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„Kennedy verstand es, sich zu inszenieren“

29. Mai: Das John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität feiert den 100. Geburtstag seines Namensgebers

24.05.2017

John F. Kennedy am 26. Juni 1963 bei seiner Rede vor dem Henry-Ford-Bau an der Freien Universität Berlin.

John F. Kennedy am 26. Juni 1963 bei seiner Rede vor dem Henry-Ford-Bau an der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Reinhard Friedrich

Am 29. Mai 2017 wäre John F. Kennedy 100 Jahre alt geworden. Wenige Monate vor seiner Ermordung im November 1963 hatte der damalige US-Präsident Berlin besucht und an der Freien Universität eine vielbeachtete politische Rede gehalten. Das John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin, das sich kurz nach Kennedys Tod nach ihm benannt hatte, begeht dessen Geburtstag mit einer Veranstaltung: „100 Years/100 Days: Utopian and Distopian Visions of American Politics from Kennedy to Trump“. Campus.leben sprach mit Markus Kienscherf, Soziologieprofessor am John-F.-Kennedy-Institut und Organisator der Geburtstagsveranstaltung.

Herr Professor Kienscherf, John F. Kennedy war als Präsident nur etwas länger als 1000 Tage im Amt. Warum war seine Präsidentschaft dennoch so bedeutsam?

Gerade weil Kennedys Amtszeit solch ein jähes Ende nahm, bildete sich ein starker Mythos um seine Person. Die Umstände seiner Ermordung spielten dabei eine zentrale Rolle. Aber auch die Person Kennedy trug erheblich dazu bei, dass seine Präsidentschaft heute als so bedeutend gilt. Er war äußerst charismatisch, ein begnadeter Redner und verstand es, sich selbst, seine Familie und auch sein Amt sehr öffentlichkeitwirksam zu inszenieren.

Darüber hinaus ist in seiner kurzen Amtszeit sehr viel passiert. Seine Präsidentschaft fiel in eine äußerst heiße Phase des Kalten Krieges – zu nennen wären insbesondere die Konfrontation mit der Sowjetunion während der Kuba-Krise, der Bau der Berliner Mauer und die zunehmende Eskalation des Vietnamkrieges. Hinzu kamen bedeutende innenpolitische Entwicklungen, vor allem die Bürgerrechtsbewegung und anhaltende Proteste gegen die Rassentrennung in den Südstaaten. Kennedy legte im Juni 1963 einen Entwurf für ein Bürgerrechtgesetz vor, das allerdings keine Mehrheit im Kongress fand. Dennoch war dieser Gesetzesentwurf die Grundlage für den 1964 verabschiedeten Civil Rights Act, der die Rassentrennung für illegal erklärte.

Prof. Dr. Markus Kienscherf, Professor in der Abteilung Soziologie am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien

Prof. Dr. Markus Kienscherf, Professor in der Abteilung Soziologie am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien
Bildquelle: privat

John F. Kennedys 100. Geburtstag begeht das gleichnamige Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin am 29. Mai.

John F. Kennedys 100. Geburtstag begeht das gleichnamige Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin am 29. Mai.

Was hat die Gesellschaft zu Kennedys Zeit grundsätzlich bewegt?

Die frühen sechziger Jahre waren eine Zeit, in der sich viele tiefgreifende Veränderungen anbahnten. Wie bereits erwähnt, war es die Zeit der Bürgerrechtsbewegung. Aber auch die Anfänge der sogenannten zweiten Welle des amerikanischen Feminismus fielen in Kennedys Amtszeit. Es war auch der Beginn der Popkultur, die Zeit wichtiger wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen, wie zum Beispiel der bemannten Raumfahrt.

Am 23. Juni 1963 hat John F. Kennedy eine Rede an der Freien Universität gehalten, die zweite in Berlin an jenem Tag. Welche historische Bedeutung hat Kennedys Berlin-Besuch in der Rückschau?

Es ist tatsächlich schwer, die Bedeutsamkeit dieses Besuchs zu unterschätzen. Der Besuch geschah ja nicht lange nach der Berlin-Krise und dem Bau der Mauer. Inmitten des schwelenden Ost-West-Konfliktes machte Kennedy klar, dass West-Berlin und die gesamte Bundesrepublik zum Westen gehörten und sich amerikanischer Unterstützung sicher sein konnten. Man darf nicht vergessen, dass sich Kennedy noch kurz vorher Chruschtschow gegenüber sehr kompromissbereit gezeigt hatte. Eine interessante Randnotiz ist auch, dass Kennedys Rede vor dem roten Rathaus in Schöneberg seinem Sicherheitsberater McGeorge Bundy etwas zu weit ging, weshalb die Rede an der Freien Universität etwas abgemildert wurde.

