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Wasser, Ströme, Sommerschulen

Prof. Dr. Ralf Kornhuber, Foto: von Richthofen

Prof. Dr. Ralf Kornhuber, Foto: von Richthofen

Ralf Kornhuber

Ralf Kornhuber

Prof. Dr. Ralf Kornhuber ist Mathematiker, hat ein Faible für Konfuzius und liebt die Zusammenarbeit von Theorie und Praxis

WIR: Was passiert, wenn man in einer Sommerschule zur Modellierung von Energie- und Massentransport durch poröse Medien Studierende der Mathematik, der Geowissenschaften und Leute aus der Praxis zusammenbringt?

Ralf Kornhuber: Vorurteile werden in Frage gestellt und manchmal auch Weltbilder erschüttert. Natürlich war allen klar, dass man physikalische Sachverhalte mit Formeln beschreibt – was in diesem Falle unweigerlich zu partiellen Differentialgleichungen führt. Aber da hörte es dann auch  schon auf. Eine belastbare Gemeinsam keit ist das praktische Problem. Alle wollen halt wissen, wie’s strömt.

WIR: Und wie haben Sie das dann herausgefunden?

Ralf Kornhuber: Es gab Vorträge zur Vermittlung der Grundlagen, praktische Übungen und schließlich haben sich die Teilnehmer dann aber gegenseitig erklärt – in den Pausen und abends in der Kneipe. Die Vorträge hatten dabei einen überraschenden Nebeneffekt. Einerseits polarisierten sie die Teilnehmer nach Fächern, andererseits schufen sie für die Angehörigen der jeweiligen Disziplin einen Identifikationspunkt. Sie fühlten sich als Fachleute angesprochen, und das half ihnen, ihren Platz zu finden.

WIR: Aber verhindert das denn nicht die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die doch eigentlich gewollt ist?

Ralf Kornhuber: Ganz im Gegenteil. Was wir in der Sommerschule erlebt haben, wirft ein Licht auf das, was in der regulären Lehre meistens fehlt: Die konstruktive Auseinandersetzung mit den natürlichen Grenzen des eigenen Fachs. Natürlich muss jedes Fach zunächst seine Studierenden sozialisieren. Das heißt, sie müssen lernen, die Qualitätskriterien, die Ziele, die Sprache und die erforderlichen Kompetenzen ihres Faches zu beherrschen. Aber was passiert, wenn sie plötzlich auf Vertreter anderer Fächer treffen? Dann bedarf es schon einer gewissen Souveränität, bevor man zu einem fruchtbaren Austausch gelangt. Es hat sicher auch geholfen, dass die drei  Veranstalter sich gerade in diesem Punkt blind verstehen. Wir haben in der Sommerschule so ziemlich alle unsere Ziele erreicht, aber wir sind auf anderen Wegen hingekommen, als wir gedacht hatten.

WIR: Wie könnte man so einen Erfolg verstetigen?

Ralf Kornhuber: Die Sommerschule hat uns allen viel Spaß gemacht. Ich finde es zum Beispiel sehr gut, wie Ulf Bayer, der Geowissenschaftler, von Anfang an die Mathematik ins Spiel gebracht hat und Hans- Jörg Diersch mit seiner Firma kurz einmal ein paar Mannwochen investiert. So etwas kann man nicht politisch verordnen. Es gibt halt Leute, die so etwas wollen, können und auch tun. Ich kenne da noch einige andere. Hätten wir uns in unserer Sommerschule an einem starren Schema orientiert, wären wir sicher gescheitert.

WIR: Sie sind nicht gescheitert und wollen deshalb auch in diesem Jahr wieder eine Sommerschule anbieten. Werden Sie etwas ändern?

Ralf Kornhuber: Die einführenden Vorträge werden wir beibehalten – nicht zuletzt zur Selbstvergewisserung der Teilnehmer. Auch sonst wird die Sommerschule 2006 im Großen und Ganzen wieder so vonstatten gehen wie beim ersten Mal. Allerdings werden wir mit der Zeit gehen und noch konsequenter Konfuzius folgen.

WIR: Ja?

Ralf Kornhuber: Konfuzius wurde gefragt, was er täte, wenn er einen Tag lang Kaiser wäre.

WIR: Was hat er gesagt?

Ralf Kornhuber: „Ich würde die Begriffe klären“.

Interview: Susanne Weiss


Im September 2005 veranstaltete Prof. Dr. Ralf Kornhuber gemeinsam mit Prof. Dr. Ulf Bayer, Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität und GeoForschungsZentrum Potsdam, sowie Prof. Hans-Jörg Diersch von der WASY GmbH, einem mittelständischen Berliner Unternehmen für wasserwirtschaftliche Planung und Systemforschung, eine Sommerschule mit dem Titel „Modelling of Mass and Energy Transport in Porous Media With Practical Applications“. Das Ziel war, über traditionelle Fächergrenzen hinweg Mathematiker, Geowissenschaftler und Praktiker zum gemeinsamen Lernen und Arbeiten zusammenzubringen. Die Sommerschule war so erfolgreich, dass sie auch 2006 stattfand.