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Schlösser, Ämter, Staatsgebäude

Hammer-Schenk

Hammer-Schenk

Prof. Dr. Harold Hammer-Schenk ist Architekturhistoriker, findet die Rostlaube „total pfiffig“ und meint, dass Staatsarchitektur ruhig ein bisschen größer sein darf.

Ist Bescheidenheit die wahre Zier der Staatsarchitektur – oder darf’s ein bisschen größer sein?

Das Charakteristikum von Staatsarchitektur ist natürlich Monumentalität. In Bonn wollte man aber Repräsentation vermeiden. Durch den Bruch in der deutschen Geschichte kam Imponiergehabe nicht in Frage. Auch bei den Hauptquartieren der Industrie gab es viel Bungalow-Architektur – genau wie beim Bonner Bundeskanzleramt.

In Berlin ist alles größer, der Regierungssitz ist ein repräsentativer Bau, für einige vielleicht etwas protzig. Dabei sind die klassischen Insignien der Macht spielerisch gebrochen: Die Pfeiler nehmen durch Anordnung und Bepflanzung alles Monumentale zurück, und der Ehrenhof, der zwar angelegt ist wie in einem barocken Schloss, führt nicht auf eine Treppe in der Mittelachse. Es gibt nur seitliche Aufgänge.

Die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank arbeiteten dennoch bewusst gegen die Bonner Bescheidenheit. Das Land war wiedervereinigt, wollte wieder einen selbstbewussten Platz in der Welt einnehmen und das auch zeigen.

Wirkt trotz der Brechungen der Bau nicht schon aufgrund seiner Größe abweisend?

Ein repräsentativer Bau macht neugierig, die Besucher kommen in Strömen ins Bundeskanzleramt. Natürlich mildert die Teilhabe an der Repräsentation möglichen Widerstand, wenn man nicht hineinkäme, gäbe es sicher Unmut. Der Kolonnadengang ist zwar Luxus, weil er keine Funktion hat. Aber dieser Luxus der Repräsentation steht dem Staat gut an. Der Bau stellt etwas dar. Das wirkt auch identitätsstiftend. Der Bonner Kanzlerbungalow konnte das nicht leisten. Und die Vorspiegelung einer Privatsphäre sagte auch: Nicht eintreten! Tatsächlich war dort die Macht viel abgeschotteter.

Als Problem erweist sich allzu große Zurückgenommenheit zum Beispiel bei der Gemäldegalerie. Sie wird nicht als „Staatsgebäude“ wahrgenommen – und auch Museen sind Staatsgebäude. Man wird nicht neugierig und geht nicht hin. Das Pergamonmuseum hat zwar nicht unbedingt die aufregenderen Exponate, aber die monumentale Architektur zieht die Leute an.

Sollten also auch Universitäten Wert auf ihr Äußeres legen?

Ja, auch Universitäten sind Staatsgebäude. Mit einem Bau wie der Philologischen Bibliothek mit der Kuppel von Norman Foster will sich die Freie Universität als weltoffen und innovativ präsentieren. Auch die Rostlaube war zu ihrer Zeit Weltarchitektur. Der wellige Fußboden ist wie eine Landschaft, total pfiffig. Man verläuft sich zwar ständig. Aber es ist das Schwierige, an das man sich erinnert. Es ist wie mit Gesichtern. Belanglose Glätte ist eben so dumm wie die belanglose Schönheit von Models. Am Reibungslosen gleitet die Erinnerung ab.

Dann werden Berlin-Besucher die französische Botschaft am Pariser Platz wohl in ewiger Erinnerung behalten?

Die französische Botschaft ist schwierig. Sie ist ein Stein des Anstoßes. Aber das kann auch anregend sein. Außergewöhnliche Architektur verändert die Sehgewohnheiten. Sie ist immer noch besser als die langweilige Retroarchitektur des Adlon oder die Kulissenarchitektur der Schlossbaupläne, wo mit Dübeln und Haken die Historie an den Rohbau geheftet werden soll.

Also kein neues Schloss für Berlin?

Man kann das „alte“ Schloss nicht „neu“ bauen. Es ist weg. Ich halte die unreflektierte Suche nach Idylle, den Wunsch, es sich in der Weltflucht hübsch zu machen, für bedenklich. Das ist Disneyland, die Herabwürdigung einer Hauptstadt. Man muss den Mut haben, sich der Geschichte zu stellen. Man kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen.

Die Fragen stellte Susanne Weiss