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„Die Opposition ist nicht im Parlament vertreten, aber sie ist auf der Straße“

4. Juli, 18.30 Uhr: Tour de Force – Mit Macron in ein anderes Europa? / 7. Berliner Europa-Dialog

29.06.2017

Welche Pläne verfolgt Staatspräsident Emmanuel Macron für Frankreich und Europa? Darüber diskutieren Frankreichexpertinnen und -experten beim Europa-Dialog an der Freien Universität.

Welche Pläne verfolgt Staatspräsident Emmanuel Macron für Frankreich und Europa? Darüber diskutieren Frankreichexpertinnen und -experten beim Europa-Dialog an der Freien Universität.
Bildquelle: Wikimedia/www.kreml.ru (Creative CommonsAttribution 4.0)

Erst wurde er Präsident, dann holte seine frisch gegründete Partei aus dem Stand eine stabile Mehrheit in der Nationalversammlung: Emmanuel Macron hat das französische Establishment überrumpelt. Gewonnen hat der junge Politiker mit seiner pro-europäischen, sozialliberalen Bewegung, die anscheinend auch den Rechtspopulismus in die Schranken verwiesen hat. Beim 7. Berliner Europa-Dialog diskutieren Frankreichexpertinnen und -experten über die angekündigte französische Revolution des Polit-Jungstars Macron und darüber, was sie für Europa bedeutet. Miriam Hartlapp, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Deutschland und Frankreich am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität, wird die Podiumsrunde moderieren.

Frau Professorin Hartlapp, Emmanuel Macron ist zu einem Symbol gegen den Rechtspopulismus geworden, doch gerade von den Linken gibt es viel Kritik an ihm. Wird sich Macron an den Gewerkschaften aufreiben?

Das ist für mich die spannendste Frage in diesem Sommer in Europa: Wird es Macron gelingen, die Aufbruchsstimmung auch in Politik umzusetzen? Die größte Herausforderung sind die sozialpolitischen Reformen. Frankreich ist ein geschlossenes politisches System, in dem es nur wenige Möglichkeiten der Beteiligung gibt – insbesondere nachdem die Legislativwahlen Macron in der Assemblée Nationale eine komfortable Mehrheit verschafft haben und es dort kaum Opposition gibt. Aber auf der Straße gibt es sie. Viele, die in der ersten Runde die linkspopulistische Partei La France insoumise gewählt haben, haben im zweiten Wahlgang überhaupt nicht abgestimmt. Das Potenzial der Opposition auf der Straße ist also groß.

Miriam Hartlapp-Zugehör ist seit April 2017 Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Deutschland und Frankreich am Fachbereich Poltik- und Sozialwissenschaften.

Miriam Hartlapp-Zugehör ist seit April 2017 Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Deutschland und Frankreich am Fachbereich Poltik- und Sozialwissenschaften.
Bildquelle: Beate Rebner

Beinahe wäre Marine Le Pen Präsidentin geworden. Nun hat ihr Front National gerade einmal acht Parlamentssitze erhalten. Ist damit der Aufschwung des Populismus vorbei?

Die Erleichterung ist zu Recht groß, aber dass damit der Aufschwung des Populismus vorbei ist, kann man nicht sagen. Der Front National hat mehr Stimmen bekommen als jemals zuvor. Anders als ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, der 2002 in die Stichwahl um die Präsidentschaft eingezogen ist, ist es Marine Le Pen gelungen, im zweiten Wahlgang noch mehr Stimmen zu erhalten als im ersten. Das Erstarken populistischer Parteien in ganz Europa hat vielfältige Ursachen, die weiterhin existieren: Von der wirtschaftlichen Entwicklung, die zu mehr Ungleichheit führt, bis zu gesellschaftlich-kulturellen Veränderungen. Ich denke daher, dass uns der Rechtspopulismus erhalten bleibt. Spannend ist nun, welche Auswirkungen er auf das politische System hat. Wie verändert sich die Parteienlandschaft, rutschen alle Parteien nach rechts? Werden manche Themen wie Sicherheit oder Einwanderung Dauerbrenner sein? Das sind Fragen, die ich sicherlich auch mit den Gästen auf dem Podium diskutieren werde.

Welche Veränderungen für Europa strebt Macron an?

Man konnte bei den Diskussionen im Wahlkampf und bei dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche sehen, dass Frankreich zwei Themenfelder in der europäischen Politik voranbringen möchte. Das eine ist die Wirtschafts- und Währungspolitik. Hier bringt Macron eine Reihe konkreter Vorschläge ein. Vermutlich werden die Instrumente hier nicht „Eurobonds“ heißen, es ist aber klar, dass es mehr Investitionen und damit auch Umverteilung geben soll. Außerdem wünscht Macron einen gemeinsamen EU-Wirtschaftsminister und ein parlamentarisches Pendant zur Euro-Gruppe, dem Exekutivgremium, das die Politik des Euro-Raumes koordiniert. Das zweite Feld ist die Außenpolitik. Frankreich war schon immer an einer eigenständigen europäischen Außenpolitik interessiert, mit mehr Kooperation in Verteidigung und Rüstung sowie einer ständigen, strukturierten Zusammenarbeit.

Nach dem Brexit gibt es insgesamt möglicherweise eine neue Dynamik. Ich glaube, dass sich die europäische Union in einer Phase befindet, in der grundlegende Reformen wieder wahrscheinlicher sind. Man hat sich ja lange Zeit an Verfassungsreformen überhaupt nicht herangetraut. Die werden jetzt wieder diskutiert. Auch neue Modelle, wie eine differenzierte Integration, werden in Betracht gezogen. Hier ist das deutsch-französische Tandem ganz wichtig, aber auch die Frage, mit welchen anderen Ländern man gemeinsam Politik macht. Denn zwei alleine machen Europa noch nicht aus.

Was erwarten Sie von dem Europa-Dialog, den Sie kommenden Dienstag moderieren werden?

Auf dem Podium wird große französische Expertise vertreten sein, um das Phänomen Macron besser zu verstehen. Besonders freue ich mich auf Antworten auf die Frage, was Frankreich eigentlich von Deutschland erwartet mit Blick auf Europa, aber auch zur Unterstützung für die schwierigen innenpolitischen Reformen, die Macron vorhat. Es heißt immer, dass Macron sozialliberale Politik macht. Aber wie seine konkreten Pläne aussehen, das werden wir von den Podiumsgästen bestimmt erfahren.

Die Fragen stellte Jonas Huggins

Weitere Informationen

7. Berliner Europa-Dialog: Tour de Force – Mit Macron in ein anderes Europa?

Auf dem Podium sitzen:

  • I.E. Anne-Marie Descôtes, Botschafterin Frankreichs in Deutschland (angefragt)
  • Pascal Thibaut, Deutschland-Korrespondent Radio France International
  • Emmanuel Droit, Direktor des Centre Marc Bloch, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Felix Lennart Hake, Präsident des Deutsch-Französischen Jugendausschusses
  • Moderation: Prof. Dr. Miriam Hartlapp, Freie Universität Berlin.

Zeit und Ort

  • 4. Juli 2017, 18.30-20.30 Uhr
  • Henry-Ford-Bau der Freien Universität, Hörsaal A, Garystraße 35, 14195 Berlin-Dahlem (U-Bhf. Freie Universität / Thielplatz)

Der Eintritt ist frei.

Der Berliner Europa-Dialog wird kooperativ organisiert vom Europäischen Informationszentrum Berlin (Träger: Deutsche Gesellschaft e.V.), dem Dokumentationszentrum Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität Berlin sowie der Europa-Union Berlin e.V.