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Masse statt Klasse? Lebensmittelsicherheit gibt's nicht zum Nulltarif

Prof Goetz Hildebrandt

Prof Goetz Hildebrandt

Prof. Dr. Goetz Hildebrandt

Prof. Dr. Goetz Hildebrandt

„Stellt euch vor, es ist BSE und keiner geht ein“. Mit dieser Provokation beendete Prof. Goetz Hildebrandt 1996 auf einer veterinär- medizinischen Tagung seinen Fachvortrag über die Angst vor dem Rinderwahn. Das brachte ihm inmitten des von BSE-Angst und Panikmache durch die Medien geplagten Landes mehr Feinde als Freunde ein – aber er behielt bislang Recht: „Noch ist in Deutschland kein Mensch an den Folgen von BSE erkrankt“, sagt der Veterinärmediziner. Hildebrandt leitet das Institut für Lebensmittelhygiene, wo der Produktionsprozess von Lebensmitteln „vom Feld bis auf den Tisch“ untersucht wird.

Herr Hildebrandt, ist deutsches Rindfleisch sicher?

Deutsches Rindfleisch ist auch in BSE-Zeiten sicher. Woran es krankt, ist die Diskussionskultur. Beim ersten BSE-Fall in Deutschland 1992 wurde das Risiko von den einen überschätzt, andere wieder unterschätzten es. Die Abwiegler setzten sich zunächst durch, denn es stellte sich heraus, dass das kranke Rind aus England stammte. Aber EU-Experten warnten schon damals, dass dieses Problem noch einmal auf Deutschland zukommen würde. Es wäre klug gewesen, miteinander einen vernünftigen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten. Stattdessen traf die BSE-Krise im November 2000 Deutschland vollkommen unvorbereitet.

Welche Fragen gibt es in der BSE-Forschung noch zu klären?

In der BSE-Forschung gibt es bis heute höchste wissenschaftliche Anerkennung zu ernten, vielleicht sogar einen zweiten Nobelpreis. Denn die Prionentheorie, die besagt, dass BSE durch unbelebte Proteine übertragen wird, ist noch nicht ganz bewiesen. Doch das eigentliche Problem ist, dass renommierte BSE-Forscher zwar ausgezeichnete molekularbiologische Forschung betreiben, aber häufig kaum wissen, was im Schlachthof und beim Metzger mit dem Fleisch passiert. Um aber ein Risiko erkennen und eindämmen zu können, sind solche Kenntnisse unverzichtbar. In unserer Arbeitsgruppe erforschen wir zum Beispiel das Risiko bei der Verarbeitung bisher nicht beachteter Nervenknoten, in denen sich Prionen ebenfalls vermehren können.

Wie gehen Sie an solche Forschungsthemen heran?

Die Produktion von Lebensmitteln ist hoch komplex. Man muss die Tierhaltung und Fütterung, die legalen und illegalen Warenströme, die hygienischen Vorschriften und vieles andere mehr vernetzt betrachten. Die Globalisierung und das Entstehen der europäischen Freihandelszone machen es noch komplizierter. Aber es ist notwendig, diese Dinge zu erforschen und zu kontrollieren.

Und das kostet Geld. Die Deutschen geben heute etwa 10 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Es gab Zeiten, da lag der Anteil bei 40 Prozent. Ist uns gute Nahrung nichts mehr wert?

Das Lebensmittel erlebt einen Wertverfall. Einerseits sollen Lebensmittel gesund und sicher sein. Aber andererseits sind wir nicht bereit, dafür auch Geld auszugeben. Dabei wissen wir im Grunde, dass nicht viel wert ist, was nicht viel kostet.

Nimmt die Qualität der Lebensmittel denn tatsächlich ab?

Ich sehe vor allem einen immer schärfer werdenden Konkurrenzkampf um Marktanteile. Die Verbraucher unterstützen das mit ihrem Kaufverhalten. Und osteuropäische und asiatische Produzenten setzen die deutschen Lebensmittelhersteller zusätzlich mit sehr billigen Produkten unter Druck.

Die Fragen stellte Dietrich von Richthofen.