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Wie soll Europa mit Trump umgehen?

Diskussionen zu den Auswirkungen der US-Wahl auf die transatlantischen Beziehungen

07.12.2016

Der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland Richard Nikolaus Kühnel (2.v.l.) erklärt beim Europa-Dialog die Position der Europäischen Union.

Der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland Richard Nikolaus Kühnel (2.v.l.) erklärt beim Europa-Dialog die Position der Europäischen Union.
Bildquelle: Manuel Krane

Der Europa-Dialog im Henry-Ford-Bau der Freien Universität war gut besucht, er wurde zusätzlich via Live-Stream ins Internet übertragen.

Der Europa-Dialog im Henry-Ford-Bau der Freien Universität war gut besucht, er wurde zusätzlich via Live-Stream ins Internet übertragen.
Bildquelle: Manuel Krane

In Kreuzberg diskutierten die Politikwissenschaftler Christian Lammert (li.) von der Freien Universität und Jean C. Robinson (re.) von der Indiana University Bloomington mit Moderatorin Sudha David-Wilp (Mitte) vom German Marshall Fund.

In Kreuzberg diskutierten die Politikwissenschaftler Christian Lammert (li.) von der Freien Universität und Jean C. Robinson (re.) von der Indiana University Bloomington mit Moderatorin Sudha David-Wilp (Mitte) vom German Marshall Fund.
Bildquelle: Judith Winkler

Die Wahl Donald Trumps zum künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten hat auch in Europa viele Menschen verunsichert. Sie fragen sich, wie sich die transatlantischen Beziehungen mit dem Republikaner an der Spitze der USA gestalten werden. Gleich mehrere Diskussionen, die an der Freien Universität oder in ihrem Umfeld stattfanden, befassten sich damit in den vergangenen Wochen. In der Kreuzberger Niederlassung der US-amerikanischen Indiana University – einer Partneruniversität, mit der die Freie Universität seit Jahrzehnten ein Direktaustauschprogramm unterhält – diskutierten Wissenschaftler der Freien Universität und der Indiana University miteinander. Der Berliner Europa-Dialog in Dahlem war mit der Frage „Does Europe still matter?“ („Ist Europa noch wichtig?“) überschrieben. Es diskutierten Zeke Turner vom Wall Street Journal, Richard Nikolaus Kühnel von der EU-Kommission, Jacob Schrot von der Initiative Junge Transatlantiker und Politikwissenschaftlerin Professorin Anne Viola vom John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität. Die Moderation hatte die Politikwissenschaftlerin Professorin Eva Heidbreder vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität.

Die ersten Personalentscheidungen Trumps waren zum Zeitpunkt der Diskussion bekannt, sodass sich die Debatte im Henry-Ford-Bau der Freien Universität anfangs um die Frage drehte, mit wem es Europa zukünftig eigentlich zu tun haben werde. Die Erwartung vieler Europäer, Trump werde wichtige Posten mit erfahrenen Republikanern besetzen, sei jedenfalls enttäuscht worden, sagt Jacob Schrot von der Initiative Junge Transatlantiker. Die Personalentscheidungen, die bis zu dem Diskussionsabend bekannt waren, machten ihm jedenfalls keinen Mut: „Es ist eine Katastrophe“, sagte Schrot. Der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, Richard Nikolaus Kühnel, gab sich da optimistischer. Zwar sei es auch für ihn eine neue Situation, dass man wenig über die zukünftigen Mitstreiter eines US-Präsidenten wisse. „Wir haben aber auf europäischer Seite signalisiert, dass wir offen für Gespräche sind“, sagte Kühnel, „einige Akteure kennen wir, andere werden wir kennenlernen – und andere werden uns kennenlernen.“

