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"Eine Schule des Sehens"

Tanzwissenschaftler der Freien Universität kooperieren seit Beginn dieser Spielzeit mit dem Staatsballett Berlin

19.10.2011

Studentinnen der Tanzwissenschaft der Freien Universität Berlin geben in der kommenden Spielzeit Einführungen zu den Vorstellungen am Staatsballett Berlin.

Studentinnen der Tanzwissenschaft der Freien Universität Berlin geben in der kommenden Spielzeit Einführungen zu den Vorstellungen am Staatsballett Berlin.
Bildquelle: Svenja Klein, Staatsballett Berlin

Gabriele Brandstetter, Professorin am Institut für Theater- und Tanzwissenschaft, ist die erste Rednerin in der Vortragsreihe am Staatsballett Berlin. Sie spricht über die Geschichte des Walzers im Ballett.

Gabriele Brandstetter, Professorin am Institut für Theater- und Tanzwissenschaft, ist die erste Rednerin in der Vortragsreihe am Staatsballett Berlin. Sie spricht über die Geschichte des Walzers im Ballett.
Bildquelle: Privat

Christiane Theobald promovierte an der Freien Universität und ist heute Stellvertretende Intendantin des Staatsballetts Berlin.

Christiane Theobald promovierte an der Freien Universität und ist heute Stellvertretende Intendantin des Staatsballetts Berlin.
Bildquelle: Martin Lengemann, Staatsballett Berlin

„Erst die Generalprobe vor den Mitarbeitern des Staatsballetts Berlin, dann vor Publikum – das war unglaublich spannend“, sagt Mariama Diagne. Nicht als Tänzerin stand sie vor den Zuschauern des Staatsballetts Berlin, sondern als Tanzwissenschaftlerin: mit einer Einführung zu „Der Zauberer von Oz“. Vor jeder Ballett-Vorstellung im kommenden Jahr halten acht Studentinnen der Freien Universität Vorträge wie diesen. Verantwortlich für die Kooperation „Ballett-Universität“, die auch mit einer Vortragsreihe von Wissenschaftlern aufwartet, sind Professorin Gabriele Brandstetter und die Stellvertretende Intendantin des Staatsballetts Berlin, Christiane Theobald. Campus.leben sprach mit den beiden Organisatorinnen.

Junge, unerfahrene Studenten geben einem breiten Publikum Hintergrundinformationen zu den Stücken des Staatsballetts Berlin – birgt das auch ein Risiko?

Brandstetter: Die Kooperation erforderte anfangs sicherlich Mut von beiden Seiten. Wir als Institut mussten die Berührungsangst mit der Praxis überwinden und die Studenten gut vorbereiten: Wenn man vor einem Publikum spricht, in dem eventuell auch Kinder sitzen, erfordert das ein anderes Konzept und eine andere Sprache als ein Referat an der Universität. Für Frau Theobald ist das sogar noch ein größeres Risiko, weil es im Publikum manchmal doch eine Art Scheu vor der akademischen Annäherung gibt. 

Theobald: Das ist Ihre Projektion. (lacht) Ich habe das gar nicht so empfunden. Das Staatsballett Berlin ist, wenn Sie so möchten, gern bereit, Mut zu zeigen. Dem Publikum können wir so eine weitere Möglichkeit anbieten, mit uns und der Kunst in Kontakt zu treten. Ich glaube an junge Leute und finde es wunderbar, dass die Studenten das machen wollen.

Brandstetter: Das ist überhaupt das Besondere: Das Projekt läuft auf freiwilliger Basis und ohne Anrechnung auf die Studienleistung. Für die Studierenden ist es eine Möglichkeit, spätere Berufsfelder kennenzulernen. 

Theobald: Darum sehe ich auch kein Risiko. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ein langwieriger Prozess ist, bis man von der Wissenschaft in der Praxis angekommen ist. Darum haben wir den Studenten Tipps gegeben, wie sie mit ihrem Wissen auftreten können. Ein Wissen, das, wie ich finde, viel breiter in der Gesellschaft gestreut werden müsste. Wir haben im Publikum große Ballettomanen, die jedes Ballett und jeden Tänzer kennen – aber was vielleicht fehlt, ist ein fundierter wissenschaftlicher Hintergrund.

Neben den Einführungen bietet die „Ballett-Universität“ auch einmal im Monat einen Wissenschaftler-Vortrag ohne Bezug zum aktuellen Spielplan. Den ersten halten Sie persönlich, Frau Brandstetter. Was erwarten Sie von der Reihe „Apopros Ballett“?

Brandstetter: Die Faszination für Tanz an ein breiteres Publikum zu vermitteln, erweitert in meinen Augen den Begriff von Universität. Mit dem Foyer de la danse im Staatsballett Berlin, wo ein Teil der Veranstaltungen stattfinden wird, schaffen wir einen öffentlichen Raum, in dem man sich mit dem gemeinsamen Interesse begegnet.

Theobald: In der Bezeichnung Foyer de la danse schwingt ganz viel mit: In der Pariser Oper trafen dort die Ballettomanen auf die Tänzerinnen. Wir machen daraus nun auch einen Ort der Weiterbildung.

Brandstetter: Das Berliner Publikum ist sehr enthusiastisch. Wir möchten zudem die Gelegenheit geben, zu "begreifen, was einen ergreift", entsprechend einem alten hermeneutischen Grundsatz. Aber auch Zuschauer, die noch nie im Ballett waren, sollten eine Einführung erhalten. Es ist eine Schule des Sehens, die wir einrichten möchten.

Theobald: Der Wissenszuwachs auf allen Seiten, auch bei Dramaturgen, Choreografen und Tänzern, kann durchaus auch den künstlerischen Ausdruck verändern. Davon träume ich. Für das Publikum bietet die „Ballett-Universität“ in jedem Fall einen Mehrwert, auch für interessierte Besucher, die mit dieser Kunst bisher wenig in Berührung gekommen sind. Hier können die Einführungen vor dem Vorstellungsbesuch den Einstieg in die Welt des Tanzes erleichtern.

Die Fragen stellte Gisela Gross.

Weitere Informationen

  • Einführungen durch Studentinnen der Freien Universität finden in dieser Spielzeit bei jeder Vorführung 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn statt. Termine und Treffpunkte entnehmen Sie bitte dem Spielplan des Staatsballetts Berlin.

  • Die Vortragsreihe beginnt mit dem Vortrag „Zwischen Ballsaal und Bühne: Die Geschichte des Walzers im Ballett“ von Gabriele Brandstetter. Er findet am 19. Oktober um 19 Uhr im Foyer de la danse des Staatsballetts Berlin statt. Treffpunkt ist 15 Minuten vor Vortragsbeginn das Kassenfoyer der Deutsche Oper Berlin, Bismarckstraße 35, 10627 Berlin. Die weiteren Termine finden Sie im Veranstaltungskalender der Freien Universität oder auf den Seiten des Staatsballetts Berlin.