unvermerkt um sich gegriffen.“ Auch wenn Polybios’ Thesen nicht auf Daten und Statistiken beruhen, gilt er als einer der ersten Vertreter der Bevölkerungswissenschaft.

Ein AAL im Haus ersetzt die Haushilfe

In Deutschland gibt es rund 38 Millionen Wohnungen. Altersgerecht sind davon bisher nach Schätzungen höchstens 10 Prozent. Wie ältere Menschen trotzdem in Zukunft weiterhin ohne fremde Unterstützung in ihren vier Wänden leben können, an dieser Frage arbeiten seit vielen Jahren unter anderem Informatiker, Mediziner, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieure. Ein Schlagwort ist Ambient Assisted Living, kurz AAL genannt. Dazu gehören zum Beispiel Geräte, die ein Zuhause zu einer „intelligenten Umgebung“ machen. Insbesondere ältere oder pflegebedürftige Menschen sollen dank AAL selbstbestimmt zuhause leben können. Die Freien Universität forscht dazu unter anderem im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes Beatmungspflege@ Zuhause (Bea@Home). Professor Martin Gersch vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft wird gemeinsam mit Medizinern der Charité – Universitätsmedizin Berlin an der Entwicklung, Realisierung und Evaluation eines Pflegekonzeptes für langzeitbeatmete Patienten arbeiten.

Wenn ich alt bin, werde ich Model

Das ist der Titel eines Buches, das das „Senior Model“ Christa Höhs in diesem Jahr veröffentlicht hat. Sie hat mit über 50 eine Model Agentur gegründet – für Models, die erheblich älter sind als etwa die Kandidatinnen, die sonst bei Model-Casting-Shows zu sehen sind. Ihre Senior Models sind erfolgreich: Sie haben schon für McDonald’s , Vodafone, die Deutsche Bank und andere Großunternehmen geworben. Tatsächlich sind Models mit Krähenfüßen und grauen Haaren gefragt wie vermutlich nie zuvor. Sie sollen Werbung bei den Menschen machen, die ebenfalls nicht mehr ganz jung sind – dafür aber eine kaufkräftige und wachsende Zielgruppe. Und eine, die selbstbewusst genug ist, einem Teenager-Model Werbung für Haftcreme einfach nicht abzukaufen.