Ob man Trump unterschätzt habe? Durch die Kandidatur Hillary Clintons wäre es für die Republikaner einfach gewesen, sagte Anne Viola. „Sie war eine der unbeliebtesten Kandidatinnen, die wir je gehabt haben, sie stand für das Establishment“, sagte die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin der Freien Universität. Ob Bernie Sanders ein besserer Kandidat gewesen wäre – daran bestanden mehrheitlich Zweifel. Anne Viola verwies darauf, dass Sanders und Trump in den USA eigentlich anderen Parteien zuzuordnen seien, Sanders stehe links von den Demokraten und auch zwischen Trump und den Republikanern gebe es programmatische Unterschiede. Aber aufgrund des Wahlsystems, das nur zwei Parteien realistische Chancen auf das Präsidentenamt lässt, seien beide bei ihren jetzigen Parteien gelandet. Das sei aber auch mit Veränderungen in der Wählerschaft zu erklären, warf Eva Heidbreder ein. Es gebe weltweit eine Spaltung in Moderne Grüne (Modern Green Left) und Traditionalisten. Parteien, die weiterhin nach einem Links-Rechts-Schema funktionierten, hätten Probleme, dieser Spaltung zu begegnen.

Umfragen haben nicht versagt

Ein weiteres Thema der Diskussion war die Rolle der Medien im US-Wahlkampf. Meinungsforschungsinstitute hatten im Vorfeld übereinstimmend einen Wahlsieg Hillary Clintons voraus prognostiziert. Die Demokratin hatte, wie in den Umfragen vorhergesagt, die meisten Stimmen auf sich vereinigen können, sagte Anne Viola. Außerdem sei Donald Trump eine Siegeswahrscheinlichkeit von 20 bis 25 Prozent prophezeit worden. „Das sind keine kleinen Werte“, sagt Viola.

Es blieb die Frage, was von Trump als US-Präsident zu erwarten sei. Mit den angekündigten Infrastrukturprojekten werde es jedenfalls schwierig werden, sagte Moderatorin und Politikwissenschaftlerin Eva Heidbreder: „Ein Jobwunder zu schaffen in einem Sektor, in dem jetzt schon Arbeitskräftemangel herrscht, und gleichzeitig diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, aus dem Land abzuschieben, ist schwierig.“ Anne Viola sah das ähnlich: „Arbeitsplätze, die jetzt schon weg sind, werden nicht zurückkommen. Das anzunehmen, wäre illusorisch.“ Was aber passiere, wenn Trump seine Wahlversprechen nicht werde umsetzen können, mochte niemand so recht vorhersagen. „Er hatte bisher immer das Talent, die Schuld von sich zu weisen“, sagte Viola über Trumps Umgang mit Kritik. Ohnehin hätten sich viele Gruppen, die vor Trump gewarnt haben, mittlerweile mit ihm arrangiert. Zeke Turner nannte als Beispiel Firmen, die anfangs einen wirtschaftlichen Zusammenbruch Amerikas befürchtet hatten. „Jetzt freuen sie sich auf die niedrigeren Steuersätze“, sagt der Journalist des Wall Street Journals.

Speaker Series in Kooperation mit der Indiana University

Im Gateway Office Europe der Indiana University in Kreuzberg diskutierten der Politikwissenschaftler Christian Lammert vom John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität und die Politikwissenschaftlerin Jean C. Robinson von der Indidana University in Bloomington mit der Moderatorin Sudha David-Wilp vom German Marshall Fund. Auch dort wurde die Frage aufgeworfen, warum das Ergebnis der Wahl nicht vorhergesehen worden und wie es zustande gekommen sei. Die Veranstaltung fand im Rahmen der „Speaker Series“ statt, die von Freier Universität und Indiana University gemeinsam getragen wird, um den wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Der Auftakt der Veranstaltungsreihe hatte im September in Bloomington stattgefunden, eine weitere Diskussion wird es im Januar in Berlin geben.

Weitere Informationen

Die Reihe „Berliner Europa-Dialog“ wird vom Europäischen Informationszentrum Berlin, dem Dokumentationszentrum Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität und der Europa-Union Berlin getragen.