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Institut

Innenansicht

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Bildquelle: Michael Fahrig

Die Turkologie befasst sich mit Sprachen und Kulturen der türksprachigen Völker in Vergangenheit und Gegenwart. Die ältesten türkischen Texte stammen aus dem frühen 8. Jahrhundert aus dem Gebiet der heutigen Mongolei. Die Suche nach den Ursprüngen des Türkischen und seiner Sprecher führt somit auch in die eurasische Geschichte und ihrer oft schriftlosen Kulturen.

Heute besteht die türkische Sprachfamilie aus etwas mehr als 20 Sprachen, darunter Staatssprachen wie (Türkei-) Türkisch, Usbekisch, Aserbaidschanisch, Kasachisch, Kirgisisch und Türkmenisch, aber auch kleine und kleinste Gruppen wie Salarisch (in China), Tuvinisch und Altai- Türkisch (in Sibirien) sowie Karaimisch und Gagausisch (in Osteuropa). Hinzu kommen die sprachlichen Zeugnisse der mittel- und der alttürkischen Periode, von denen Letztere zu einem nicht geringen Teil seit Jahrzehnten an der (heutigen) Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bearbeitet werden.

Das Institut für Turkologie sieht sich in der Tradition von Willi Bang(-Kaup) (1869–1934), der an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität geforscht und gelehrt hat und als Begründer der modernen Turkologie mit ihrer philologisch-sprachwissenschaftlichen Ausrichtung gilt.

Es steht damit dem Institut in Göttingen am nächsten, mit dem auch enge Kooperationen bestehen. Grundlegend für Studierende sind neben gründlichen Kenntnissen der türkischen Grammatik fundierte Kenntnisse über Geschichte und Kulturen Zentralasiens, des Nahen und Mittleren Ostens sowie Osteuropas. Anders als die osmanistische Richtung, die sich speziell der Sprache und Kultur des Osmanischen Reiches widmet – etwa die Institute in Bamberg und München –, wird die Gesamtheit der Türksprachen und ihrer Sprecher betrachtet.

Am Institut für Turkologie der Freien Universität Berlin werden somit keine sozial- oder regionalwissenschaftlichen Fragen verfolgt, die in die Arbeitsgebiete von Türkeistudien – den „Turkish Studies“ –, der Islamwissenschaft und von anderen Fächern fallen.

Infolge der engen Verzahnung der Geschichte der türksprachigen Völker mit der Russlands ist das Russische eine der wesentlichen Forschungssprachen der Turkologie. Für die ältere Zeit sind vor allem Persisch und andere iranische Sprachen von Relevanz.

Das Institut für Turkologie an der Freien Universität Berlin wurde zum Wintersemester 1990/1991 gegründet. Inhaberin der ersten Professur war Barbara Kellner-Heinkele, die zunächst in Räumlichkeiten in der Podbielskiallee 58 residierte, bis zum Sommersemester 1996 erstmals Veranstaltungen in der Villa in der Schwendenerstraße 33 angeboten werden konnten. Barbara Kellner-Heinkele prägte bis zum Eintritt in den Ruhestand 2006 die Arbeit des Instituts, das 2007 unter die Leitung von Claus Schönig wechselte.

Die Forschungsaktivitäten am Institut für Turkologie konzentrieren sich auf Arbeiten zum Babur-name (einem zentralasiatischen Memoiren-Text aus dem frühen 16. Jahrhundert), zur Klassifikation und Rekonstruktion der Türksprachen und des Proto-Türkischen und zu den türkisch-mongolischen Sprachbeziehungen. Ferner setzen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit historischen Quellen und pseudo-wissenschaftlicher Forschungen auseinander, die in der Türkei im 20. Jahrhundert im Zuge der Schaffung einer nationalen, rassistisch gefärbten Identität umgedeutet und teilweise stark gefälscht wurden.

Hierher gehören etwa die als eigenständige Erzählung nicht existente und tatsächlich dem Mongolischen angehörende „Ergenekon-Legende“ (richtig ärgänä qun), das mythologisch überhöhte Narrativ vom legendären Herrscher Oghuz Kaghan und die ebenfalls religionsund nationalchauvinistisch unterfütterte Idee von der Türk Islam Sentezi, der „türkisch-islamischen Synthese“.