Vorwort
13.12.2013
Alles im Wandel - damit beschäftigt sich die neue Ausgabe von fundiert
Bildquelle: Bernd Wannenmacher
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
vor 100 Jahren hieß ein typisch deutsches Kind Hans oder Gertrud, es konnte im Schnitt auf eine Lebenserwartung von um die 50 Jahre hoffen. Frauen bekamen im Laufe ihres Lebens noch mehr als zwei Kinder, doch nur ein Bruchteil von ihnen sah je eine Universität von innen. Und auch unter den Männern war der Akademikeranteil gering: In ganz Deutschland gab es weniger Studierende als sich in diesem Wintersemester alleine an Berlins Universitäten immatrikulieren werden.
Auch heute könnte man mit Statistiken versuchen, dem „Typischen“ in der Gesellschaft auf den Grund zu gehen. Vermutlich bräuchte man dazu jedoch jede Menge Fußnoten. Typisch für die deutsche Gesellschaft, so scheint es, ist heute höchstens, dass es immer schwerer fällt zu benennen, was an ihr typisch sein soll. Der demografische Wandel ist dafür zwar nicht alleine, aber doch auch mitverantwortlich.
Die Veränderungen durch den demografischen Wandel werden von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik schon lange als „Megatrend des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Wissenschaftsjahr 2013 unter das Motto „Die demografische Chance“ gestellt hatte, zeigt das einmal mehr. Für fundiert ein willkommener Anlass, mit Forscherinnen und Forschern der Freien Universität den Wandel der Gesellschaft aus wissenschaftlicher Perspektive zu betrachten, die über die Statistik hinausgeht.
Die Autoren und Autorinnen haben dazu Literaturwissenschaftler, Ökonomen, Mediziner, Historiker, Ethnologen, Psychologen oder Kommunikationswissenschaftler interviewt und mit ihnen über ihre Forschung gesprochen. Sie alle beschäftigt der Wandel – wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise. Eine weitere Gemeinsamkeit und übergeordnete Klammer ist: Wo Wandel ist, sind auch Chancen. Die gilt es allerdings rechtzeitig zu nutzen. Nicht umsonst sprechen Demografen bei den absehbaren Folgen des Wandels von der „bestprognostizierten Krise“, die westliche Industrienationen je zu bewältigen hatten.
Viel zu oft, wenn vom „demografischen Wandel“ die Rede ist, geht es nur um die Tatsache, dass die Lebenserwartung stark gestiegen ist, während sich die Geburtenzahl im Sinkflug befindet. Wie das unser Bild vom Altern beeinflusst und wie der Wandel etwa in afrikanischen Ländern aussieht, dazu hat unser Autor Florian Michaelis mit der Psychologin Julia Wolff und dem Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Ethnologie der Freien Universität, Hansjörg Dilger, gesprochen (Seite 32). Über die Forschung zu einem anderen gesellschaftlichen Megatrend, nämlich der Globalisierung, schreibt der Journalist Matthias Thiele (Seite 44). Dass die beginnende Globalisierung Intellektuelle aus allen Teilen der Welt im Paris der Zwanzigerjahre zusammenbrachte, und welche Konsequenzen das für die „Dritte Welt“ hatte, das erforscht der Historiker Michael Goebel vom Friedrich-Meinecke-Institut.
Wie Unternehmen und Volkswirtschaften mit Wandel umgehen, dazu forschen am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften unter anderem die Ökonomieprofessoren Gregory Jackson und Georg Schreyögg. Am Ende der Recherche konnte unser Autor Leonard Fischl dem Thema Wandel durchaus etwas Tröstliches abringen: Wer bereit ist, Änderungen frühzeitig zu erkennen und im Zweifel die eigene Komfortzone zu verlassen, hat gute Chancen, eine Phase des Wandels gut zu überstehen. Egal ob man als Einzelperson, Unternehmer oder Volkswirtschaft betroffen ist (Seite 24). Das Beste zum Schluss – so könnte man das „Emotionsparadox“ auch zusammenfassen, zu dem Forscher im Rahmen der neugegründeten Focus Area „DynAge“ an der Freien Universität arbeiten. Wie die Altersforschung bisher zu erklären versucht, warum Menschen im Alter zwar vielleicht körperlich nicht mehr so fit, dafür aber seltener unter Depressionen leiden als junge Menschen, können Sie ab Seite 18 lesen.
Wir wünschen Ihnen bei dieser und anderen spannenden Geschichten eine „erbauliche“ Lektüre,
Ihre fundiert-Redaktion