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Grundlagen, Forschung, Anwendung

Prof. Stock

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Prof. Dr. Günter Stock <br/> Foto: Schering

Prof. Dr. Günter Stock Foto: Schering

Prof. Dr. Günter Stock ist als Mitglied im Vorstand der Schering AG verantwortlich für die Forschung und wünscht sich mehr Zusammenarbeit zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.

Derzeit ist viel von Clusterbildung in der Region Berlin-Brandenburg die Rede - insbesondere im Bereich Biotechnologie und Lebenswissenschaften. Muss man solche Cluster induzieren, oder wachsen sie quasi organisch?

Der Idealfall ist natürlich, auf Vorhandenes zurückgreifen zu können und dabei bestehende Ressourcen zu verstärken. Das schließt allerdings immer die gesamte Wertschöpfungskette ein: von der Grundlagen- über die anwendungsbezogene Forschung bis zur Produktion im Unternehmen. In der Region Berlin-Brandenburg gibt es exzellente Forschung in den Lebenswissenschaften. Es gibt außerdem eine Reihe von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und zahlreiche Unternehmen im biotechnologischen, medizinischen und pharmazeutischen Bereich. Ein Cluster Lebenswissenschaften bietet sich da geradezu an.

Große Unternehmen wie das Ihre haben eigene Forschungsabteilungen. Welche Rolle spielt für Sie die universitäre Forschung?

Die Arbeiten am Genom, in der Strukturbiologie, überhaupt der ganze Bereich der molekularen Medizin, haben die Lebenswissenschaften in Bewegung gebracht und eine ganze Reihe neuer Fragen aufgeworfen. Die pharmazeutische Forschung hat durch diese neuen Entwicklungen enorme Impulse erfahren. Im Unternehmen müssen wir zwar die Forschung am Ende in Medikamente „übersetzen", aber um das bewältigen zu können, brauchen wir die Kooperation mit der universitären Forschung. Fortschritt ist nur möglich durch die Arbeit im Verbund, und von public private partnership profitieren beide Seiten. Das Resultat sind bessere Medikamente.

Kann es bei der Zusammenarbeit nicht zu einem Konflikt zwischen Grundlagenforschung und anwendungsbezogener Forschung kommen?

In der biologischen und medizinischen Forschung hat das nie gestimmt. Die Forschung, die sich direkt auf den Menschen bezieht, war immer a priori anwendungsbezogen. Ich bezweifle, dass die Diskussion überhaupt trifft. Der Fehler der Debatte ist doch, dass man viel zu früh entscheiden will, was Grundlagenforschung und was anwendungsbezogen ist. Wir wissen inzwischen, dass viele Forschungsprojekte, die auf die Produktion einer Anwendung hin konzipiert sind, stattdessen wichtige Ergebnisse für die Grundlagenforschung liefern - und umgekehrt. Man muss fähig sein, sich vom Ausgang des Experiments überraschen zu lassen.

Im „Jahrhundert der Biologie" scheint es gelegentlich, dass die Naturwissenschaften die letzten Fragen der Menschheit unter sich aus machen. Wo bleiben da die Geisteswissenschaften?

Um die Welt als Ganzes verstehen zu können, braucht man die Geisteswissenschaften unbedingt. Leider sind sie bei der Annäherung an die Naturwissenschaften immer noch etwas zu scheu. Wissenschaftsjournalismus hat hier übrigens eine wichtige Aufgabe: Nämlich die eine Forschungskultur für die andere verständlich zu machen und überhaupt erst einmal Fragefähigkeit herzustellen.

Zwischen der Schering AG und der FU gibt es tradionell gute Kontakte. Wie sehen die aus?

Viele unserer wissenschaftlichen Mitarbeiter haben dort studiert, und etliche von ihnen lesen als Lehrbeauftragte oder Honorarprofessoren an der FU. Wir betreuen seit jeher gemeinsam Diplomanden und Doktoranden. Hin und wieder sind wir auch mit Forschergruppen in die wissenschaftliche Arbeit an der FU eingebunden.

Experten empfehlen bei der Clusterbildung eine Bestandsanalyse der Stärken und Schwächen. Wie ist Ihre Bestandsanalyse für den BioCampus Dahlem der Freien Universität?

Es ist eine wichtige Ansammlung wissenschaftlicher Kompetenz im Berliner Süden. Allerdings zeigt sich hier wie überall in Berlin ein Problem: Es fehlt venture capital, um die guten Ideen und die innovative Forschung, die in Dahlem produziert werden, wirklich gedeihen zu lassen und zur Marktreife führen zu können.

Die Fragen stellte Susanne Weiss.