Der Kampf gegen die Resistenz
Traditionelle Heilmittel bieten Alternativen zu Antibiotika
Sorgloser Einsatz von Antibiotika in Krankenhäusern oder in der Tierhaltung führte in vielen Industrieländern zur Entstehung multiresistenter Bakterienstämme. Gegen viele Erkrankungen sind diese einst hochwirksamen Medikamente machtlos geworden. Alternativen sind auch bei der Bekämpfung tropisch-parasitärer Erkrankungen gefragt, von denen Millionen Menschen, besonders in armen Ländern, betroffen sind.
Die Suche nach Wirkstoffen gegen Leishmanien und Trypanosomen wird von der WHO gegenwärtig als eine ihrer wichtigen Aufgaben angesehen, denn derzeitige Therapeutika haben starke Nebenwirkungen. Prof. Dr. Herbert Kolodziej und seine Arbeitsgruppe arbeiten daran, Inhaltsstoffmuster bisher nicht oder nur unzureichend erforschter Arznei- und Heilpflanzen zu charakterisieren, neue Substanzen zu finden und deren Wirkmechanismen zu verstehen.
Manch eine Charakterpflanze des süddeutschen Balkons segelt unter falscher Flagge. Denn die meisten Geranien sind eigentlich Pelargonien, und ihre Vorfahren stammen aus dem südlichen Afrika. Eine von ihnen, Pelargonium sidoides, wird in ihrer Heimat als Wurzelextrakt oder -pulver seit jeher bei Atemwegserkrankungen eingesetzt. Die Pelargonien fanden in kolonialen Zeiten den Weg auf die britische Insel, jedoch zumeist als Zierpflanzen. Der englische Major Stevens, der 1897 nach Europa zurückkehrte, brachte eine pflanzliche Zubereitung mit, deren Quelle sich ebenfalls als Pelargonie erwies. Ein Heilkundiger aus dem Volk der Basuto hatte ihn damit von seiner Tuberkuloseerkrankung geheilt. Eine Zeitlang vertrieb er die Medizin als „Steven’s Cure“, doch in England war man dem Major nicht wohlgesonnen und „entlarvte“ ihn als Betrüger.
Pelargonium sidoides
Auf dem Kontinent hingegen wurde der Wurzelextrakt aus dem südafrikanischen Pelargonium sidoides lange als Tuberkulose-Mittel eingesetzt, bis man es durch synthetische Präparaten ersetzte. Heute wird ein modernes, weiter entwickeltes Phytotherapeutikum aus der Pelargonie unter dem Namen „Umckaloabo“ (Hersteller: ISO-Arzneimittel, Ettlingen) bei akuten und chronischen Infektionen der Atemwege und des HNO-Bereichs angewendet. Man verabreicht es bei Angina und schwerem Schnupfen, bei Bronchitis und Sinusitis, die anfangs oft durch Viren hervorgerufen werden. Das führt zu einer Schwächung der unspezifischen Immunabwehr und sekundär zu einer bakteriellen Superinfektion. Die Behandlung ist schwierig, denn Antibiotika sind gegen Viren nahezu unwirksam, die Bakterien zunehmend resistent. Durch in-vitro Studien mit den aus Pelargonium sidoides gewonnenen Natur stoffen konnte Kolodziej zeigen, dass sie durchweg – wenn auch moderat – antibakterielle Aktivitäten aufweisen, sogar auch gegenüber multiresistenten Staphylokokken-Stämmen. Aber durch die antibakterielle Wirkung allein ließ sich die heilsame Wirkung des Wurzelextraktes nicht erklären, die Viren waren damit noch nicht aus der Welt. „Wir vermuten deshalb, dass die Droge eine Wirkung auf das unspezifische Immunsystem hat“, erkärt der Wissenschaftler.
Aber nicht nur für die Krankheiten des europäischen Winters bietet Pelargonium sidoides eine Behandlungsalternative. In vielen tropischen Ländern sind zahllose Menschen von parasitären Erkrankungen betroffen – oft genug mit tödlichen Folgen. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Berliner Robert- Koch-Institut konnten die Forscher nun in einem Infektionsmodell für viszerale (die inneren Organe oder Eingeweide betreffend) Leishmaniose eine Aktivierung von Makrophagen belegen – die wiederum vom Erreger in der Regel als Wirtszellen benutzt werden. Der verschanzt sich im Inneren dieser Zellen in einer Vakuole – einem von einer Membran umschlossenen Kompartiment, wo ihn Medikamente nur schwer erreichen können. Kolodziej entdeckte eine Art Hilfe zur Selbsthilfe für die Makrophagen. Er konnte zeigen, dass der Spezialextrakt sowie einige Inhaltsstoffe von Pelargonium sidoides in den befallenen Zellen einen Verteidigungsmechanismus in Gang setzen. Denn sie regen die Bildung von giftigem Stickstoffmonoxid (NO) an und induzieren die Freisetzung von Zytokinen, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Auch hier hatte sich die Suche nach Alternativen gelohnt.
SW