Sie schlagen im Veranstaltungstitel die Brücke zum amtierenden Präsidenten – wie Kennedy ist Donald Trump in eine reiche Familie hineingeboren worden. Haben die beiden Präsidenten noch mehr gemeinsam?

Ich denke, dass hier die Gemeinsamkeiten auch schon aufhören. Im Gegensatz zu Donald Trump war Kennedy, obwohl er schon in jungen Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, kein politischer Quereinsteiger. Kennedys politische Karriere begann, als er im Alter von 30 Jahren ins Repräsentantenhaus gewählt wurde. Er stammte aus einer politisch sehr aktiven Familie. Sein Großvater mütterlicherseits war ein bekannter Demokratischer Politiker, und auch sein Vater war nicht nur Geschäftsmann, sondern unter anderem auch US-Botschafter in London.

Dennoch gibt es einige interessante Parallelen. Wirtschafts- und sozialpolitische Themen spielten sowohl in Kennedys als auch in Trumps Wahlkampf eine zentrale Rolle. Beide Präsidenten versprachen umfassende Arbeitsmarkt- und Steuerreformen. Tatsächlich lagen die gesellschaftlichen Probleme damals ähnlich wie heute: Armut, soziale Ungleichheit und sektorale Wirtschaftskrisen waren auch Anfang der sechziger Jahre wichtige Themen. Natürlich unterscheiden sich die Antworten beider Präsidenten darauf wesentlich.

Im Rahmen unserer Veranstaltung werden wir dies am Beispiel des Kohlebaus in West Virginia diskutieren. Die dortigen Kohlereviere waren ein wichtiger Wahlkampfschauplatz sowohl für Kennedy als auch für Trump. 1960 stimmten Bergarbeiter dieser Region mehrheitlich für Kennedy und 2016 für Trump. Das wirft viele spannende Fragen auf.

Wie wird der Geburtstag John F. Kennedys am gleichnamigen Institut der Freien Universität gefeiert?

Neben einem Vortrag des ehemaligen US-amerikanischen Botschafters John Kornblum und einer Podiumsdiskussion wird es eine Fotoausstellung, eine Filmvorführung und eine Performance von Kennedy-Reden geben. Die letzten beiden Programmpunkte möchte ich gesondert empfehlen: Die amerikanische Botschaft hat uns freundlicherweise insgesamt 77 Fotos aus den Archiven der John F. Kennedy Presidential Library überlassen. Diese Ausstellung wird im Institutsgebäude gezeigt. Außerdem konnten wir den dänischen Schauspieler Caspar Phillipson gewinnen, der zusammen mit dem Kennedy-Biographen Anders Agner Pederson einige von Kennedys Reden vortragen wird. Caspar Phillipson spielte John F. Kennedy in dem Film Jackie. Wir haben also auch etwas Showbiz zu bieten.

Die Fragen stellte Jonas Huggins

Weitere Informationen

„100 Years/100 Days: Utopian and Dystopian Visions of American Politics from Kennedy to Trump”

Das Programm umfasst einen Vortrag, eine Filmvorführung, Live-Performances von Kennedys Reden, eine Fotoausstellung und eine Podiumsdiskussion. Die Veranstaltung ist öffentlich und der Eintritt frei. Die Veranstaltungssprache ist Englisch.

Zeit und Ort

  • 29. Mai 2017, 14.30 bis 18.45 Uhr
  • John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Lansstraße 7-9, 14195 Berlin (U-Bhf. Dahlem Dorf, U 3)
  • Programm

Besuchen Sie auch die Seiten John F. Kennedy an der Freien Universität Berlin, die anlässlich des 50. Jubiläums des John-F.-Kennedy-Instituts für Nordamerikastudien eingerichtet wurden. Hier finden Sie Bilder und Dokumente, die den Besuch des ehemaligen US-Präsidenten in Dahlem zeigen, Berichte und Erinnerungen von Zeitzeugen des 26. Juni 1963 sowie das Jubiläumsprogramm der Institutsfeier am 26. Juni 2013.