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Festtagsbesuch

Post aus Taipeh! Nora Lessing hat Weihnachten in Taiwan verbracht – in ungewollter Gesellschaft

08.01.2016

Weihnachtlicher Schmuck in der Hauptstadt Taiwans.

Weihnachtlicher Schmuck in der Hauptstadt Taiwans.
Bildquelle: Nora Lessing

Nora Lessing in voller Abwehrmontur beim Kampf gegen die ungebetenen Weihnachtsgäste.

Nora Lessing in voller Abwehrmontur beim Kampf gegen die ungebetenen Weihnachtsgäste.
Bildquelle: Privat

Es weihnachtet sehr in Taipeh. Durch die Geschäfte dröhnt weihnachtliche Popmusik, und die ziemlich überdimensionierte Kirche gegenüber der Universität ist derart mit bunten Lichterketten behängt, dass ihr zumindest im Dunkeln ein gewisses Diskoflair nicht abzusprechen ist. Neben der Eingangstür prangt ein gigantisches Schild mit der Aufschrift „Happy Birthday Jesus!“. Meine Lieblingsbäckereiangestellte strahlt unter einer Weihnachtsmannmütze, andere Verkäufer warten als taiwanische Elfen mit Stoffgeweihen, lamettaartigem Leibesschmuck und lila Rentierkostümen auf.

Die Weihnachtselfen, die in diesem Jahr bei mir zu Hause Einzug gehalten haben, scheinen hingegen eher räuberischer Natur zu sein. Ein erster Verdacht kam mir angesichts der trockenen Nudelstücke, die nachts auf mysteriöse Art und Weise von der Anrichte auf den Boden und neben die Waschmaschine gewandert waren. Dann bedankte sich mein Mitbewohner Flori eines Morgens ausgiebig dafür, dass ich ihm extra ein Brot herausgelegt hätte – ein kleines Weißbrot, das im Laden üblicherweise gleich in mehrere Plastiktüten verpackt wird. Das Brot hatte Flori schon verspeist, während ich argwöhnisch die in der Plastiktüte verbliebenen Backwaren inspizierte. Von diesen hatten unsere neuen Mitbewohner nämlich feinsäuberlich die Käsekruste abgeknabbert. Während Flori sich dem ausgiebigen Gebrauch von Mundspülung hingab, begann ich, Nachforschungen anzustellen.

Beste Vorratskammer der Stadt

Der locus delicti war schnell gefunden: Ein offenes Abflussrohr in der Küche schien der optimale Einstiegspunkt für die ungebetenen Gäste, die sich nachts an unseren Lebensmitteln auf der Anrichte gütlich taten. Ob Baguette, trockene Nudeln oder Toastbrot in der Verpackung – plötzlich war nichts mehr vor ihnen sicher. Einmal sprintete eine Ratte hinter der Waschmaschine hervor, huschte an Flori und mir (beide: kreischend) vorbei, quetschte sich unter der Eingangstür hindurch und verschwand in der Nacht. Gerade so, als hätte sich unser Haus unter der Nagetierpopulation Taipehs als beste Vorratskammer der Stadt herumgesprochen, hörte ich nun immer öfter leise Geräusche aus der Küche im Stockwerk unter mir, wenn ich nachts im Bett lag. So begannen wir, alle Lebensmittel im Kühlschrank oder in verschließbaren Dosen zu lagern.

Beitrag zum interkulturellen Austausch

Als ich vor einigen Tagen nach Hause kam, fand ich die Tupperdose, in der ich die Lebkuchen aus meinem Weihnachtspaket aus der Heimat gelagert hatte, umgekippt und offen auf der Anrichte. Im Abflussrohr steckte noch der Rest eines Schokoladenlebkuchens, der sich beim Abtransport ganz offensichtlich nicht hatte durch das enge Rohr zerren lassen. Nachdem ich meinen telefonischen Bericht der Entrüstung beendet hatte, lachte meine Mutter und sagte, dass das sicher das erste Mal gewesen sei, dass taiwanische Ratten in den Genuss deutscher Lebkuchen gekommen seien. Ein weihnachtlicher Beitrag zum interkulturellen Austausch sozusagen, ganz im Sinne der Feiertage. Immerhin.

Weitere Informationen

In unserer campus.leben-Serie „Post aus...“ berichten sechs Studierende, zwei Doktorandinnen und ein Auszubildender von ihren Auslandsaufenthalten. Hier haben wir die neun Reisenden vorgestellt und hier finden Sie Nora Lessings Berichte.

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