Prof. Dr. Eberhard Schult
18.12.2025
Prof. Dr. Eberhard Schult hatte von 1991 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 die Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Freien Universität inne. Er verstarb am 10. November 2025 im Alter von 82 Jahren.
Lesen Sie hier einen Nachruf des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft:
Prof. Dr. Eberhard Schult (1943 – 2025)
Am 10.11.2025 ist Prof. Dr. Eberhard Schult im Alter von 82 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Die Freie Universität Berlin verliert mit ihm einen hochgeschätzten Wissenschaftler, Lehrer und Kollegen. Als seine akademischen Schüler möchten wir seinen Lebensweg würdigen.
Eberhard Schult wurde in Potsdam geboren. Lange vor dem Mauerbau siedelte seine Familie nach Berlin (West) über. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und promovierte dort 1971 im Bereich Operations Research. 1973 legte er, ohne Besuch eines Vorbereitungskurses, das Steuerberaterexamen ab, nachdem er sich allein anhand früherer Examensaufgaben vorbereitet hatte. 1976 folgte die Habilitation, gefördert durch ein Habilitationsstipendium der DFG. Die TU Berlin war zu dieser Zeit ein akademisches Zentrum der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre; Schult arbeitete dort unter anderem mit Bernd Aschfalk, Sven Hellfors, Alexander Marettek und Theo Siegel zusammen.
1978 nahm er einen Ruf an die Universität Essen an. Von dort wechselte er 1991 an die Freie Universität Berlin, an der er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 eine Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre innehatte.
In der Forschung galt sein Hauptinteresse den Schnittstellen zwischen Steuern und Operations Research/Optimierung, insbesondere bei der Analyse von Steuertarifen und der Erweiterung der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre (etwa zu den Fragen der Rechtsformwahl und Finanzierung) um steuerliche Elemente.
Hervorzuheben ist seine Analyse des Differenzsteuersatzes (z.B. „Grenzsteuerrechnung versus Differenzsteuerrechnung“, Wpg 1979, 376ff.). Er konnte zeigen, dass der Differenzsteuersatz für viele Entscheidungen (z.B. Zusatzinvestitionen) der relevante Steuersatz ist und dass er sich bei linear-progressiven Tarifen häufig ohne Kenntnis der gesamten Steuerlast bestimmen lässt („Zur Ermittlung von Grenz- und insbesondere Differenzsteuersätzen nach der Vereinfachung des Einkommensteuertarifs 1990“, SteuerStud 1990, 379ff., mit H. Richter). Der Beitrag „Die Progressionsglättung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG-Entwurf: Steuersätze bis zu 265 %“, DStR 1999, 131ff. (mit M. Henning und J. Hundsdoerfer), prägte die nachfolgende Tarifforschung (vgl. zuletzt und mit vielen Nachweisen Schomaker, „Tarifverwerfungen im Kontext von § 34 Abs. 1 EStG“, Diss. Duisburg, 2024). Modern war auch sein Interesse an Lösungsheuristiken für komplexe Planungsprobleme, etwa „Steuerbilanzpolitik - eine Renaissance der Gewinnnivellierung?“, SteuerStud 2003, 314ff. (mit V. Lück).
Eberhard Schult wurde vielen Lehrenden und Studierenden durch seine Lehrbücher bekannt. Wegweisend war insbesondere Band 3 (Steuerpolitik) seines dreibändigen Lehrwerks „Die Steuern des Betriebs“, das schon im Jahr 1977 die Steuergestaltung aus betriebswirtschaftlicher Sicht systematisierte. Später fasste er dieses Werk zu einem Lehrbuch zusammen, dessen vierte Auflage im Jahr 2002 unter dem Titel „Betriebswirtschaftliche Steuerlehre“ erschien. Auch war er ein Pionier der computergestützten Steuerplanung, wie seine Lehrbücher „Steuerbasic“ (3. Aufl. München/Wien 1993) und „Steuerplanung für die Praxis - Programmgestützte Steueroptimierung“ (Berlin 2005, mit T. Freyer) zeigen. Sein wohl bekanntestes Lehrbuch behandelt allerdings nicht den Steuerbereich, sondern die Jahresabschlussanalyse: Bilanzanalyse - Möglichkeiten und Grenzen externer Unternehmensbeurteilung, 11. Aufl. Berlin 2003, mit T. Freyer. Es wird seit 2008 von G. Brösel weitergeführt.
Im Fachbereich engagierte sich Eberhard Schult über viele Jahre hinweg, unter anderem als Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Anfang der 1990er Jahre bot er zudem an der Humboldt-Universität zu Berlin zusätzliche Lehrveranstaltungen an, um Studierenden aus der Hochschule für Ökonomie den Übergang zu erleichtern.
Als Schüler haben wir an Eberhard Schult besonders die kompromisslose akademische Freiheit geschätzt. Er hat uns niemals Forschungsthemen „vorgesetzt“, sondern stets die Überzeugung gelebt, dass Einengungen wissenschaftliche Kreativität behindert. Für intensive Streitgespräche über die von uns ausgewählten Themen und unsere Ergebnisse war er stets offen, und diese Diskussionen empfand er nicht als Belastung, sondern als Bereicherung. Diese gelebte Freiheit umfasste auch die Organisation des Arbeitsalltags und der Lehre (z.B. Gestaltung von Übungen).
Er hat uns durch den großen Freiraum in unserer persönlichen und akademischen Entwicklung erheblich geprägt und gefördert. Auf diese Weise konnten wir bereits früh in Verantwortung hineinwachsen und eigene Schwerpunkte in Forschung und Lehre entwickeln. Dies dürfte auch mitverantwortlich dafür sein, dass fünf Inhaber von Professuren im Fach „Betriebswirtschaftliche Steuerlehre“ (chronologisch: Prof. Dr. Axel Beranek: Fachhochschule Dortmund, Prof. Dr. Heiner Richter: Hochschule Stralsund, Prof. Dr. Jochen Hundsdoerfer: Freie Universität Berlin, Prof. Dr. Kay Blaufus: Leibniz-Universität Hannover, Prof. Dr. Sebastian Eichfelder: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) bei Eberhard Schult promoviert und inzwischen auch eigene erfolgreiche Schüler hervorgebracht haben (etwa Prof. Dr. Frank Hechtner an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. Eva Matthaei an der Radboud Universiteit Nijmegen, Dr. Michael Milde an der Georg-August-Universität Göttingen oder Prof. Dr. Hagen Ackermann an der Hochschule Harz). Dies dokumentiert den großen Beitrag, den Eberhard Schult bei der Ausbildung wissenschaftlichen Nachwuchses geleistet hat.
Wir verlieren mit Eberhard Schult einen geschätzten, treuen und loyalen Doktorvater, der wissenschaftliche Freiheit nicht nur gepredigt sondern auch gelebt hat, einen begeisterten, engagierten und versierten Forscher und Hochschullehrer, der die wissenschaftliche Debatte der vergangenen Jahrzehnte mit gestaltet und geprägt hat, sowie einen echten Freigeist.
Kay Blaufus (Leibniz-Universität Hannover)
Sebastian Eichfelder (Otto-von-Guericke Universität Magdeburg)
Thomas Freyer (Berlin)
Michael Henning (Großheubach)
Jochen Hundsdoerfer (Freie Universität Berlin)
Heiner Richter (Hochschule Stralsund)
