ZdF 4/1997
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Diese Ausgabe ist vergriffen. Ausgewählte Beiträge sind im Rahmen des Open Access Auftritts der FU als OJS-Journal zugänglich. Das Journal findet sich hier: https://zeitschrift-fsed.fu-berlin.de
Zum Inhalt
Auf die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands folgte in den Westzonen der Aufbau einer Demokratie nach westlichem Zuschnitt, über deren Charakter bis zum heutigen Tag mit kaum nachlassender Heftigkeit gestritten wird. Was die einen als „Befreiung“ werten ist für andere „Besatzung“, „Zusammenbruch“ oder „Niederlage“. Dieser Streit hatte und hat gerade in Westdeutschland gute Gründe, da in die Konstitution der auf den Nationalsozialismus folgenden westdeutschen Republik von außen, in ihre Grundlegung als weitgehend „verordnete Demokratie“ (Theo Pirker) die unterschiedlichsten Erfahrungen eingingen. Die Inhaftierten der Konzentrationslager waren befreit worden, während die Angehörigen der deutschen Wehrmacht und weite Teile der Bevölkerung wohl überwiegend einen (nicht nur militärischen) Zusammenbruch erlebten und sich als „Besiegte“ fühlten. Bis in die Sozialwissenschaften hinein führte der von unterschiedlichen subjektiven Erfahrungen geprägte Blick auf das Ende des nationalsozialistischen Deutschlands zu einer unterschiedlichen Kennzeichnung der neu entstehenden westdeutschen Demokratie. Es sollte zweieinhalb Jahrzehnte dauern, bis mit Willy Brandt ein Exponent der doch recht kleinen Minderheit von Widerständigen und Opfern des Nationalsozialismus in die Führungsposition dieser Republik rückte. Mit dem Regierungswechsel hatte die von einigen Beobachtern mißtrauisch beäugte „Bonner Republik“ auch in deren Augen ihre „Feuertaufe“ bestanden.