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Quo vadis, deutsche Wirtschaft?

Sachverständigenrats-Vorsitzender Wolfgang Franz präsentierte an der Freien Universität Jahresgutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

24.11.2011

Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zeigte an der Freien Universität, wo es mit der Wirtschaft hingeht.

Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zeigte an der Freien Universität, wo es mit der Wirtschaft hingeht.
Bildquelle: Marina Kosmalla

Im Rahmen der "Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik" am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft halten renommierte internationale Ökonomen Vorträge an der Freien Universität Berlin.

Im Rahmen der "Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik" am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft halten renommierte internationale Ökonomen Vorträge an der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Marina Kosmalla

In diesem Jahr war es mit besonderer Spannung erwartet worden: das Gutachten der Wirtschaftsweisen. Einen Tag nach der Übergabe an die Bundeskanzlerin stellte der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Wolfgang Franz, die Expertise vor Studenten, Dozenten und Gästen an der Freien Universität Berlin vor.

In wirtschaftlich unruhigen Zeiten sind politische Akteure in der Regel dankbar für Analysen und Empfehlungen von Ökonomen. Das gilt umso mehr in diesem Jahr, da die Staatsschuldenkrise in vielen Ländern der Eurozone die Welt in Atem hält. In der Bundesrepublik Deutschland beurteilt das 1963 eingerichtete Gremium des Sachverständigenrates jährlich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Seither veröffentlichen die „Fünf Wirtschaftsweisen“ jedes Jahr bis zum 15. November ihr Gutachten, das einen Konjunkturausblick und konkrete Politikempfehlungen zu akuten wirtschaftspolitischen Themen bereit hält.

Dieses Jahr machte sich der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Wolfgang Franz, nach Übergabe des Gutachtens an die Bundeskanzlerin in Berlin-Mitte auf den Weg nach Dahlem. Dort erläuterte er an der Freien Universität Berlin im Rahmen der vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft organisierten „Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik“ interessierten Studierenden, Wissenschaftlern, Gästen und Journalisten die Expertise der Wirtschaftsweisen.

Wichtigstes Politikziel: die Rückgewinnung des Vertrauens der Finanzmärkte

Mit besonderem Interesse wurden deren Empfehlungen zur aktuellen Staatsschulden- und Bankenkrise in der Europäischen Union erwartet. Die Zuhörer sollten nicht enttäuscht werden: Das diesjährige Jahresgutachten stand unter der Überschrift „Verantwortung für Europa wahrnehmen“. Mit einiger Sorge prognostizierte Professor Franz für Deutschland ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum für 2012, das sich je nach weltweiter Konjunkturlage weiter verringern könnte. Nach einem Überblick über weitere Kapitel des Gutachtens kam  der Referent schnell zu dem Punkt, der von den Zuhörern besonders erwartet wurde. Und ihnen alle Illusionen zu nehmen, stellte Franz gleich zu Beginn seiner Ausführungen zur Krise fest: „Der Steuerzahler wird immer zur Kasse gebeten.“ Franz identifizierte als wichtigstes Politikziel die Rückgewinnung des Vertrauens der Finanzmärkte. Für den Fall, dass die bisher verabredeten Maßnahmen nicht griffen, empfehlen die Wirtschaftsweisen einen Schuldentilgungspakt, der es den Staaten ermögliche, unter harten Auflagen für einen Teil ihrer Gesamtverschuldung auch alle anderen Euro-Länder haftbar zu machen.

Diskussion über Alternativen

Schnell wurde klar: Die Vorschläge der Wirtschaftsweisen bieten keine Ideallösungen, die alle Zuhörer befriedigten. Sie diskutierten mit Wolfgang Franz Alternativlösungen, eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte, die Rolle der Banken und Ratingagenturen. Im Hinblick auf die Einmischung der Europäischen Zentralbank warnte Franz davor, dass die EZB „keine Todsünde begehen sollte“, indem sie Staatsanleihen hoch verschuldeter Länder kaufe und sich damit in deren Abhängigkeit begebe.