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Tausche Labor gegen Felderfahrung

Veterinärmedizinerin Jessica Magenwirth, Absolventin der Freien Universität und Deutschlandstipendiatin, auf Forschungsreise in Afrika

15.01.2015

Jessica Magenwirth und ein Silberrücken.

Jessica Magenwirth und ein Silberrücken.
Bildquelle: Marcus Westberg, Life Through A Lens

Jessica Magenwirth bei der jährlichen Gesundheitskontrolle der Waisengorillas in Virunga

Jessica Magenwirth bei der jährlichen Gesundheitskontrolle der Waisengorillas in Virunga
Bildquelle: Marcus Westberg, Life Through A Lens

Jessica Magenwirth beim Beschriften von Proben.

Jessica Magenwirth beim Beschriften von Proben.
Bildquelle: Marcus Westberg, Life Through A Lens

„Als ich mich bei der Organisation Gorilla Doctors beworben habe, hatte ich damit gerechnet, dass ich während meines Aufenthaltes keinen einzigen Gorilla sehen würde“, erzählt Jessica Magenwirth. Die Absolventin der Veterinärmedizin der Freien Universität hatte während ihres Studiums ein besonderes Interesse für Wildtiere entwickelt, außerdem wollte sie sich ausführlicher mit Virologie und infektiösen Krankheiten beschäftigen. Für ihren Aufenthalt im ostafrikanischen Ruanda hatte sie sich auf Laborarbeit eingestellt und erwartet, viel Zeit mit der Analyse von Krankheitserregern zu verbringen. „Und dann kam alles ganz anders“, sagt die 27-Jährige.

Statt im Labor verbrachte Jessica Magenwirth den größten Teil ihrer Zeit im Feld mit den Gorilla Doctors – einer Organisation, die sich dem Schutz der afrikanischen Gorillas verschrieben hat. Sie sorgen dafür, dass die bedrohten Tiere medizinisch versorgt werden, und bemühen sich, möglichst viele von ihnen zu retten.

In Uganda und im Kongo besuchte Jessica Magenwirth gemeinsam mit dem Tierarzt Dr. Eddy Kambale Gorillagruppen in freier Wildbahn. „Das war manchmal geradezu abenteuerlich“, sagt die Tierärztin. Auf der Suche nach einer Gorillafamilie, die nicht an Menschen gewöhnt ist, mussten sie sich einmal sieben Stunden lang durch den Regenwald des Kahuzi-Biega-Nationalparks schlagen. „Wir haben sie überall um uns herum gehört: die Rufe der Gorillas, und wie der Silberrücken, das Alphatier, sich auf die Brust getrommelt hat – es war unbeschreiblich“, erzählt Jessica Magenwirth.

Während ihres Aufenthaltes standen die jährlichen Gesundheitskontrollen der Waisengorillas in der Tierauffangstation in Virunga an. „Es war eine großartige Erfahrung, aktiv bei den Untersuchungen mitarbeiten zu können“, sagt Jessica Magenwirth. Die Gorillas wurden zunächst betäubt. Dann wurde ihnen Blut abgenommen, und sie wurden von Kopf bis Fuß auf Verletzungen und Krankheitssymptome überprüft. „Am schönsten aber war es zu sehen, wie die kleine zweijährige Waise Kalonge nach der Untersuchung in den Armen ihres Betreuers wieder aufgewacht ist. Einfach zu süß!“

Tiefenentspannte Riesen

Bei ihren monatlichen Besuchen der verschiedenen Gorillagruppen – immer in Begleitung von einheimischen Fährtenlesern und Rangern der Nationalparks – beobachten die Ärzte das Verhalten der Tiere: was sie essen und ob sie Krankheitssymptome zeigen. Obgleich Gorillas „tiefenentspannt“ seien, wie Jessica Magenwirth es ausdrückt, müsste man doch immer Abstand halten. „Sieben Meter sind das Minimum“, erklärt sie. „Und es ist wichtig, den Tieren stets einen Fluchtweg zu lassen.“

Was den richtigen Umgang mit Gorillas angeht, sei in den letzten Jahren viel Aufklärungsarbeit geleistet worden. Die einheimischen Ranger seien sehr gut ausgebildet und informiert, berichtet die junge Tierärztin. Im Allgemeinen nehme die Bevölkerung in Uganda, Ruanda und im Kongo Gorillas mittlerweile positiv wahr. Der Gorilla-Tourismus ist in Ostafrika – zum Schutz von Mensch und Tier – auf eine bestimmte Zahl an Besuchern pro Gorillagruppe und Jahr beschränkt, sagt die Veterinärin. „Man braucht ein sogenanntes Gorilla Permit, eine Art Visum für die Nationalparks, um tatsächlich Gorillas sehen zu können.“ Damit soll den Tieren einerseits Ruhe gegönnt werden, andererseits geht es aber auch darum, der Übertragung von Krankheiten vorzubeugen. „Gorillas teilen so viel genetisches Material mit dem Menschen, dass sie von menschlichen Krankheitserregern angesteckt werden können – und anders herum natürlich auch“, sagt Magenwirth.

Ganzheitlich arbeiten

Die Gorilla Doctors beziehen genau diesen Aspekt in ihre Arbeit mit ein. Die Organisation bemüht sich im Sinne des „Onehealth“-Gedankens – nach dem eine Tierart nur erhalten werden kann, wenn ihre Umwelt entsprechend mitbedacht wird und mitarbeitet – um die ostafrikanischen Gorillas. Gorilla Doctors engagiere sich für den bewussten Kontakt zwischen Wildtieren und Menschen. Die Mitarbeiter der Nationalparks und ihre Familien seien sorgfältig geimpft und könnten sich in dem eigens für die Angestellten eingerichteten Krankenhaus regelmäßig untersuchen lassen. Außerdem werde versucht, das Infektionsrisiko auch zwischen den Tieren zu minimieren, indem domestizierte Tiere entsprechend geimpft werden. Das habe sie an den Gorilla Doctors geschätzt: „Dass sie nicht nur punktuell Symptome behandeln, sondern über den Tellerrand hinausschauen und ganzheitlich arbeiten“, sagt Jessica Magenwirth.

Immer unterwegs

Auch an der University of Saskatchewa in Kanada, wo die Veterinärin von August bis Dezember 2014 einen Forschungsaufenthalt absolvierte, ging es um Wildtiere und den Einfluss der Umwelt. „Wir haben beispielsweise untersucht, wie sich der Klimawandel auf bestimmte Populationen auswirkt: auf den Bestand und die Verbreitung infektiöser Krankheiten.

Nach ihrer Zeit in Kanada möchte die junge Tierärztin ihre klinischen Fähigkeiten weiter ausbilden – natürlich im Ausland. „In Thailand gibt es ein tolles Projekt an einer Klinik in Sangkhlaburi, das den „Onehealth“-Gedanke sehr schön aufgreift.“ – Und dann? „Ich würde gern noch einen PhD-Abschluss machen“, sagt Jessica. „Im Bereich Wildtiere und Ecosystem Health.“