Springe direkt zu Inhalt

"Die Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus" - Ein Erfahrungsbericht

Florian Kowalke, Vertreter für die Arabische Republik Syrien

Als Student eines naturwissenschaftlichen Faches namens "Life Science" kann es einem schon passieren, dass man gefragt wird, ob es überhaupt Sinn macht, an einer politischen Simulation wie der kürzlich von Peggy Wittke organisierten "Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus" teilzunehmen. Eine Frage dieser Art kann eigentlich nur von jemandem gestellt werden, der noch nie selber an solch einer Simulation teilgenommen hat. Denn ansonsten würde derjenige wissen, dass die Erfahrungen, die man auf einer solchen Konferenz macht, alle Teilnehmer belohnen, ob diese nun Politikwissenschaft, Rechtswissenschaften, Fächer wie evangelische Theologie, Kunstgeschichte oder halt Life Science studieren. Eine solche Frage fordert mich deshalb regelmäßig dazu auf, meinem Gegenüber eine ausführliche Antwort zu geben. Denn die Erfahrungen, die für eine Teilnahme an einer solchen studentischen Simulation sprechen, sind sehr vielfältig, so dass es nicht einfach ist, sie auf wenige Sätze zu beschränken.

Der für einen Außenstehenden vielleicht naheliegenste Grund an einem Planspiel teilzunehmen, sind die vielen Informationen, die man sich im Laufe seiner Vorbereitung auf seine Rolle als diplomatischer Vertreter eines anderen Landes anliest. Auf diese Weise erfährt man in der Tat viel über Dinge wie die aktuelle politische Situation in einem zunächst fremden Land, über dessen Probleme, Beziehungen zu Nachbarländern und Großmächten, über die kurz- und mittelfristigen Ziele und über die Geschichte dieses Landes.

Aufgrund dieser andauernden, aktiven Auseinandersetzung mit den vielfältigen Positionen des Landes lernt man neben den vielen nachzulesenden Tatsachen aber auch mehr und mehr die Sichtweise dieses Landes kennen und zuvertreten. Die daraus notwendigerweise resultierende Diskrepanz zwischen persönlichen und zu repräsentierenden Standpunkten wird wohl jedem Teilnehmer im Laufe der Diskussion im Plenum und im Laufe der informellen Verhandlungen mit den Vertretern anderer Länder um Abschnitte, Sätze oder gar um einzelne Wortlaute einer Resolution des Öfteren aufgefallen sein. Als Vertreter der Arabischen Republik Syrien ging mir persönlich das jedenfalls häufig so. Diese geforderte Empathie mit anderen Positionen erleichtert es einem, über die Konferenz hinaus in Diskussionen Zugang zu den Meinungen anderer zu erhalten. Es ist schon hier offensichtlich, dass von solchen Schlüsselfähigkeiten ein jeder Mensch, ganz gleich welchen Beruf er anstrebt, profitieren kann.

Ein weiteres Argument, dem meine Gesprächspartner vor unserer Diskussion wahrscheinlich nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben, ist die Tatsache, dass die Teilnehmer auf einer solchen Konferenz auf unterschiedlichen Wegen lernen, ihre Meinungen in einer dynamischen Gruppe offen zu vertreten. Zu diesen Wegen zählen nicht nur mögliche Diskussionsbeiträge im Plenum, sondern vor allem das Verhalten in informellen Verhandlungen. Beim Erstellen der Resolutionen ist Teamwork gefragt. Um erfolgreich die Resolutionen inhaltlich beeinflussen zu können ist es deshalb notwendig, strategische Allianzen zu bilden und in den Sachfragen durch Überzeugungskraft Partner für die eigenen Ziele zu gewinnen.

Neben all diesen Erfahrungen, die die Teilnehmer machen konnten, bot die Weltkonferenz noch einen weiteren großen Vorteil: Sie stellte Kontakt her nicht nur zu gleichgesinnten Studenten aus Deutschland, sondern auch zu ausländischen Diplomaten eines Fortbildungslehrganges des Auswärtigen Amtes. Es versteht sich natürlich von selbst, dass man innerhalb von zwei hektischen, von Verhandlungen geprägten, anstrengenden Konferenztagen keine festen Bindungen zu jedem einzelnen Teilnehmer knüpfen konnte. Aber dennoch erlaubte dieser flüchtige Kontakt einen häufig wertvollen Gedankenaustausch zwischen Menschen, die sich ohne die Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit überhaupt begegnet wären.

Die Erfahrung, die mich wahrscheinlich am meisten an der Konferenz fasziniert hat, ist, dass die Teilnehmer durch das gesamte Planspiel ständig dazu aufgefordert wurden, politische Ereignisse aus der Sicht von Machthabern einzelner Nationalstaaten zu betrachten. Spielerisch erhielten wir so Zugang zu den Denkmustern, in denen Menschen zu denken gezwungen sind, sobald sie in einer demokratischen Gesellschaft als Repräsentant einer Interessensgruppe auftreten. Von einer Minute auf die andere besaß man nun Verantwortung für Millionen von Menschen, man spürte den Druck der eigenen Bevölkerung und der Opposition im eigenen Land, die nur darauf wartete aus unpopulären, außenpolitischen Handlungen innenpolitisches Kapital zu schlagen. Auf einmal konnte jeder Teilnehmer im wahrsten Sinn nachvollziehen, warum einflussreiche Politiker wider besseren Wissens versuchen, mit unsachlichen, aber populären Argumenten die öffentliche Diskussion so stark wie möglich zu beeinflussen. Aufgrund dieser Erfahrungen fällt es mir heute deshalb auch deutlich leichter, offizielle Kommentare politischer Vertreter als offizielle Meinungen dieses Amtsinhabers und nicht als dessen persönliche Anschauung zu verstehen. Mit Sicherheit wäre ich deutlich weniger gut in der Lage diese Art von Verständnis aufzubringen, wenn ich nie an solch einem politischen Planspiel teilgenommen hätte. Politische Planspiele wie die Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus versetzen die Teilnehmer sehr erfolgreich in die Position von politischen Machthabern. Politische Geschehnisse aus dieser Warte zu beurteilen, ist vor allen Dingen deshalb so wichtig, weil einjeder von uns beklagenswerter Weise daran gewöhnt ist, Demokratie fast aussschließlich aus dem Blickwinkel eines Menschen zu betrachten, der einen großen Teil seiner Verantwortung für die Gesellschaft an gewählte Vertreter abgegeben hat.