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„Die Freie Universität mitgelebt, mitgestaltet und mitgeprägt“

Abschiedsveranstaltung von Politikwissenschaftlerin Sabine von Oppeln in den Ruhestand / Podiumsdiskussion über die Zukunft der Europäischen Union

09.03.2017

Sabine von Oppeln war mehr als 30 Jahre als Wissenschaftlerin an der Freien Universität tätig.

Sabine von Oppeln war mehr als 30 Jahre als Wissenschaftlerin an der Freien Universität tätig.
Bildquelle: Manuel Krane

Ihrem Forschungsgegenstand, den Sabine von Oppeln über viele Jahre untersucht hat, blieb sie auch an diesem Abend treu: In den Mittelpunkt ihrer Abschiedsveranstaltung hatte die Akademische Oberrätin und stellvertretende Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration eine Diskussion über die Herausforderungen und die Zukunft der Europäischen Union vor dem Hintergrund der Wahlen in Frankreich und Deutschland und populistischen Tendenzen gestellt. Das Podium war prominent besetzt: Der französische Botschafter Philippe Etienne, mit dem Sabine von Oppeln in ihrer Funktion als Koordinatorin der von ihr initiierten deutsch-französischen Studiengänge am Otto-Suhr-Institut (OSI) zusammengearbeitet hat, war ebenso gekommen wie die Politikwissenschaftlerin und ehemalige Professorin am Otto-Suhr-Institut, die Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Plattform Gesine Schwan.

Rechtsgerichtete Parteien haben in Deutschland und Frankreich großen Zulauf. Allerdings wird die AfD bei der Bundestagswahl in Deutschland Umfragen zufolge weniger erfolgreich sein als Marine Le Pen vom Front National bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich, der ein Einzug in die Stichwahl zugetraut wird. Wie lässt sich das erklären? „Ich glaube es gibt einen sehr großen Unterschied in der Geschichte beider Länder“, sagte Philippe Etienne. Daraus ergebe sich ein anderer Umgang mit rechtsgerichteten Parteien. Dem stimmte Gesine Schwan zu: „Die Diskreditierung von ‚rechts‘ ist in Deutschland viel größer.“ Es gebe aber weitere Unterschiede. „Die innergesellschaftliche Situation ist in Frankreich stärker mit Gräben zerfurcht als die in Deutschland“, sagte Schwan. Differenzen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern etwa seien dermaßen groß, dass ein Dialog zwischen beiden Seiten in weite Ferne gerückt sei. Diese Polarisierung spiele rechtsextremen Parteien in die Hände.

In der Diskussion ging es auch um die Frage, wie Europa zukünftig aussehen soll. „Die Menschen brauchen einerseits Visionen, und andererseits muss man sie mit konkreten Beweisen für Erfolge der europäischen Integration erreichen“, sagte Etienne, „die besten Ideen sind konkrete Projekte.“ Der Erfolg der Rechtspopulisten in Europa sei nicht allein mit Sozialabbau in den europäischen Ländern zu erklären, auch wenn beispielsweise die deutsche SPD, deren Mitglied Schwan ist, lange Zeit ein „Promoter neoliberaler Politik“ gewesen sei, betonte die Politikwissenschaftlerin. „Viele AfD-Wähler sind gar nicht arm, sie haben aber Angst vor dem Abstieg“, sagte Schwan. „Es herrscht die Einstellung vor, unter dem Eindruck der Globalisierung den Anschluss verpasst zu haben.“

Zudem hätten die Menschen das Gefühl, keine Macht zu haben. Das sei ein uraltes politikwissenschaftliches Problem, gab die frühere Kandidatin der SPD für das Amt des Bundespräsidenten zu bedenken. Sie plädierte für eine stärkere Einbindung der Bürger auf kommunaler Ebene. Dort sei der Zusammenhang zwischen dem Engagement des Einzelnen und den daraus resultierenden Erfolgen einfacher sichtbar zu machen. Außerdem würde dadurch die Einsicht in die Komplexität politischer Prozesse gestärkt. „Die Leute sehen dann, dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen“, sagte Gesine Schwan.

Lange Karriere an der Freien Universität Berlin

Der Vizepräsident der Freien Universität Professor Klaus Hoffmann-Holland ging in seiner Rede vor vielen ehemaligen Studierenden der von Sabine von Oppeln initiierten Studiengänge und vor Wegbegleitern auf die Lebensstationen der Politologin ein und würdigte ihr jahrzehntelanges Engagement für die Freie Universität: Er erinnerte an den Beginn ihres Studiums im Jahr 1969, als Sabine von Oppeln an der Freien Universität anfing, Geschichte und Germanistik zu studieren. Zwei Jahre später wechselte sie zum Fach Politikwissenschaft. Für ihre Dissertation über die Atompolitik in Deutschland und Frankreich war sie zur Feldforschung in Paris und hat sich mit den Anti-Atomkraftbewegungen in beiden Ländern auseinandergesetzt.

An der Freien Universität war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Professor Gerhard Kiersch, der Anfang der 1980er-Jahre begann, Kontakt zum Institut d’Etudes Politiques in Paris aufzunehmen – einer französischen Grande Ecole, bekannt unter dem Kürzel Sciences Po. Sein Ziel war es, einen deutsch-französischen Studiengang aufzubauen. Als Kierschs Mitarbeiterin war Sabine von Oppeln eng in die Verhandlungen eingebunden; sie war seit 1993 Programmbeauftragte für den zwei Jahre zuvor eingerichteten Studiengang, der einen Abschluss an beiden Universitäten einschließt. In den vergangenen Jahrzehnten war Sabine von Oppeln zentrale Anlaufperson und Vertraute für die deutschen und französischen Studierenden, von denen viele zu ihrer Abschiedsveranstaltung gekommen waren. In ihrer Rede wusste die Politikwissenschaftlerin daher auch von deutsch-französischen Familiengründungen zu berichten: „Zwischendurch habe ich gedacht, ich kann jetzt einen Kindergarten aufmachen.“ Die Koordination der internationalen Studiengänge habe sie immer wieder herausgefordert, denn die Studienordnungen mussten stets an die sich ändernden Lehrpläne der beiden beteiligten Universitäten angepasst werden, betonte sie.

Mehrere Doppel-Studiengänge

Inzwischen gibt es zwei Doppel-Masterstudiengänge und einen Doppel-Bachelorstudiengang in Kooperation mit Sciences Po, außerdem ist zum Wintersemester 2009/2010 eine Kooperation mit der Pariser Wirtschaftshochschule HEC entstanden. „Sie haben die Freie Universität mitgelebt, mitgestaltet und mitgeprägt“, lobte der Vizepräsident der Freien Universität Klaus Hoffmann-Holland von Oppelns Engagement, „natürlich werden wir Sie ersetzen müssen, aber wir wissen auch, wie sehr das zum Scheitern verurteilt ist.“

Sabine von Oppeln will sich in Zukunft stärker ihren Enkeln widmen. Der Freien Universität will sie aber treu bleiben – und vielleicht „mal wieder etwas schreiben“.