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Zwischen Rentieren und Rohstoffen

In ihrer Masterarbeit untersuchte Julia Gouffin mit Unterstützung der Ernst-Reuter-Gesellschaft die Auswirkungen des Bergbaus auf die Traditionen der samischen Kultur im schwedischen Kiruna. Ihr Fazit ist eher ernüchternd.

18.05.2025

Blick auf das Bergwerk in Kiruna, das auf einst von den Sami genutztem Land errichtet wurde.

Blick auf das Bergwerk in Kiruna, das auf einst von den Sami genutztem Land errichtet wurde.
Bildquelle: Julia Gouffin

Im Norden Schwedens, in Kiruna, soll der Abbau von Seltenen Erden aus der Lagerstätte „Per Geijer“ beginnen – ein Projekt, das große Auswirkungen auf die samische Bevölkerung haben könnte. Diese indigenen Menschen, die seit Jahrtausenden in der Region leben, sind auf das Land angewiesen, um ihre traditionelle Lebensweise als Rentierhirten zu bewahren. Doch der Bergbau gefährdet nicht nur ihre Existenzgrundlage, sondern auch ihre Kultur.
„Die samische Lebensweise steht bereits jetzt unter Druck: Klimawandel, Infrastrukturprojekte und bestehende Minen zerschneiden das Land, das für die Rentierhaltung unerlässlich ist“, sagt Gouffin. Der Abbau in „Per Geijer“ würde eine wichtige Migrationsroute der Rentiere blockieren. Finanzielle Entschädigungen oder LKW-Transporte zwischen Weideflächen bieten keine langfristige Lösung, da der Zugang zu Weideland entscheidend für das Überleben der Rentiere und damit auch der samischen Kultur ist. Ein Sprecher aus dem Rentierzuchtbezirk „Gabna“ brachte es auf den Punkt: „Es ist eine Tatsache, dass Rentiere kein Geld fressen. Ohne Land sterben die Rentiere, und wenn die Rentiere sterben, stirbt auch die samische Kultur.“

Julia Gouffin untersucht, wie der Bergbau das traditionelle Leben der samischen Kultur beeinflusst.

Julia Gouffin untersucht, wie der Bergbau das traditionelle Leben der samischen Kultur beeinflusst.
Bildquelle: Julia Gouffin

„Obwohl die betroffenen Sami offiziell das Recht haben, ihre Meinung zu äußern, wird ihre Stimme selten gehört“, betont die Masterstudentin. Die Kommunikation des Bergbauunternehmen erfolgt meist einseitig, ohne echte Mitsprachemöglichkeiten. „Die betroffenen Sami erfuhren von der Eröffnung der Mine erst einen Tag vor der Pressekonferenz“, berichtete ein Rentierhirte. Die fehlende Beteiligung und der mangelnde Dialog verstärken das Gefühl der Ignoranz gegenüber ihren Anliegen.
Der Norden Schwedens wird oft als unberührte Wildnis betrachtet – als ein Ort voller Ressourcen, die ausgebeutet werden können. Dass es sich dabei um samisches Kulturland handelt, wird jedoch oft übersehen – die EU und die schwedische Regierung stellen Geld über das Weiterleben der samischen Kultur. Für die Sami ist das Land aber nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, es ist auch ein Ort der kulturellen und spirituellen Identität. Die mangelnde Anerkennung ihrer Rechte und das Fehlen öffentlicher Unterstützung verstärken das Gefühl der Marginalisierung.
Die Rentierhaltung ist weit mehr als ein Beruf – sie ist ein Teil der samischen Identität. Der Verlust dieser traditionellen Praxis würde tiefgreifende Auswirkungen auf das soziale und kulturelle Wohlbefinden der Sami haben. Viele Rentierhirten sind zudem in langwierige Rechtsstreitigkeiten verwickelt, um ihr Land zu schützen, was zusätzlichen Druck auf sie ausübt.
Der geplante Abbau in „Per Geijer“ steht exemplarisch für eine größere weltweite Herausforderung: die Umweltungerechtigkeit gegenüber indigenen Gemeinschaften, die in Rohstoffabbaugebieten leben. Wer den Begriff „Nachhaltigkeit“ ernst meint, muss auch die Perspektiven und Rechte der Sami in den Mittelpunkt stellen, nicht nur ihre Ressourcen ausbeuten – so der Appell der Masterstudentin.

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  • Ernst-Reuter-Gesellschaft
  • Forschung
  • Studium
  • Umwelt