Digitalisierung in Schulen
Kreativität in Studium und Schule
Ich schreibe diesen Text in der fünften Woche der Vorlesungszeit im Sommersemester 2020 – dem Kreativsemester. Alles hat sich für mich irgendwie ergeben, meine Lehrveranstaltungen finden relativ problemlos digital statt und langsam gewöhne ich mich auch daran, ständig mein Abbild auf dem Monitor zu sehen. Die vorhandene digitale Infrastruktur hat den Wechsel ins digitale Studium erleichtert. Wussten Sie vorher, wie viele Funktionen unsere Lernplattform Blackboard hat, oder haben Sie sie auch wie ich ausschließlich zum Downloaden von Seminarlektüre und Vorlesungsfolien genutzt?
Ich fühle mich sehr privilegiert. Ich werde in diesem Semester alle meine Kurse abschließen können, ganz so, wie ich es auch in einem nichtkreativen Semester getan hätte. Und dann blicke ich um mich und lese Berichte von Menschen, die versuchen, ein Kreativschuljahr zu gestalten oder es erfolgreich abzuschließen. Als angehende Lehrkraft sorgen mich Berichte von Eltern und anderen Bezugspersonen, von Lehrkräften, Schulleitungen und Erzieher*innen sowie von Wissenschaftler*innen, die langfristig negative Folgen für Bildungsgerechtigkeitsprozesse erwarten. Obwohl Schulen inzwischen wieder unterrichten und Kindergärten wieder betreuen – die monatelange Schließung von Bildungseinrichtungen hat bei allen Akteur*innen Spuren hinterlassen, die für einige noch schwerer wiegen als für andere.
Digitalisierung als fachübergreifende Aufgabe für Lehrkräfte
Warum ist es für uns Studierende so viel einfacher im Homeoffice zu studieren als für Schüler*innen Zuhause beschult zu werden? Ja, Schüler*innen benötigen eine engmaschigere Betreuung und Begleitung als wir, auch lernen sie eigenständiges Arbeiten und Lernen erst noch. Ich denke, dass wir uns auf eine vorhandene technische Grundausstattung verlassen können, könnte einen der größten Unterschiede machen. Es ist schließlich vollkommen normal, dass Studierende einen Laptop oder mindestens ein Tablet besitzen oder Zugang dazu haben. Auf Schüler*innen trifft dies nicht unbedingt zu. Warum ist der Unterschied der Arbeitsweise zwischen Schule und Uni so groß?
Digitalisierung in der Schule ist seit Jahren ein großes Thema der Bildungspolitik. Leider sind in diesem Punkt bisher nur an einzelnen Schulen Ansätze einer Umsetzung zu erkennen. Diese Schulen konnten in Zeiten von Corona jedoch punkten und ihre Schüler*innen deutlich effektiver begleiten. Doch was heißt ‚Digitalisierung in Schulen‘ eigentlich? Reicht ein Zugang zum Schul-WLAN? Jede*r Schüler*in erhält ein internetfähiges Gerät? Oder reicht der Zugang zu diesem? Was ist mit den Gefahren im digitalen Raum? Und wie werden diese Fragen meine Rolle als Lehrerin bestimmen? Ich kann diese Fragen nicht beantworten. Ich studiere weder Informatik noch habe ich mich mit Themen der Informatikdidaktik sonderlich beschäftigt. Aber auch wenn ich als Deutsch- oder Politiklehrerin tätig sein werde, werden mich diese Fragen beschäftigen. Handy an oder aus im Unterricht? Kann ich Recherche- oder Gestaltungsaufgaben stellen, die den Umgang mit digitaler Technik voraussetzen? WhatsApp-Klassenchat - ja oder nein? Und dürfen Eltern oder Lehrkräfte dazu Zugang haben? Oder müssen sie sogar? So viele Fragen. Manche können gestützt mit wissenschaftlicher Expertise beantwortet werden, manche werde ich mit meinem Gewissen ausmachen müssen.
Auseinandersetzung mit Digitalisierung als Angebot für Lehramtsstudierende
Das Thema ist also seit langem aktuell, sodass es nicht verwundert, dass das hochschulübergreifende Projekt Digi4All eine passende Lehrveranstaltung gestaltet hat. Aber in Zeiten von Homeschooling und Kreativsemester passt es dazu auch noch perfekt in meinen Semesterplan. Anders als andere Module, die situationsbedingt spontan digitalisiert wurden, wurde das Wahlmodul ‚Digi4All – Kompetenzen für das Unterrichten in einer digitalen Welt‘ tatsächlich von Beginn an unabhängig von der aktuellen kreativen Situation als digitale Lehrveranstaltung geplant. Durch die Einbindung verschiedener Tools (wie Foren und Kommentarboards) und Plattformen (z. B. YouTube) wird es nie langweilig. Mal lese ich einen Text und beantworte Fragen (super: Die Auswertung erfolgt sogleich und mein Lernfortschritt ist für mich sofort erkennbar), dann schaue ich ein Video und diskutiere darüber in einem Forum mit den anderen Teilnehmenden, ich probiere mich an Wortzählungs- und Wortsortiertools und bekomme dann vertiefende Literaturhinweise so schmackhaft präsentiert, dass ich den Rest des Tages (freiwillig!) Lehrbücher lese und zeitvergessen Dokumentationen schaue.
Neben Grundlagenwissen zu Digitalisierung wird auch Anwendungskompetenz sowie die reflektierte Umsetzung im Unterricht vermittelt. Ich habe in den ersten vier Modulen schon viel gelernt. Ich kann jetzt tatsächlich erklären, was Internet ist und habe das erste Mal programmiert. Ich habe mich mit den Ursachen und Folgen von Cybermobbing beschäftigt und Lösungsvorschläge und Unterstützungsansätze kennengelernt. Ich habe verstanden, was ich für mehr Sicherheit in einer vernetzten Umgebung tun kann. Ganz nebenbei lerne ich viel über digitale Kommunikation, da das Modul sich auch stark über die Beiträge der Teilnehmenden gestaltet. Ja, das kann ich natürlich auf meine zukünftige Rolle als Lehrkraft übertragen, aber auch für meinen Alltag und mein digitales Studium kann ich viel mitnehmen. Auf meine Passwörter habe ich schon vorher sehr gut aufgepasst, aber die Notwendigkeit, meine E-Mails zu verschlüsseln, habe ich erst jetzt erkannt.
Ich freue mich schon auf die nächsten Module, wenn die Kreativität in vernetzten Systemen thematisiert, vertieft auf Medienbildung im Fachunterricht eingegangen, die Nutzung sozialer Netzwerke und auch die Grenzen von Digitalen Medien hinterfragt wird. Dazu soll es auch neue kollaborative Arbeitsformen geben, die ich vielleicht wieder auf meinen Alltag, mein Studium und natürlich für meine zukünftige Tätigkeit als Lehrerin übertragen kann.
Und zum Schluss aus dem Einführungsmodul von ‚Digi4All‘: Warum fangen Informatiker*innen Aufzählungen immer mit ‚0‘ an? – Bei Gebäuden ist das Erdgeschoss ja auch nicht der 1. Stock. Logisch, oder?
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