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Lehre zu Alternativmethoden

Wo immer es geht: ohne Tiere

Die Kursteilnehmer/innen messen Veränderung der Hirnströme mit dem EEG zum Beispiel während sie Musik hören

Die Kursteilnehmer/innen messen Veränderung der Hirnströme mit dem EEG zum Beispiel während sie Musik hören
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

In vielen Bereichen der Forschung gibt es bis heute keine Alternative zum Tiermodell. Ganz anders in der Lehre: Alternativmethoden sind in Biologie, Pharmazie und Veterinärmedizin bereits fester Bestandteil des Studiums. Sie werden in der Ausbildung der Studierenden eingesetzt und dienen gleichzeitig der Sensibilisierung künftiger Forscher für dieses Thema. Damit sich ganz selbstverständlich folgende Fragen stellen: 

Welche tierfreien Methoden gibt es? Sind sie vielleicht sogar aussagekräftiger als der Standardtierversuch? Und falls es keine Alternative gibt: Wie schone ich die Tiere bestmöglich?

Wie wird dies in den einzelnen Studiengängen umgesetzt?

Biologie

Die Maus ist ein Säugetier – der Mensch bekanntlich auch. Warum also Versuche an Mäusen vornehmen, um Grundlegendes über den tierischen Organismus zu lernen? „Eine generelle Strategie, Praktika tierversuchsfrei zu machen, ist, sie nicht-invasiv zu gestalten und möglichst am Menschen durchzuführen“, sagt FU-Biologin Professorin Ursula Koch. Selbstversuch statt Tierversuch lautet das Motto des Praktikums „Tierphysiologie“ für Biologiestudierende. Klingt vielleicht brutal, ist es aber nicht – sondern ziemlich spannend!

Die Kursteilnehmer leiten gegenseitig ihre Muskelpotentiale über Hautsensoren ab. Sie messen ihre Herzfrequenz vor und nach dem Kaffeetrinken mittels EKG oder die Veränderung der Hirnströme mit dem EEG während sie Musik hören, Matheaufgaben lösen oder „chillen“. Für Tests zur Nierenfunktion müssen sie morgens wahlweise viel Wasser oder salzige Brühe trinken und dann eine Urinprobe abgeben. Blutuntersuchungen werden nur an abgelaufenen Spenden von Blutbanken gemacht und das Material für Gewebeuntersuchungen kommt frisch aus der Fleischtheke des Metzgers.

„Wo wir nicht auf Tiere verzichten können, etwa im Praktikum „Evolution der Tiere“, weichen wir auf Wirbellose aus – wo immer es möglich ist“, betont Ursula Koch. Als Beispiele für Wirbeltiere kommen unter anderem Fische aus Beifängen von Havelfischern oder männliche Küken, die als Tierfutter verkauft werden, auf den Seziertisch.

Bestimmte Funktionen des Nervensystems lassen sich inzwischen sehr gut am Computer simulieren. Ein Seminar zu Ethik und rechtlichen Regelungen bei Tierversuchen darf natürlich auch nicht fehlen.

Pharmazie

Pharmaziestudierende an der Freien Universität Berlin müssen im „Toxikologischen Praktikum“ bereits seit 1992 keine Tierversuche mehr machen. „Anfangs haben wir viel mit Videos gearbeitet, die noch Tierversuche zeigten. Heute zeigen wir Alternativmethoden“, sagt Professorin Monika Schäfer-Korting. In-vitro-Methoden, wie etwa Hautmodelle aus menschlichen Zellen, können Tierversuche in der Lehre bereits vollständig ersetzen. Die Wirkung von Arzneistoffen auf Organe und Gewebe lässt sich aber auch in silico, also mittels speziellen Programmen am Computer, sehr eindrucksvoll darstellen. Bioinformatiker, wie Dr. Markus Weber vom Zuse-Institut Berlin (ZIB), entwickeln mathematische Modelle, mit denen sich die Toxizität von Wirkstoffen aber auch ihr Abbau im Körper simulieren lässt.

Computersimulationen

Bei der Wirkstoffsuche gehören Computersimulationen in der Pharmaindustrie heute zum Standard. Im Pharmaziestudium haben sie ebenfalls ihren Platz, damit die Studierenden Aussagekraft und Einsatzgebiete dieser Methoden kennenlernen. Professor Gerhard Wolber führt mit seinen Lehrveranstaltungen zur Pharmazeutischen Chemie in diese Thematik ein.

Veterinärmedizin

Auch im Tiermedizinstudium, in dem es naturgemäß um die Arbeit an und mit Tieren geht, konnte die Zahl der tatsächlich für die Ausbildung notwendigen Tierversuche stark reduziert werden. Unter anderem durch Initiativen wie das Veterinary Skills Net.

Einen umfassenden Überblick erhalten Doktoranden und Masterstudierende biomedizinischer Fächer im Webinar 3 R und Alternativmethoden zu Tierversuchen in der Forschung und Lehre, welches die Forschungsplattform BB3R jeweils im Sommersemester veranstaltet.